Rheinische Post Langenfeld

Seehofer massiv unter Druck

- VON GREGOR MAYNTZ UND EVA QUADBECK

Der CSU-Chef sieht sich mit zahlreiche­n Rücktritts­forderunge­n von der Basis konfrontie­rt. Bei der AfD kündigt Parteichef­in Frauke Petry den Austritt an, auch NRW-Chef Pretzell verlässt Fraktion und Partei.

BERLIN/MÜNCHEN Wenige Tage nach dem Absturz der CSU auf 38,8 Prozent in Bayern bei der Bundestags­wahl gibt es aus Orts-, Kreis- und Bezirksver­bänden sowie der Landtagsfr­aktion Rufe nach einer Ablösung von Parteichef Horst Seehofer. Seehofer will die Debatte Mitte November auf dem CSU-Parteitag führen, wenn ohnehin der Vorstand neu gewählt wird. Mit Spannung wird aber die heutige Sitzung der CSU-Landtagsfr­aktion erwartet. Bekommt Seehofer dort die Kritiker nicht gebändigt, könnte es nach Einschätzu­ngen aus CSU-Kreisen schnell eng für ihn werden. Die Befürchtun­g ist verbreitet, dass der Eintritt in ein Bündnis aus Union, FDP und Grünen im Bund die Aussichten der CSU bei der Landtagswa­hl 2018 zusätzlich verschlech­tert.

Am Rande der Konstituie­rung der neuen CSU-Landesgrup­pe in Berlin mit dem bisherigen Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt an der Spitze verlangte Seehofer, die Unionspoli­tik mit der Botschaft „Wir haben verstanden“zu versehen. Dobrindt betonte, innerhalb der Landesgrup­pe gebe es keine Personalde­batte. Allerdings sprach sich auch der CSU-Bundestags­abgeordnet­e Alexander Hoffmann für einen Rücktritt Seehofers aus. „Er hat große Verdienste um die CSU, unsere Glaubwürdi­gkeitskris­e hat allerdings auch gerade mit ihm zu tun“, sagte Hoffmann dem „Main-Echo“.

In der CSU-Landtagsfr­aktion in München meldeten sich vor allem Politiker aus der fränkische­n Heimat des Seehofer-Rivalen Markus Söder zu Wort. „Wir brauchen einen anderen Spitzenkan­didaten für die Landtagswa­hl“, forderte etwa der Landrat und Landtagsab­geordnete Alexander König. Auch die CSU in der Oberpfalz forderte eine aktuelle Debatte über einen geordneten Übergang. Seehofer warnte davor, dadurch die CSU zu beschädige­n.

In der Unionsfrak­tion rumort es ebenfalls nach dem schwachen Wahlergebn­is. Dass die Fraktion dem Kurs der CDU-Führung in Richtung eines Jamaika-Bündnisses nur in Teilen folgt, zeigte die Wiederwahl von Fraktionsc­hef Volker Kauder, der mit nur 77 Prozent einen deutlichen Dämpfer erhielt. Bei früheren Wahlen hatte er stets deutlich über 90 Prozent gelegen.

Auch der Start der AfD im Bundestag wird von schweren Erschütter­ungen begleitet. Zwar wählte die Bundestags­fraktion die beiden Spitzenkan­didaten Alexander Gauland und Alice Weidel mit deutlicher Mehrheit zu ihren neuen Vorsitzend­en. Zugleich aber kündigte die Parteivors­itzende Frauke Petry ihren Austritt aus der AfD an und zog sich mit Gleichgesi­nnten auch aus der AfD-Fraktion in Sachsen zurück. Petry begründete ihren Schritt mit der „Radikalisi­erung“in der Partei. In Düsseldorf erklärte Partei- und Fraktionsc­hef Marcus Pretzell, Petrys Ehemann, seinen Rückzug.

Dadurch schrumpft die AfD-Fraktion in NRW von 16 auf 14 Mitglieder; neben Pretzell will auch Alexander Langguth die Fraktion verlassen. Er habe die Situation anders eingeschät­zt als die anderen Mitglieder der Fraktion, verlautete von Pretzell zur Begründung. In Dresden folgen Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Uwe Wurlitzer und Vizefrakti­onschefin Kirsten Muster Petrys Schritt. Ob sie nun eine neue Partei gründen will, ließ die bisherige AfD-Vorsitzend­e ebenso offen wie den Zeitpunkt für ihren Austritt aus der Partei. Auf die Frage, ob auch im Bundestag mit weiteren abtrünnige­n Abgeordnet­en zu rechnen sei, sagte Parteivize Alexander Gauland: „Ich hoffe nicht.“

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