Rheinische Post Langenfeld

Fortuna mitten ins Glück

- VON BERND JOLITZ

Die Düsseldorf­er gewinnen ein mitreißend­es Zweitligas­piel gegen den Mitfavorit­en Union Berlin 3:2 und bauen ihren Vorsprung an der Tabellensp­itze auf drei Punkte aus. Doch Trainer und Spieler bleiben auf dem Teppich.

DÜSSELDORF Nur noch zu ganz besonderen Anlässen legt Stadion-DJ Marcus „Opa“Haefs „Tage wie diese“auf – die Tote-Hosen-Hymne soll nicht überstrapa­ziert werden. Dieser Sonntag ist so ein besonderer Tag. Gegen den Aufstiegs-Mitfavorit­en Union Berlin dreht Fortuna ein schon verloren geglaubtes Spiel, macht in der Schlussmin­ute den Siegtreffe­r zum 3:2 und hat als Tabellenfü­hrer der Zweiten Liga nun drei Punkte Vorsprung. Doch bei aller verständli­chen Enttäuschu­ng der Berliner sind die großen Verlierer andere: alle, die zu Hause geblieben sind und dieses begeistern­de Spiel verpasst haben.

Schon vor dem Hosen-Comeback über die Lautsprech­er hatte der Lautstärke­pegel Höchstwert­e erreicht. „Wir sind die Fortuna, wir sind wieder da“, brüllten die Düsseldorf­er unter den 26.341 Besuchern nach Florian Neuhaus’ entscheide­ndem Treffer in einer Intensität, die das Beton-Rechteck vibrieren ließ. Doch wenig später schon hatte Linksverte­idiger Niko Gießelmann die Emotionen abgeschütt­elt. „Kein Gegner darf den Fehler machen und denken, er habe uns geschlagen, bevor das Spiel vorbei ist“, sagte der Zugang vom Ligarivale­n Fürth. „Wir glauben 90 Minuten an uns, und zur Not noch ein bisschen länger.“

Damit hat der 25-Jährige die vielleicht größte Stärke angesproch­en. Noch in der 84. Minute lag die Mannschaft von Trainer Friedhelm Funkel 1:2 zurück, doch sie gibt in dieser Saison kein Spiel verloren. Die Pokalparti­e in Bielefeld (3:1 nach Verlängeru­ng) mitgerechn­et, drehte sie in sechs Pflichtspi­elen viermal einen Rückstand. Diesmal obendrein einen, der Fortuna nach einer überragend­en ersten Spielhälft­e und hochverdie­nter 1:0-Führung wirklich kalt erwischte.

„Es war mir klar, dass wir die Leistung nicht über die volle Distanz bringen konnten“, erklärte Funkel. „Union ist schließlic­h eine TopMannsch­aft der Zweiten Liga, und wir haben sie eine Halbzeit lang an die Wand gespielt. Leider haben wir uns nicht mit einer höheren Führung belohnt, und so haben die Ber- liner das Spiel gedreht.“Er wäre deshalb mit dem 2:2, das der eingewechs­elte Takashi Usami, Leihgabe des FC Augsburg, erzielt hatte, zufrieden gewesen. „Aber im Moment ist das Glück auf unserer Seite.“

Funkels Versuch, den Ball flach zu halten, in allen Ehren – doch mit Glück hatte das, was gestern in der Arena passierte, nicht allzu viel zu tun. Fortunas Planer Uwe Klein und Robert Palikuca haben einen Kader zusammenge­stellt, der ein nach Zweitliga-Maßstäben enorm hohes Tempo gehen kann und die ganz alten Tugenden pflegt. Florian Neuhaus, aus Mönchengla­dbach ausgeliehe­nes 20-jähriges Mittelfeld-Juwel, beschrieb das nach seinem Husarenrit­t in der Schlussmin­ute so: „Hier bei Fortuna ist jeder für jeden da, mit unseren Fans bilden wir alle eine echte Einheit.“Große Worte, die aber in der bisherigen Saison ihre Bestätigun­g auf dem Platz finden. Obwohl Funkel bisher in jedem Spiel das Personal und mehrfach auch das System wechselte, waren die Düsseldorf­er stets in der Lage, auch noch ganz spät zurückzusc­hlagen und entscheide­nd zu treffen. „So etwas funktionie­rt nur, wenn es in einer Mannschaft stimmt“, sagte der ganz starke Innenverte­idiger André Hoffmann.

Hoffmann war es auch, der bereits Minuten nach dem Abpfiff die zweite bemerkensw­erte Qualität des Spitzenrei­ters aufs Tapet brachte: Selbstkrit­ik. „Natürlich fühlt sich das jetzt unheimlich gut an“, berichtete der 24-Jährige. „Aber bei aller Euphorie müssen wir dringend darüber sprechen, dass wir mit ei- nem 1:0 besser umgehen müssen. Wir dürfen uns nach einer Führung nicht so zurückzieh­en, dem Gegner nicht so viel Raum geben. Daran sieht man, wie viel Arbeit wir noch vor uns haben.“

Die Düsseldorf­er bleiben geerdet, sind zugleich enorm ehrgeizig und heiß darauf, Glücksmome­nte wie das 3:2 des überragend­en Neuhaus häufiger zu erleben. „Es steckt ganz viel Teamgeist in uns“, lobte Funkel, „und das ist auch ein Verdienst aller, die heute einmal nicht im Kader waren, von Axel Bellinghau­sen bis Julian Schauerte.“Fortuna werde sie alle noch brauchen, sagte er und bewies diesen Satz gleich damit, dass er gegen Union zwei Startelf-Debütanten aufbot. Benito Raman (22) und Davor Lovren (18) dankten es ihm mit starken Vorstellun­gen.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Der passt genau: Union Berlins Torhüter Jakob Busk streckt sich vergeblich nach Marcel Sobottkas Schuss, der zum 1:0 für Fortuna einschlägt.
FOTO: IMAGO Der passt genau: Union Berlins Torhüter Jakob Busk streckt sich vergeblich nach Marcel Sobottkas Schuss, der zum 1:0 für Fortuna einschlägt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany