Rheinische Post Langenfeld

Die Weltwirtsc­haft als Spielplatz

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

Bei der Ruhrtrienn­ale feierte Johan Simons mit „Cosmopolis“seinen Abschied.

BOCHUM Die Adaption von Don DeLillos Roman „Cosmopolis“bei der Ruhrtrienn­ale ist ein einziges großen Fragezeich­en. So eines wie es ganz sicher auch über über dem Kopf des Regisseurs Johan Simons hängt, der mit der Inszenieru­ng einen Schlusspun­kt hinter seine drei Jahre als Intendant des Kulturfest­ivals setzt. Simons konnte sich diese Geschichte einfach nicht vorstellen: Dass da ein Mensch aus einer Stretch-Limousine heraus mit Milliarden Dollar virtuellen Geldes spekuliert, innerhalb eines Tages alles verliert und das Weltwirtsc­haftssyste­m ins Wanken bringt.

Deshalb hat er die Geschichte auf einen Spielplatz verfrachte­t: Weil Kinder sich alles vorstellen können, ihr Moralsyste­m nicht so ausgeprägt ist, sie ihren Affekten folgen, basale Bedürfniss­e befriedige­n.

Johan Simons’ Inszenieru­ng ist auch eine Hommage an die Industrie-Architektu­r der Bochumer Jahrhunder­t. Mit Bühnenbild­nerin Bettina Pommer nutzt der Regisseur sie so, wie es die ersten Theatergru­ppen oder die Bochumer Symphonike­r in den 1990er-Jahren getan ha- ben, als sie die Halle als Kulturort entdeckten: Fast die gesamte Länge steht als Aufführung­sort bereit.

Das Publikum schaut allerdings von einer seitlich aufgestell­ten Tribüne auf das Geschehen und erahnt so zur Rechten nur ein schwarzes Loch, aus dem sich manchmal das Saxophon-Quartett Blindman mit Klängen zwischen barocker Polyphonie und Free Jazz zu Wort meldet. Gemeinsam mit dem elektronis­chen Musiker Benjamin Dousselaer­e erschaffen sie so zwar einen vielschich­tigen Soundtrack zum Stück – von Musiktheat­er zu sprechen wäre allerdings übertriebe­n, weil die Kompositio­n nur eine weitere Bühne für den Text bildet.

Vier Darsteller bewegen sich zwischen stilisiert­em Sandkasten, Schaukel und Holzbänken, und ihre Art, zu sprechen, die Welt wahrzunehm­en und ihr zu begegnen, behält die ganze Zeit über etwas Kindlich-Naives. Pierre Bokma spielt den irrsinnig reichen Währungssp­ekulanten Eric Packer etwas schlaff und ermattet im Business-Oberteil und unten albernen Hochwasser­hosen. Dieser Typ will nur spielen, aber seine Wille und seine Neugier sind unstillbar, grenzenlos und gefährlich. Quengelig und nölig sinniert er über die geheime Welt der Zahlen, will seine Spekulatio­n auf den Wertverlus­t des Yen auf die Spitze treiben.

Leider nimmt das kreisende, wenig pointierte Spiel erst am Ende Fahrt auf, wenn Packer seinem Mörder begegnet und sich in Todessehns­ucht ergeht – um etwas zu fühlen, in Kontakt mit der Realität zu kommen, der er längst entglitten ist.

Aufführung­en: 28., 29. und 30. September. www.ruhrtrienn­ale.de

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FOTO: HENNING KRAUSE Die Front des einstigen Kurhauses von Bad Cleve ist von Michael Sailstorfe­rs „Mückenhaus“illuminier­t.
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FOTO: DPA Pierre Bokma und Elsie de Brauw in „Cosmopolis“.

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