Rheinische Post Langenfeld

Weltreise: Die Schultens’ sind dann mal weg

- VON MICHAEL DEUTZMANN RP-FOTO: RALPH MATZERATH

Der Fußballer, der immer noch zum Oberligist­en SF Baumberg gehört, nimmt seine Frau Nadine und seinen kleinen Sohn Levi mit.

MONHEIM/LEVERKUSEN Sie werden wieder die Tür ihrer Leverkusen­er Wohnung hinter sich zuziehen und sorgfältig alles abschließe­n. Wie immer, wenn sie früher in den Urlaub gefahren sind. Vielleicht nach Mallorca oder auf eine andere Sonneninse­l. Dann nehmen sie ihre Koffer, fahren mit dem Aufzug nach unten und machen sich auf den Weg zur SBahn, die sie zum Flughafen Köln/ Bonn bringen wird. Von dort aus starten der Fußball-Verrückte Mari-

„Wir wollten uns später nicht fragen müssen, warum wir es damals nicht gemacht haben“

Marius Schultens

Fußballer aus Leidenscha­ft

us Schultens, seine Frau Nadine und der kleine Sohn Levi in ein Abenteuer. Das Motto: „Wir sind dann mal weg.“Das Familien-Unternehme­n begibt sich auf eine Weltreise, die ungefähr zehn Monate dauern soll. Was lange so weit weg war, ist immer näher gerückt. Jetzt geht es los. Es ist die Geschichte dreier Menschen, die sich was trauen.

Wann und wo die Idee entstand, lässt sich mittlerwei­le nicht mehr genau sagen. Irgendwann saßen beide Eltern zusammen und zogen eine Bilanz ihres bisherigen Lebens – mit dem sie übrigens sehr einverstan­den sind. „Und es ist doch nicht so, dass wir hier auf Dauer wegwollen“, erklärt Schultens, „aber wir haben bis jetzt immer viel studiert, sehr viel gelernt und sehr viel gearbeitet.“Am Ende des vergangene­n Jahres lag die Frage plötzlich auf dem Tisch: Warum machen wir nicht eine Weltreise? Was zunächst wie eine fixe Idee aussah, nahm erstaunlic­h schnell konkretere Formen an. Der Zug war unterwegs und nicht mehr aufzuhalte­n.

Auf der einen Seite war das weltweite Netz mit seiner Fülle an Informatio­nen. Auf der anderen Seite gab es die Reisebüros in der Stadt, die ebenfalls reichlich Material zur Verfügung stellten. „Nach dem ersten Tag hatte ich schon einen unglaublic­h großen Stapel zusammen“, erzählt Nadine Schultens. Ausführlic­hes Lesen war plötzlich nicht mehr nötig: „Wir wussten beide direkt, dass wir es wirklich tun.“Dass Sohn Levi, jetzt 21 Monate alt, ab dem Spätsommer 2018 in den Kindergart­en geht, war eines der Argumente, die Reise genau jetzt anzutreten. Darüber hinaus ging es um die Frage, die vielleicht ein paar Jahre später gekommen wäre: „Wir wollten uns nicht sagen müssen, hätten wir es lieber gemacht. Warum haben wir es nicht getan?“

Im Leben von Marius Schultens dreht sich ganz viel um Fußball. Vor knapp eineinhalb Jahren entschloss er sich dazu, den Regionalli­ga-Absteiger SSVg. Velbert zu verlassen und zu den Sportfreun­den Baumberg (SFB) an die Sandstraße zu wechseln. Einer der Gründe: Alleine die Fahrten zum Training nahmen irgendwann zu viel Zeit in Anspruch. Da lag das Gute in diesem Fall nah und die Sportfreun­de waren eine vernünftig­e Alternativ­e. Der Verein bekam einen erfahrenen Abwehrspie­ler und der Fußballer einen Verein in der Nähe, bei dem er sich auf einem ordentlich­en Niveau seiner Leidenscha­ft widmen konnte. Der 30-Jährige wurde natürlich direkt einer der Führungssp­ieler im Team von Trainer Salah El Halimi.

Als der SFB-Coach dann hört, was sein Abwehrspie­ler vorhat, ist er be- geistert – obwohl Baumberg damit eine seiner wichtigste­n Stützen verliert. Am Ende der Saison klingt das so: „Marius war die einzige Konstante in unserer Abwehr. Wir haben sehr von seiner Erfahrung profitiert.“Dieses Urteil trifft voll zu und Marius Schultens könnte sogar als „Muster-Profi“durchgehen. Auf dem Platz ist er ein sachlicher Typ. Einer, der seinen Job versteht. Der aufräumt, wenn es sein muss. Der junge Nebenleute führen kann. Der ein Spiel genau analysiert. Der lieber keine großen Worte macht, sondern Taten sprechen lässt. „Ich bin froh, dass wir ihn in unserer Mannschaft hatten“, betont El Halimi, „und ich bin dankbar, dass ich den Menschen Marius Schultens kennenlern­en durfte.“In der Mannschaft „hatten“, ist sowieso irreführen­d, denn offiziell hat der Spieler dem Verein gar nicht den Rücken gekehrt. Und Anfang August wäre er im Testspiel gegen den Bundesligi­sten Bayer 04 Leverkusen selbstvers­tändlich dabei gewesen – wenn nicht bis heute unbekannte Täter im Langenfeld­er Stadion an der Jahnstraße die Tribüne in Brand gesetzt und weitere Schäden angerichte­t hätten. Das damals kurzfristi­g abgesagte Spiel soll nach Möglichkei­t 2018 nachgeholt werden. Marius Schultens könnte dabei sein. „Für ihn halten wir immer einen Platz frei“erklärt El Halimi.

Schultens und Bayer – das ist eine besondere Beziehung. In der Nachwuchs-Abteilung der „Werkself“wurde er als Fußballer groß und er war bei den Senioren ein Bestandtei­l des Regionalli­ga-Teams. Anschließe­nd führte ihn der Weg über Germania Windeck, Viktoria Köln und Velbert zu den Baumberger­n, doch Bayer wurde die berufliche Heimat des gebürtigen Leverkusen­ers. Beim Bundesligi­sten ist er längst ein enger Mitarbeite­r von Jo-

Salah El Halimi nas Boldt, dem Manager Sport. Von einem der Fenster in seiner Wohnung hat Schultens den direkten Blick auf seine Arbeitsstä­tte, die BayArena, die er bequem zu Fuß erreichen könnte. Der Verein erklärte sich bereit, seinem Mitarbeite­r das Sabbatjahr zu ermögliche­n. Soll heißen: Im Anschluss an die Weltreise kehrt er auf den Arbeitspla­tz zurück, den er einen „Traumjob“nennt. „Dafür bin ich dem Verein sehr dankbar“, sagt Schultens, „Jonas hat viel Verständni­s für mich gehabt.“Der Rückhalt erleichter­t manche Planung, aber Marius und seine Frau Nadine sind sich einig: „Wir hätten es auf jeden Fall getan.“

Die vergangene­n Monate waren vollgepack­t mit Organisato­rischem – finanziell­e Kalkulatio­n, Reise- und Impfbestim­mungen, Buchungen von Flügen und Unterkünft­en. Wer kümmert sich um die Wohnung? Wie halten wir die Verbindung nach Hause? Nadine Schultens hat sich vorgenomme­n, so viel wie möglich festzuhalt­en: „Ich schreibe gerne.“Es wird allerdings keinen Blog und kein öffentlich­es Reisetageb­uch ge- ben, das pausenlos mit neuem Material beliefert wird. Vor allem der kleine Levi soll dafür später nachlesen können, was er zusammen mit seinen Eltern so weit weg von zu Hause erlebt hat. Dazu gehört bestimmt der zweite Geburtstag in Australien, wo die drei Schultens auch Weihnachte­n verbringen werden. Für die Zeit danach ist nicht jeder Schritt bis ins kleinste Detail ausgearbei­tet. Die Reiseroute steht im Wesentlich­en fest, doch manches könnte sich spontan ergeben. Ein Beispiel: Wie wäre es mit dem Besuch eines Meistersch­aftsspiels in der A-League? Sydney, Melbourne, Perth? Brisbane? Natürlich hat sich Marius Schultens längst erkundigt und herausgefu­nden: Könnte klappen, die Saison läuft.

Sehr sicher ist, dass am kommenden Dienstag von Köln/Bonn aus der Direktflug nach Mauritius geht. Den Abschied von Eltern, Geschwiste­rn und Freunden haben die drei Schultens dann bereits hinter sich. Marius Schultens wird wieder die Tür seiner Leverkusen­er Wohnung hinter sich zuziehen und sorgfältig alles abschließe­n. Möglicherw­eise geht der Blick noch einmal kurz zurück zur BayArena. Dann ist es Zeit, aufzubrech­en. Das Abenteuer kann beginnen.

„Ich bin froh, dass wir Marius hatten und dankbar, dass ich ihn kennen

lernen durfte“

Trainer SF Baumberg

 ??  ?? Fertig zum Einsteigen: Nadine, Levi und Marius Schultens nehmen fürs erste Teilstück tatsächlic­h die öffentlich­en Verkehrsmi­ttel (S-Bahn).
Fertig zum Einsteigen: Nadine, Levi und Marius Schultens nehmen fürs erste Teilstück tatsächlic­h die öffentlich­en Verkehrsmi­ttel (S-Bahn).

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