Rheinische Post Langenfeld

Antwerpen atmet Rubens

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zurückgegr­iffen. Laokoon nimmt – den Kopf seitlich zurückgene­igt und diagonal durch das Bild ragend – beinahe die gleiche Haltung in seinem Todeskampf ein wie Christus am Kreuz. Der muskulöse Oberkörper der römischen Skulptur „Der von Cupido gezähmte Kentaur“diente Rubens als Vorbild für den Christus in „Ecce Homo“. Bei Tizians „Venus und Adonis“schuf er dagegen keinen neuen, konträren Zusammenha­ng, spiegelte in seiner Version allerdings die Figuren.

Die heikelste Geschichte steckt in Rubens’ Porträt „Pelzchen“, einem der berühmtest­en Pin-ups der Kunstgesch­ichte. Die halbnacke Dame mit Pelz ist die zweite Ehefrau des Künstlers, die mit 16 Jahren vom 55-Jährigen erwählte Helena Fourment. Vorbild des Gemäldes ist Tizians „Mädchen im Pelz“, das Rubens bei einem England-Besuch kopiert hatte und das pikanterwe­ise wohl eine Prostituie­rte darstellt.

Weltliche, mythologis­che und biblische Motive gingen Rubens gleicherma­ßen von der Hand. Über seinen Glauben ist nichts bekannt. Vermutlich glaubte er vor allem an die Kraft der Kunst. Mit der richtigen Drehung Mariens im hochformat­igen Bild, so wusste er, lenkt man die Blicke der Betrachter zu Gott. Und mit erotischen Darstellun­gen kam er den Wünschen der Sammler entgegen. Sich selbst setzte Rubens nur viermal ins Bild.

Jochen Sander, Sammlungsl­eiter für deutsche, holländisc­he und flämische Malerei vor 1800 am Frankfurte­r Städel, verfügt zwar nur über eine Ölskizze als einziges Werk von Rubens in der ansonsten üppigen Kollektion, trug zu den beiden bevorstehe­nden Ausstellun­gen aber das Wichtigste bei: die Idee. Er wollte, so sagte er uns, einmal nicht auf die Folgen von Rubens blicken, sondern auf die Ursprünge und darauf, was Rubens aus den Vorlagen gemacht hat. Und er weist darauf hin, dass in Frankfurt wie in Wien auch etliche jener Bilder gezeigt werden, die der Kurfürst und Mäzen Johann Wilhelm von PfalzNeubu­rg nach seiner Hochzeit 1691 mit der Prinzessin Anna Maria Luisa de’ Medici in Düsseldorf angelegt hatte. Die Sammlung wanderte 1805 großenteil­s nach München und bildete dort den Grundstock der Alten Pinakothek. Immerhin zwei schwer transporti­erbare Gemälde von Rubens sind am Rhein geblieben und zählen heute zu den Prunkstück­en des Museums Kunstpalas­t.

Wenn man bedenkt, dass Antwerpen 2018 als Barockjahr ausruft und die Epoche mit „Barockküns­tlern unserer Tage wie Jan Fabre, Luc Tuymans und Sidi Larbi Cherkaoui“in Verbindung setzen will, könnte man fast von einem Barock-Boom sprechen. Doch beim Blick auf das weitere Kulturprog­ramm der Stadt für die nächsten drei Jahre wird man eher an eine Wiederentd­eckung der Alten Meister glauben. 2019 wird das Königliche Museum der Schönen Künste nach langer Renovierun­g mit einer Brueghel-Schau wieder eröffnet. Und 2020 wird in Gent Jan und Hubert van Eycks berühmter Altar nach der letzten von zahlreiche­n Restaurier­ungen wieder zugänglich sein.

Bei allen Künstlern von damals hat die Forschung noch viel zu tun, auch auf entlegenen Gebieten. Im Fall von Rubens geht es zum Beispiel darum, welches der 50 Skelette unter der St.-Jakobskirc­he dasjenige des Malers ist – und ob es sich dort überhaupt noch befindet. Auf welchem Vergleichs­material die angepeilte DNA-Untersuchu­ng beruhen soll, ist das Geheimnis der Forscher.

Muscheln und Früchte

tragen in diesen sinnlichen Bildern nicht selten eine erotische

Bedeutung

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FOTO: UTE BRUNZEL/ KASSEL, MUSEUMSLAN­DSCHAFT HESSEN KASSEL, GEMÄLDEGAL­ERIE ALTE MEISTER Peter Paul Rubens und Jan Brueghel d. Ä., „Pan und Syrinx“, 1617.

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