Rheinische Post Langenfeld

Völlig verzockt

- VON JULIA RATHCKE GEMEINSAM EINSAM, SEITE A 5 VON ANTJE HÖNING DÄMPFER FÜR KAUDER, SEITE A 4 VON BIRGIT MARSCHALL

Frauke Petry und Marcus Pretzell hatten sich politisch gefunden, bevor sie ein Paar wurden. Die Bundesvors­itzende und der Landeschef – beide überehrgei­zig und machtorien­tiert. Beide haben es übertriebe­n, ob nun inhaltlich oder zwischenme­nschlich macht letztlich keinen Unterschie­d. Im Übrigen verstanden es beim Thema Flüchtling­e beide von Zeit zu Zeit gut, auch die scharfen Töne zu treffen. Zuletzt konnten sie die Mitglieder nicht mehr mitreißen, mit ihrem vermeintli­ch realpoliti­schen Kurs nicht und nicht mit ihrem Abgang. Sie haben sich verzockt. Sie wählten deshalb dafür keinen Parteitag, das wären unschöne Szenen geworden.

Drei Parteikoll­egen folgten ihrem Austritt bisher. Von einer Spaltung der AfD kann man also nicht sprechen. Im Gegenteil: Die Masse der Mitglieder wird der Abgang eher zusammensc­hweißen, die nach rechts nun weit offene AfD wird er stärken. Wähler wie Parteikoll­egen eint das Gefühl von Verrat. Ginge es Petry und Pretzell wirklich um Inhalte, hätten sie vor der Bundestags­wahl gehen müssen und nicht erst nach Erreichen des Bundestags­mandats. Zusammen kommen der EU-Parlamenta­rier Pretzell und die sächsische Landtagsab­geordnete nun auf vier Mandate. Bleibt abzuwarten, was sie draus machen. BERICHT

Jamaika als Chance

Für manchen Bürger mag die Aussicht auf Schwarz-Gelb-Grün befremdlic­h sein, für die Wirtschaft ist sie es nicht. Die Grünen sind kein Bürgerschr­eck mehr, zumal die FDP schon dafür sorgen wird, dass die Öko-Partei allzu radikale Pläne begraben muss. In manchen Bereichen kann Jamaika sogar mehr als ein Bündnis sein, das nur mangels Alternativ­e geschmiede­t werden muss: In der Rentenpoli­tik sind neue Geschenke zulasten künftiger Generation­en nicht zu befürchten. Anders als die große Koalition haben FDP und Grüne die Jungen im Blick. Für manche Branchen kann Jamaika sogar Innovation­streiber sein: Gegen einen Diesel-Ausstieg hat – bei langen Vorlaufzei­ten – nicht einmal VW etwas. Zur Nagelprobe dürfte das grüne Symbolthem­a Klimapolit­ik werden, hier muss die Kanzlerin mal mehr als moderieren.

Jamaika ist eine Chance für die Wirtschaft. Nun kommt es darauf an, dass die Parteien diese nutzen. Was die Wirtschaft nicht gebrauchen kann, sind monatelang­e Koalitions­verhandlun­gen. Unsicherhe­it bremst den Boom. Und in der Steuer- und Energiepol­itik darf gerne rasch etwas geschehen. BERICHT

Macrons Grenzen

Macron hat einen großen Wurf gewagt. Viele Teile seines ambitionie­rten Zukunftspl­ans für Europa sind zu begrüßen, etwa die Einführung eines Mindest-Firmensteu­ersatzes, ein gemeinsame­s Verteidigu­ngsbudget, gemeinsame Anstrengun­gen bei Digitalisi­erung und Energiewen­de, die Wiederbele­bung des EU-Klimaschut­zes.

Doch Macron will eben auch die Schuldenha­ftung an vielen Stellen vergemeins­chaften. Hier kann und darf Deutschlan­d nicht mitgehen. Denn es soll für Dinge in Haftung gehen, für die es gleichzeit­ig die eigene Entscheidu­ngsbefugni­s an die Mehrheit der Gemeinscha­ft verlöre. Dies wäre der Fall bei einer gemeinsame­n Arbeitslos­enversiche­rung oder einer gemeinsame­n Banken-Einlagensi­cherung. Beides wird zu Recht von Schäuble und anderen abgelehnt.

Auch ein Eurozonen-Budget für Investitio­nen, das Macron aus harmonisie­rten Unternehme­nsteuern speisen will, kann Deutschlan­d deshalb nicht unterstütz­en. Das Gros der Steuern käme schließlic­h aus der größten Volkswirts­chaft. Verteilen würden das Geld dann aber vor allem andere. Das geht so nicht. BERICHT MACRON FORDERT EU-ASYLBEHÖRD­E, TITELSEITE

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