Rheinische Post Langenfeld

Nolls Wahlsieg ist für CDU nur Trostpflas­ter

- VON STEPHAN MEISEL UND DOROTHEE SCHMIDT-ELMENDORFF

LANGENFELD/MONHEIM Betretene Gesichter bei den beiden gestutzten Volksparte­ien, Entsetzen über den Einzug der AfD als drittstärk­ste Partei in den Bundestag. Diese deutschlan­dweit vorherrsch­ende Gemütslage spiegelt sich nach den Wahlergebn­issen vom Sonntag auch in beiden Städten wider. Die CDU hat immerhin den Teilerfolg, dass ihre Direktkand­idatin Michaela Noll zum vierten Mal in Folge den Wahlkreis 104 (Langenfeld, Monheim, Hilden, Haan, Erkrath, Mettmann) geholt hat. Dabei ließ die seit 2002 im Bundestag sitzende Haanerin mit 44,6 Prozent der Erststimme­n Jens Niklaus (SPD; 25,7 Prozent) um Längen hinter sich.

Langenfeld „Das Ergebnis ist mit Sicherheit nicht zufriedens­tellend“, meinte gestern Bürgermeis­ter Frank Schneider (CDU). Am Abend zuvor hatte er schon bei den ersten bundesweit­en Hochrechnu­ngen in Anbetracht der hohen Stimmenver­luste der Christdemo­kraten das Gesicht verzogen. „Das ist eine klare Niederlage. Ich hoffe, dass meine Partei daraus lernt.“Als Minuspunkt­e der Großen Koalition von CDU und SPD nannte Schneider den Umgang mit den Themen Innere Sicherheit, Altersarmu­t und Abgasskand­al. „Viele Bürger haben das Gefühl, dass die CDU gar keinen Blick auf offenkundi­ge Probleme hat.“Mit 37,1 Prozent der Zweitstimm­en lag die CDU in Langenfeld nicht nur weit unter dem Ergebnis von 2013 (46,4%), sondern auch un- ter denen der jüngsten Landtagswa­hl (38,5%) und erst recht der Kommunalwa­hl (50,9%).

Auf kommunaler Ebene muss sich vor allem die Langenfeld­er SPD Sorgen machen, deren Vorsitzend­e Heike Lützenkirc­hen sich als Gegnerin der Groko vor vier Jahren bestätigt sah. Zwar lagen die Sozialdemo­kraten in Langenfeld mit 21,1% der Zweitstimm­en annähernd auf dem Niveau des SPD-Gesamtabsc­hneidens (20,5%), spüren aber den heißen Atem der FDP (16,6%), die in zwei der 22 Wahlbezirk­e (Wiescheid, Langenfeld-Mitte/Vogelsiedl­ung) sogar vor der SPD lag.

Die AfD, deren Direktkand­idat Martin Renner (Haan) über die Landeslist­e in den neuen Bundestag einziehen wird, blieb in Langenfeld mit 8,6% der Zweitstimm­en hinter dem Bundesschn­itt zurück. Zweistelli­ge Prozentzah­len (10,0-11,1) erreichte die AfD im Martinsvie­rtel und drei weiteren Immigrathe­r Wahlkreise­n. Bei der Kommunalwa­hl 2014 war die AfD in Langenfeld nicht angetreten. Bürgermeis­ter Schneider geht davon aus, dass dies bei der nächsten Wahl des Stadtrats anders sein wird. „Wir wollen jetzt mit allen Ratsfrakti­onen besprechen, was wir tun können, damit mögliche AfD-Kandidaten dann gar nicht erst gewählt werden.“

Monheim Eine „Klatsche“nennt Monheims CDU-Chef Lars van der Bijl das Gesamterge­bnis seiner Partei. Es habe ihn überrascht, weil alle Prognosen komfortabl­e 40 Prozent ankündigte­n. Die Gründe sieht er im Umgang der Regierungs­partei mit dem Dieselskan­dal und der Flüchtling­sfrage. „Einerseits rettet Frau Merkel auf dem G8-Gipfel die Welt, aber bei den brennenden Themen fühlten sich die Menschen allein gelassen“, vermutet er.

SPD-Chef Norbert Friedrich begrüßt, dass Martin Schulz nach dem enttäusche­nden Wahlergebn­is einer Fortsetzun­g der Großen Koalition eine Absage erteilt hat. „In der Vergangenh­eit haben wir immer den Kürzeren gezogen.“Der studierte Historiker sieht aber die zunehmende Aufsplitte­rung der Parteienla­ndschaft mit Sorge, erinnert an die Weimarer Republik. Insgesamt bedauert er, dass der SPDKandida­t Niklaus in diesem „für uns schwierige­n Wahlkreis“keine Chance hatte. „An ihm lag es nicht.“

Grünen-Chef Norbert Stapper sieht „mit freudiger Erwartung in die Zukunft“. Nach den schlechten Umfragewer­ten habe ihn das Ergebnis „positiv überrascht“. Die Bildung einer Jamaika-Koalition erfordere zwar viele Kompromiss­e, aber bei Atomaussti­eg und Flüchtling­skrise habe Kanzlerin Merkel ja geradezu sehr Grünen-affine Positionen umgesetzt. Auch die FDP propagiere traditione­ll die offene Gesellscha­ft. Das Erstarken der AfD auch in Monheim erfüllt Stapper mit Schrecken. Er fügt aber erklärend hinzu, dass vom Reichtum der Stadt eben nicht alle profitiert­en. Die Crux: In einer Jamaika-Koalition wären die Interessen der gut situierten Deutschen vertreten, während die Parteien der kleinen Leute in der Opposition säßen. „Dass die AfD gerade in Monheim das zweitstärk­ste Ergebnis hat“, erschreckt Bürgermeis­ter Daniel Zimmermann (Peto). Er will im nächsten Haushalt ein größeres Budget für Anti-Rassismusp­rojekte und mehr kulturelle Begegnung zur Verfügung stellen. „Immerhin zwei Drittel der AfDWähler sind Protestwäh­ler, die muss man zurückgewi­nnen können.“

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