Per Express zur Entschleunigung
Der Vulkan-Express zuckelt gemächlich von Brohl am Rhein auf die Eifel-Höhen zu einem Zielort mit dem himmlischen Namen Engeln. Unterwegs steht der kleinste Bahnhof Deutschlands.
BROHL Kaum hat Paul Mandt mit seiner Trillerpfeife einen schrillen Pfiff abgegeben und per Handzeichen „Abfahrt“signalisiert, da rumpelt der Zug ein wenig hinund herschwankend los. „Das wird eine rasante Fahrt“, erklärt der 59-jährige Zugführer mit einem Augenzwinkern seinen Gästen, die mit dem Schiff von Bonn gekommen und jetzt in den Vulkan-Express der Brohltalbahn gestiegen sind. Lokführer Andreas Wildeman gibt im Führerstand der grün-rot-gelben Diesellok D2, die 1965 in Dortmund gebaut wurde, ordentlich Gas – und beschleunigt den Zug doch nur auf höchstens 20 Stundenkilometer.
Sie ist eine spezielle Art der Entschleunigung, die Fahrt auf der Schmalspurbahn von Brohl am Rhein auf die Eifelhöhen bei Engeln. Die Tour ist zwar nicht im eigentlichen Sinne ruhig, dafür klappert und wackelt und rappelt und quietscht es zu sehr auf der 1901 eröffneten Bahntrasse, auf der heute täglich außer montags historische Loks (ein- bis zweimal im Monat sogar die 111 Jahre alte Dampflok 11sm) und Waggons (in der 2. Klasse mit Holzbänken) im Einsatz sind. Aber es geht ausgesprochen gemütlich zu. Rund 75.000 Menschen fahren pro Jahr auf diese Art durch das enge Tal in die Eifel.
Alle paar Minuten gibt Andreas Wildeman per Horn in seiner 32 Tonnen schweren Diesellok ein lautes Signal. Etwa, wenn er einen unbeschrankten Bahnübergang erreicht und Zugführer Paul Mandt aussteigt, um die Autos anzuhalten. Ist der Express vorbeigebummelt, gibt der 59-Jährige die Straße wieder frei. Weiter unten, in den Rheinanlagen bei Brohl-Lützing, muss Mandt sogar die Weichen per Hand umstellen.
Gemächlichen Tempos überwindet der Zug auf einer Strecke von 17,5 Kilometern einen Höhenunterschied von 400 Metern. Auf den letzten fünf Kilometern, auf de- nen der Lokführer sogar auf 15 Stundenkilometer drosselt, sind es allein 200 Höhenmeter. Früher, in den Anfangsjahren der Brohltalbahn, mussten an diesem Abschnitt Züge mit Zahnradtechnik eingesetzt werden. „Heute“, sagt Paul Mandt, „ist der letzte Abschnitt die steilste Steigungsstrecke einer Schmalspurbahn in Deutschland.“
Dass zwischen Brohl am Rhein und Engeln in der Eifel überhaupt noch Personenzüge verkehren, ist Ehrenamtlern wie ihm zu verdanken. Die 1987 gegründete „Interessengemeinschaft Brohltal-Schmalspureisenbahn“(IBS) hat den Betrieb gerettet. Zwischen 1898 und 1902 war die Bahnstrecke zwischen Brohl und Kempenich gebaut worden, um im Brohltal abgebaute Gesteine wie Basalt, Tuff oder Trass ins Rheintal zu transportieren. Die Konkurrenz durch Autos und Lastwagen machte das Geschäft immer weniger lohnend. Als Anfang der 1990er Jahre die Stilllegung drohte, gründeten die Eisenbahnfreunde der IBS eine Brohltal-Schmalspureisenbahnbetrieb-GmbH, die das Geschäft übernahm.
„Dieses Modell fahren wir heute noch“, ruft Geschäftsführer Stefan Raab gegen den Lärm und das wiederkehrende Tuten der Diesellok an, während der historische Vulkan-Express unter anderem die Stationen Bad Tönisstein („Der kleinste Bahnhof Deutschlands“) und Burgbrohl („Unser schönster Bahnhof“) passiert. Weiter oben, ziemlich genau in Höhe des Ortes Brenk, ist noch eine Verladestation für das Gestein Phonolith (Klingstein) in Betrieb. Mit dem Güterverkehr – längst nicht mehr nur auf der Schmalspurbahn, sondern vor allem auf den Normalspurtrassen der Deutschen Bahn – verdient die Brohtalbahngesellschaft heute das Geld, das den Personenbetrieb im Vulkan-Express letztlich sicherstellt.
Paul Mandt und sein Kollege Joachim Kluthausen sind zwei von rund 300 Mitgliedern der IBS (davon etwa 50 Aktive), die durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit als qualifizierte Zugführer den Betrieb ermöglichen. Dabei sind sie „Männeken für alles“. Sie verkaufen Fahrscheine, kontrollieren die Bremsen, koppeln Waggons ab, laden Fahrräder auf, führen den Fahrtbericht, verkaufen unterwegs in einem umgebauten Gepäckwagen Getränke oder Süßigkeiten und geben den Gästen Informationen über das Brohltal und die Eifel. Bahntechniker und Fremdenführer in Personalunion.
„Es ist eine wunderschöne Landschaft“, schwärmt Zugführer Kluthausen, während bei Oberzissen die Ruine der Burg Olbrück über den Eifelhöhen in den Blick kommt. Von dort aus könne man bei sehr klarer Sicht die Spitzen des Kölner Doms sehen, versichert er, während rechts eine Herde Schafe auftaucht und auf der anderen Seite ein paar Pferde Schutz unter Bäumen vor einem Regenschauer suchen.
„So, Engeln Hauptbahnhof!“, ruft Paul Mandt nach gut eineinhalbstündiger Bahnfahrt und vor einem gut 50-minütigen Aufenthalt an der kleinen, zur Gemeinde Kempenich gehörenden Station. Von der Bergkuppe auf 465 Meter Höhe stehen dem Bahnfahrer alle Möglichkeiten offen. Mit dem Express wieder gen Rheintal bummeln, vorneweg die tutende Diesellok, oder weiter wandern oder mit dem Rad Richtung Rhein, Ahr oder Mosel. „Es lohnt“, hat der in Bornheim bei Bonn lebende Zugführer Paul Mandt schon unterwegs betont, „die Landschaft zu erkunden.“
Das letzte Stück ist die steilste Steigung
einer deutschen Schmalspurbahn