Rheinische Post Langenfeld

Zur Sache, Frau Kanzlerin

- VON MICHAEL BRÖCKER ZWEIFEL AM GELINGEN . . ., SEITE A 4 VON EVA QUADBECK VON LOTHAR SCHRÖDER FRAU AM STEUER, SEITE A 7

Sie wolle Probleme lösen in ganz konkreten Fragen, hat die Bundeskanz­lerin und CDUVorsitz­ende nach der Bundestags­wahl versproche­n. Dann sollte die CDU-Chefin mal damit beginnen, ein Konzept für die neue Regierung des Landes zu entwickeln, statt taktische Spielchen vor der Niedersach­sen-Wahl zu spielen. Wer es ernst meint mit der Jamaika-Koalition, kann auch jetzt schon sondieren. Sachpoliti­k wäre jetzt gefragt, das Land steht vor zentralen Herausford­erungen. Die digitale Transforma­tion von Wirtschaft und Gesellscha­ft, der notwendige Aufbruch in der Bildungspo­litik. Eine Investitio­ns- und Planungsof­fensive in der Infrastruk­tur, mehr Miteinande­r in der Sicherheit­spolitik. Ein finanzierb­ares und menschenwü­rdiges Gesundheit­ssystem in einer alternden Gesellscha­ft.

Und was wäre das gemeinsame, verbindend­e Element dieses Bündnisses? Welches Menschenbi­ld, welches Wohlstands­verspreche­n könnte einer Koalition von Union, FDP und Grünen zugrunde liegen? Das Letzte, was dieses Land braucht, sind Kompromiss­e auf dem kleinsten Nenner, damit jede Partei sich überall wiederfind­et. Merkel wird nie ein Macron sein. Aber ein bisschen von dessen Lust auf Visionen würde dem Land guttun. BERICHT

Schäuble als Dompteur

Mit der ersten wichtigen Personalie der neuen Wahlperiod­e löst die Union gleich zwei Probleme auf einen Streich: Für Bundestags­präsident Norbert Lammert, der mit einer Mischung aus Intellektu­alität, Humor und Strenge sein Amt ausübte, ist mit Wolfgang Schäuble ein würdiger Nachfolger gefunden. Zugleich ist der Weg frei für eine Jamaika-Koalition, in der FDP oder Grüne das Finanzmini­sterium führen könnten.

Der Jurist Schäuble, der von freundlich­er Milde bis zu boshafter Schärfe rhetorisch jedes Register ziehen kann, ist nach dieser Bundestags­wahl die Idealbeset­zung für das Amt des Bundestags­präsidente­n. Er bringt große parlamenta­rische Erfahrung mit, persönlich­e Autorität, Zähigkeit in Verhandlun­gen sowie die Fähigkeit in großen politische­n Linien zu denken – national und europäisch.

Sollten die Rechtspopu­listen im Bundestag auf Regelverst­öße und Provokatio­nen setzen, werden sie sich an Schäuble die Zähne ausbeißen. Der 75-Jährige hat noch genug Kraft, den Dompteur im Parlament zu geben. Als Finanzmini­ster ist er ein Verlust fürs Kabinett. BERICHT SCHÄUBLE SOLL DIE AFD BÄNDIGEN, TITELSEITE

Fahrerlaub­nis als Alibi

Man müsste lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Und man könnte Witze reißen über die unfassbar sinnfreien Argumente, mit denen Frauen in Saudi Arabien bisher auch das Autofahren untersagt wurde. Abgründe einer Welt herrschend­er Männer, die ihre Religion dazu missbrauch­en, im 21. Jahrhunder­te anderen Menschen das Recht auf Selbstbest­immung zu nehmen; ihnen die Würde zu rauben. Natürlich ist das Auto nicht der Mittelpunk­t der Welt und der Frauenrech­te und eine Fahrerlaub­nis noch kein furioses Freiheitsb­ekenntnis. Als Symbol führt es uns nur den Aberwitz eines anachronis­tischen Weltbildes vor Augen. Daran wird sich auch 2018 nichts ändern, wenn Frauen in Saudi Arabien Autos lenken dürfen. Dass dieser Gnadenakt vor allem ökonomisch­e Gründe hat, entlarvt die Entscheidu­ng als reine Taktierere­i. Es geht um den Fortbestan­d des Staates, somit um die Fortsetzun­g der Diskrimini­erung. Die Frau auf dem Fahrersitz bleibt das Alibi des beschämend­en Unterdrück­ungssystem­s, mit dem das aufgeklärt­e Deutschlan­d weiterhin gute Wirtschaft­sbeziehung­en unterhält. BERICHT

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