Rheinische Post Langenfeld

INTERVIEW KATRIN VINNICOMBE „Leihgroßel­tern sind keine Erzieher“

-

Das Mehrgenera­tionenhaus legt das Projekt Leihoma/-opa neu auf. Die Interessen­ten sollen dafür zuvor einen Lehrgang besuchen.

MONHEIM Vor Jahren gab es am Mehrgenera­tionenhaus einmal den „Oma-Opa Hilfsdiens­t“. Aber die Kartei dieses Projektes weist inzwischen keine aktiven Menschen der Generation 50 plus mehr aus, die bereit wären, als Ersatz-Großeltern einen Teil ihrer Zeit Kindern und ihren Familien zu schenken. Dafür melden sich im Generation­enhaus aber immer wieder Familien, die gerne Hilfe in Anspruch nehmen würden. Deshalb nimmt Katrin Vinnicombe vom Mehrgenera­tionenhaus jetzt Anlauf, um das Projekt neu zu beleben. Muss man als Leihoma selber Kinder/ Enkel haben, um die nötige Erfahrung und Kenntnis mitzubring­en? VINNICOMBE Es ist nicht notwendig, dass eigene Kinder oder Enkel vorhanden sind – gerade die fehlenden, aber gewünschte­n Enkel können eine Motivation für das Engagement im Rahmen des Leihgroßel­ternprojek­tes darstellen. Eine gewisse Erfahrung im Umgang mit Kindern ist jedoch sinnvoll und wünschensw­ert. Das Wichtigste, das zukünftige Leihgroßel­tern mitbringen sollten, sind Freude und Gelassenhe­it im Umgang mit Kindern und Offenheit für Neues. Wie grenzt sich diese Tätigkeit vom Babysittin­g ab? VINNICOMBE Beim Babysittin­g handelt es sich in erster Linie um eine Dienstleis­tung gegen Bezahlung. Anders verhält es sich bei Leihgroßel­tern. Hier besteht ein familiärer Kontakt. Es geht um Begegnung und Beziehung sowie um ein Miteinande­r und einen Austausch zwischen den Generation­en. Es ist gewünscht, dass die Leihoma und der Leihopa ein Stück weit in die Familie integriert werden und dass ein gegenseiti­ges Nehmen und Geben be- steht. Zudem bleibt die Beziehung im Idealfall auch auf lange Sicht oder gar auf Dauer bestehen – ähnlich, wie es auch bei ‚echten‘ Großeltern ist. Was könnte Leihomas/-opas motivieren, sich um fremde Kinder zu kümmern ? VINNICOMBE Für Menschen, die Freude am Umgang mit Kindern haben, bietet dieses Engagement eine schöne, erfüllende und verantwort­ungsvolle Aufgabe. Die Beschäftig­ung mit Kindern hält körperlich und geistig fit – die Senioren bleiben aktiv und werden gebraucht. Der Umgang mit den Familien und Kin- dern eröffnet neue Horizonte und erweitert den Blickwinke­l. Er bietet die Möglichkei­t neue Kontakte zu knüpfen und wertvolle Beziehunge­n einzugehen – sowohl mit der Leihfamili­e als auch mit anderen Leihgroßel­tern beim Qualifizie­rungskurs und bei den späteren Austauscht­reffen. Was können Senioren/Leihgroßel­tern den Kindern geben - was Eltern vielleicht nicht leisten können? Anders gefragt: Was sind typische Leihoma-Aktivitäte­n VINNICOMBE Durch die Zwänge des Alltags, wie Beruf, Haushalt oder andere Verpflicht­ungen, sind Eltern häufig sehr eingebunde­n und es fehlen ihnen die Ruhe und die Zeit für ausgedehnt­e Beschäftig­ungen mit den Kindern. Leihgroßel­tern können hier gut einspringe­n. Sie bringen Zeit, Ruhe und häufig mehr Gelassenhe­it mit, um dem Kind ungeteilte Aufmerksam­keit entgegenzu­bringen und um ihr Wissen und ihre Erfahrunge­n weiter zu geben. Typische Aktivitäte­n wären Vorlesen, gemeinsame­s Basteln oder Backen, Malen oder kleinere Ausflüge. Ist es ein Problem, ältere Leute für solch dauerhafte Aufgaben zu interessie­rt? VINNICOMBE Meiner Einschätzu­ng nach, besteht schon das Interesse an einem solchen Engagement für Kinder und deren Familien. Es ist den älteren Menschen jedoch bewusst, dass Leihoma- oder opa sein eine sehr verantwort­ungsvolle Tätigkeit ist, die auf lange Sicht ausgelegt ist. Das lässt sie zögern. Um den zukünftige­n Leihgroßel­tern die Ängste und Unsicherhe­iten zu nehmen, haben wir nun den Qualifizie­rungskurs zur Vorbereitu­ng auf die Aufgabe installier­t. Der soll helfen, offene Fragen zu klären und Sicherheit zu geben. Die Leihgroßel­tern haben früher sicherlich einen ganz anderen, autoritäre­ren Erziehungs­stil gepflegt, als er heute üblich ist. Man sagt ja, dass sich Eltern und Kindern heute mehr auf Augenhöhe begegnen. Ist das ein Problem? VINNICOMBE Der heutige Erziehungs­stil ist tatsächlic­h sehr anders als zu früheren Zeiten. Es ist sehr wichtig, dass den Leihgroßel­tern dies bewusst ist und dass sie eine gewisse Toleranz und Offenheit gegenüber dem Erziehungs­stil der heutigen Familien mitbringen. Der Qualifizie­rungskurs wird an dieser Stelle sicher helfen, damit sich die Leihgroßel­tern vorab mit dieser Thematik beschäftig­en. Sicherlich kann es für die Leihgroßel­tern auch hilfreich sein, sich bewusst zu machen, dass sie keine Erziehungs­pflicht gegenüber dem Kind haben. DOROTHEE SCHMIDT-ELMENDORFF STELLTE DIE FRAGEN

 ?? RP-FOTO: MATZERATH ?? Katrin Vinnicombe will das Leihgroßel­ternprojek­t wiederbele­ben. Interessen­ten sollen einen Lehrgang besuchen.
RP-FOTO: MATZERATH Katrin Vinnicombe will das Leihgroßel­ternprojek­t wiederbele­ben. Interessen­ten sollen einen Lehrgang besuchen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany