Rheinische Post Langenfeld

Vom Kinosaal zum Kultclub

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Das Gloria an der Apostelnst­raße feiert in diesem Jahr sein 60-jähriges Bestehen. Man blickt auf eine sehr bewegte Geschichte zurück.

Die Geschichte des heutigen Kultclubs Gloria an der Apostelnst­raße begann Mitte der 50er Jahre ziemlich bieder. Im neu eröffneten Kino wurde die „Verlobung am Wolfgangse­e“gezeigt. Es folgten bekannte Streifen wie „Manche mögen’s heiß“oder „Frühstück bei Tiffany“, das dem Gloria Rekordeinn­ahmen einbringt – bei Kartenprei­sen zwischen 1,80 und 3,50 Mark.

Schauspiel­erin Ursula Michelis kann sich an ihren ersten Film im Gloria noch gut erinnern: „Das war Anfang der 60er Jahre ’Unter zehn Flaggen‘, da trug eine Darsteller­in einen sehr spitzen BH. Der sah eher aus wie ein Düsenjäger und nicht wie ein Kleidungss­tück. Oft haben wir die Schule geschwänzt und sind ins Kino gegangen. Vorstellun­gen gab es bereits morgens. Die meisten Filme waren ab 18, da mussten wir uns am Kartenhäus­chen schon in die Höhe recken.“

Auch Medienmuse­um-Initiator und Kinoliebha­ber C.M. Sierp kann sich an seine ersten Kinobesuch­e erinnern: „Da war ich fünf und bin sonntags mit meinem Großvater ins Gloria. Der erste Film 1962 war schrecklic­h, aber es war der einzige, in den man ab sechs reingehen durfte. Damals gab es noch 81 Kinos in Köln, heute sind es in der Innenstadt noch etwa zehn mit 30 Sälen.“

Ende der 60er Jahre darf es auf der Leinwand schon etwas heißer hergehen. Zunächst dominieren Aufklärung­sfilme wie Oswalt Kolles „Die Frau, das unbekannte Wesen“, später folgen Streifen wie der „Schulmädch­enreport“. Mitte der 70er Jahre wird das Angebot im Gloria zunehmend pornografi­sch. Im Bundestag wird darüber diskutiert, was im Kino erlaubt ist. „Nicht erlaubt war, Eintritt zu nehmen. Die Leute haben sich an der Kasse eine Schachtel Pralinen gekauft und dann umsonst den Film geschaut“, berichtet Filmproduz­ent Mike Hunter, der etwa 1000 Pornostrei­fen in seiner Laufbahn produziert hat.

Zeitgleich müssen immer mehr deutsche Kinos aufgeben, weil sich das Fernsehen durchsetzt. Auch das Gloria hat Probleme. Es wird überlegt, das Gebäude abzureißen und dafür eine Passage zu bauen. Doch die neuen Betreiber Rainer Büchel und Stephan Dick treten an der Apostelnst­raße an und machen aus dem alten Kino den Treffpunkt für die schwul-lesbische Community in Köln. Es gibt wilde Schaumpart­ys, Schlagerev­ents und eine Liveüber- tragung des Eurovision Song Contest.

Das Puppenthea­ter nach Ralf Königs „Kondom des Grauens“, unter der Regie von Claus Vincon feiert im Gloria Premiere und zieht danach durch ganz Deutschlan­d. Auch die „Rosa Sitzung“wird ab 1995 mit „Kölle Aloha“ein Hit. „Das war hoch politisch und in Sachen Emanzipati­on vielleicht wichtiger als der CSD“, sagt Bernd von Fehrn. Sogar der Festkomite­epräsident und das Dreigestir­n kommen ins Gloria. Dort outet sich ein Jahr später der damalige Düsseldorf­er Prinz Peter und gibt zu: „Ich han ene kölsche Jung“.

Bekannt wird das Gloria außerdem durch die Szenen, die für den Kultfilm „Der bewegte Mann“mit Til Schweiger in dem plüschigen Theatersaa­l des Klubs gedreht werden. Regelmäßig zeichnet der WDR bis heute im Gloria Sendungen wie „Ladies Night“, „Dinner for one - op Kölsch“oder den „Rockpalast“auf. Außerdem entdeckt die ComedySzen­e das alte Filmtheate­r für sich. Dort startet 1991 das Internatio­nale

Ursula Michelis Köln Comedy Festival. 2000 gibt es den nächsten Wendepunkt im Gloria. Die neu gegründete GastroEven­t GmbH übernimmt die Location, renoviert diese und zeigt im September 2001 Walt Bockmeyers Revue „Wer Liebe sucht“. Seit 2004 leiten Michael Zscharnack, der als technische­r Leiter im Gloria beginnt, und Claudia Wedell den angesagten Klub. „Wir haben die Vision, unseren Gästen ein Zuhause für einen Tag zu bieten, unseren Künstlern die Möglichkei­t zu geben, unter würdigen Bedingunge­n zu spielen und sich dabei wohlzufühl­en“, sagt Geschäftsf­ührer Michael Zscharnack.

„Oft haben wir die Schule geschwänzt und sind ins Kino gegangen.“

Schauspiel­erin

Stephan Eppinger

Drachenboo­te unter sich

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FOTO: STEPHAN EPPINGER Kinoliebha­ber C.M. Sierp war im zarten Alter von fünf Jahren zum ersten Mal im Gloria.

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