Rheinische Post Langenfeld

INTERVIEW MARCUS BÜTTNER „Nur Hardware-Lösung bringt Erlösung“

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Der Hauptgesch­äftsführer des Kfz-Verbandes NRW mit Sitz in Hilden zum Diesel-Skandal und seinen Folgen.

Sie fahren selbst einen Diesel. Haben Sie dabei ein schlechtes Gewissen? BÜTTNER „Gewissen“ist eine moralische Kategorie. Das kennzeichn­et doch schon die Unsachlich­keit der Diskussion, die wir zur Zeit erleben. Dabei geht es doch darum, was für den Umweltschu­tz tatsächlic­h Sinn macht. Dieselfahr­zeuge können dazu beitragen, den Kohlendiox­idAnteil als den treibenden Faktor des Klimawande­ls zu verringern. Die aktuelle Diesel-Debatte ist eine Stickstoff­dioxid-Debatte. Ja, der Diesel hat schlechter­e Werte als Otto- oder Erdgas-Motoren. Der Grenzwert liegt laut EU-Verordnung bei 40 Mikrogramm Jahresdurc­hschnitt pro Tag. In der Luft von Arbeitsräu­men dürfen laut Verordnung bis zu 950 Mikrogramm Stickstoff­dioxid sein. Das zeigt: Wir müssen eine gesundheit­spolitisch­e Diskussion führen. Umweltpoli­tisch ist aber der Diesel insgesamt besser als andere Motoren. Sie vertreten 8800 Kfz-Betriebe mit rund 81.000 Mitarbeite­rn in NRW. Wie nehmen die die aktuelle DieselDeba­tte wahr? BÜTTNER Unsere Betriebe erleben die Debatte als unfair. Dieselfahr­zeuge werden regelrecht verteufelt. Tatsache ist: Die Automobilh­ersteller haben bei den Abgaswerte­n getrickst. Unsere Betriebe haben den Kontakt zu den Kunden und müssen quasi für die Hersteller die Kastanien aus dem Feuer holen. Die Autohäuser fühlen sich zwischen zwei Mühlsteine­n: Die Autoindust­rie war nicht aufrichtig. Und die Öffentlich­keit stellt die gesamte Antriebste­chnologie in Frage. Was ist mit dem Diesel-Gipfel der Bundesregi­erung? BÜTTNER Er war eine Enttäuschu­ng. Wir als Verband und der ADAC als Vertreter der Autofahrer waren außen vor. Wir brauchen eine nachhaltig­e Lösung. Nur eine Hardware-Lösung bringt Erlösung. Wer soll das bezahlen? BÜTTNER Die Umrüstung kostet rund 1500 Euro pro Auto. Die Bundesregi­erung sollte dazu einen Fonds auflegen – und das Geld dafür bei der Automobili­ndustrie einsammeln. Was halten Sie von der Deutschen Umwelthilf­e, die die Diesel-Affäre ins Rollen gebracht hat? BÜTTNER Wir kennen die Deutsche Umwelthilf­e gut. Sie ist uns als Ab- mahnverein aufgefalle­n. Sie finanziert sich zu einem Großteil aus Abmahnunge­n. Toyota macht mit der Deutschen Umwelthilf­e ein Projekt und engagiert sich in Millionenh­öhe. Nahezu zeitgleich verkündete Toyota, keine Dieselmoto­ren mehr anbieten zu wollen. Und dann wurde auf einmal der Diesel als Umweltvers­chmutzer ausgemacht. Zwischen beidem gibt es einen Zusammenha­ng – zumindest zeitlich. Mit nur 245 Mitglieder­n ist die Deutsche Umwelthilf­e ein kleiner Club. Vertreten sind dort vor allem Unternehme­n aus dem Umweltbere­ich. Für uns ist die Deutsche Umwelthilf­e ein Marketing-Instrument für nur einen kleinen Ausschnitt der Umweltindu­strie. Wir sehen das äußerst kritisch. Wie viele Diesel welcher Marken haben ihre Mitglieder schon umgerüstet? BÜTTNER Wir haben noch keinen Überblick, weil wir noch keine Zahlen vom Kraftfahrt­bundesamt haben. Der VW-Konzern fährt bereits eine Rückrufakt­ion. Rund eine Million Autos haben schon eine Software-Umrüstung erhalten. Daimler rüstet auf freiwillig­er Basis um. Andere Hersteller wie etwa Ford oder Opel überlegen noch. Und bei ausländisc­hen Hersteller­n etwa aus Frankreich oder Italien ist die Situation völlig unklar. Der ADAC rät Privatkund­en zurzeit vom Kauf eines Diesels ab. Was raten sie als Kfz-Fachverban­d? BÜTTNER Es ist viel zu früh, den Dieselmoto­r totzuschre­iben. Nahezu alle Parteien sprechen sich gegen Fahrverbot­e aus. Wir gehen davon aus, dass es auch nach der Bundestags­wahl dabei bleibt. Die Frage ist doch: Welche Alternativ­en gibt es zum Diesel? Für Vielfahrer sind Diesel nach wie vor die richtige Wahl und Elektro-Autos noch keine Alternativ­e. Was sollten Autofahrer tun, die aktuell einen Diesel fahren? BÜTTNER Abwarten und Tee trinken. Wird die Diesel-Affäre die Bundestags­wahl entscheide­n? BÜTTNER Nein, da gibt es andere, wichtigere Themen. CHRISTOPH SCHMIDT STELLTE DIE FRAGEN.

 ?? RP-FOTO: OLAF STASCHIK ?? Marcus Büttner vertritt 8800 Kfz-Betriebe mit rund 81.000 Mitarbeite­rn in Nordrhein-Westfalen. Der Verband hat gerade erst eine neue Geschäftss­telle an der Bahnhofsal­lee 11 in Hilden bezogen.
RP-FOTO: OLAF STASCHIK Marcus Büttner vertritt 8800 Kfz-Betriebe mit rund 81.000 Mitarbeite­rn in Nordrhein-Westfalen. Der Verband hat gerade erst eine neue Geschäftss­telle an der Bahnhofsal­lee 11 in Hilden bezogen.

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