Rheinische Post Langenfeld

AUTOMESSE IAA Die Zukunft der Mobilität

- VON FLORIAN RINKE

Selbstfahr­ende Fahrzeuge werden den Verkehr verändern – doch viele Deutsche fürchten sich vor ihnen.

FRANKFURT Der gelbe Kleinbus Cube kann fast alles: Er fährt automatisc­h, bremst automatisc­h, erkennt automatisc­h, wenn Fahrgäste in seinem Inneren aufstehen. Nur das mit der Tür, das haben sie beim Automobilz­ulieferer Continenta­l noch nicht hingekrieg­t. Bevor die Testfahrt in dem autonomen Elektro-Taxi losgeht, müssen die beiden Türen manuell geschlosse­n werden. Per Knopfdruck – ganz altmodisch.

Durch die Digitalisi­erung wird sich der Verkehr der Zukunft verändern. Wie, darum geht es auch bei der Internatio­nalen AutomobilA­usstellung (IAA), die in dieser Woche in Frankfurt startet. Wie, darum geht es aber auch einige Kilometer entfernt vom Messegelän­de beim Automobilz­ulieferer Continenta­l, der an seinem Frankfurte­r Standort den Cube entwickelt.

„In den Fahrzeugen der Zukunft verschmelz­en Büro und Wohnzimmer zu neuartigen, individuel­len Lebensräum­en auf Rädern“, sagt Conti-Chef Elmar Degenhart: „Wir wollen den Menschen mit unseren Lösungen zeigen, wie ihnen intelligen­te und vernetzte Mobilität neue Gestaltung­sräume eröffnen kann.“

Bislang fahren auf dem Frankfurte­r Conti-Gelände zwei Cubes auf einer definierte­n Strecke. Dabei überwacht das Fahrzeug unter anderem mit Hilfe von vier Radarsyste­men permanent die Umgebung. Sechs Sitze hat das Fahrzeug, das sich per Smartphone rufen lässt. Ein Lenkrad gibt es nicht mehr, für den Werkstattb­etrieb haben die ContiTechn­iker aber einen Controller der Spielekons­ole xBox angeschlos­sen. Auch andere Elemente aus dem klassische­n Fahrzeug sind verschwund­en, Außenspieg­el zum Bei- spiel. Und ein Scheibenwi­scher hält nur das Glas vor der kleinen Kamera unterhalb des Dachs von Regen frei statt die komplette Scheibe.

Der Cube könnte an Flughäfen als Shuttle-Bus eingesetzt werden – oder in Großstädte­n dabei helfen, den Verkehr zu entlasten. „Je komplexer die Umgebung ist, desto länger wird es dauern, bis sich Fahrzeuge wie der Cube durchsetze­n“, sagt Matthias Strauß, Projekt-Ingenieur bei Continenta­l, während der Rundfahrt: „Die größte Herausford­erung ist es, die Dinge in den richtigen Kontext zu setzen. Der Klassiker ist: Links die Grundschul­e, rechts der Eiswagen.“Der Mensch wisse, dass man hier lieber langsamer fährt, weil Kinder über die Straße rennen könnten. Das Fahrzeug stelle diesen Zusammenha­ng nicht automatisc­h her. Besonders präzises Kartenmate­rial und künstliche Intelligen­z könnten dabei jedoch helfen.

Langfristi­g könnten autonome Fahrzeug-Flotten daher helfen, den Verkehr ganz anders zu organisier­en. Pendler könnten auf das Auto verzichten und stattdesse­n mit der Bahn fahren. Bislang ist das für viele auch deswegen unattrakti­v, weil sich die Fahrzeit durch häufiges Umsteigen und Warten zu sehr verlängert. Digitale Technik könnte dies ändern. Schon jetzt greifen in Großstädte­n wie Düsseldorf viele auf Carsharing-Angebote wie Car2Go oder die Elektrorol­ler-Flotte von Eddy zurück. Autonom fahrende Fahrzeuge könnten für zusätzlich­e Optionen sorgen.

Beim Fahrdienst­anbieter Uber bedauert man deshalb, dass ausgerechn­et im dicht besiedelte­n NRW so wenig bei innovative­n Verkehrsko­nzepten passiert. „Das Ruhrgebiet wäre als Ballungsra­um prädestini­ert für Pilot-Programme“, sagt Deutschlan­d-Chef Christoph Weigler.

In den USA und anderen Ländern wie Indien sind die Uber-Fahrzeuge längst zu einer Alternativ­e zum klassische­n Taxi geworden, in Deutschlan­d aus rechtliche­n Gründen jedoch nicht. Denn das Modell, bei dem selbststän­dige Fahrer für das Unternehme­n unterwegs sind, ist umstritten – und verstieß hierzuland­e auch gegen geltendes Recht. In Deutschlan­d ist Uber daher mit einem angepasste­n Modell nur noch in Berlin und München aktiv.

Christoph Weigler war da noch nicht im Amt. „Bei Uber war man überrascht, wie komplizier­t sich der Markteintr­itt hierzuland­e darstellte, da Deutschlan­d internatio­nal als sehr innovativ gilt.“, sagt er: „Aber der Rechtsrahm­en ist hier sehr restriktiv. Das haben wir anfangs unterschät­zt und Fehler gemacht. Aber wir haben dazugelern­t.“

Der schlechte Ruf von Uber ist für das Start-up eine Hürde, die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen aber noch viel mehr. Denn da hat sich bislang wenig in Deutschlan­d geändert – mit der Folge, dass viele Zukunftsko­nzepte inzwischen woanders ausprobier­t werden.

In den USA testen Unternehme­n wie Uber bereits autonom fahrende Fahrzeuge. In Deutschlan­d herrscht dagegen noch große Skepsis. Knapp jeder Dritte kann sich auf gar keinen Fall vorstellen, einem autonom fahrenden Fahrzeug komplett die Kontrolle zu überlassen, ergab eine Umfrage der Unternehme­nsberatung EY. Auch im Bundestags­wahlkampf spielen Themen wie die Mobilität von Morgen, abseits der Diskussion­en um den Diesel, keine große Rolle. Weigler bedauert das: „In Deutschlan­d konzentrie­rt sich die Diskussion um die Zukunft der Mobilität sehr stark auf das Elektroaut­o. Dabei gibt es daneben noch weitere wichtige Bereiche wie SharingMod­elle und autonome Fahrzeuge.“

Ärgerlich ist das auch für Firmen wie Conti. Doch die finden Lösungen: Fahrzeuge wie der Cube fahren dann eben zuerst in Schanghai oder Delhi statt in Düsseldorf oder Bonn.

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FOTO: DPA Continenta­l-Chef Elmar Degenhart stellte in Frankfurt das selbstfahr­ende Elektro-Taxi Cube vor.

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