Zur Sache, Frau Kanzlerin
Sie wolle Probleme lösen in ganz konkreten Fragen, hat die Bundeskanzlerin und CDUVorsitzende nach der Bundestagswahl versprochen. Dann sollte die CDU-Chefin mal damit beginnen, ein Konzept für die neue Regierung des Landes zu entwickeln, statt taktische Spielchen vor der Niedersachsen-Wahl zu spielen. Wer es ernst meint mit der Jamaika-Koalition, kann auch jetzt schon sondieren. Sachpolitik wäre jetzt gefragt, das Land steht vor zentralen Herausforderungen. Die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, der notwendige Aufbruch in der Bildungspolitik. Eine Investitions- und Planungsoffensive in der Infrastruktur, mehr Miteinander in der Sicherheitspolitik. Ein finanzierbares und menschenwürdiges Gesundheitssystem in einer alternden Gesellschaft.
Und was wäre das gemeinsame, verbindende Element dieses Bündnisses? Welches Menschenbild, welches Wohlstandsversprechen könnte einer Koalition von Union, FDP und Grünen zugrunde liegen? Das Letzte, was dieses Land braucht, sind Kompromisse auf dem kleinsten Nenner, damit jede Partei sich überall wiederfindet. Merkel wird nie ein Macron sein. Aber ein bisschen von dessen Lust auf Visionen würde dem Land guttun. BERICHT
Schäuble als Dompteur
Mit der ersten wichtigen Personalie der neuen Wahlperiode löst die Union gleich zwei Probleme auf einen Streich: Für Bundestagspräsident Norbert Lammert, der mit einer Mischung aus Intellektualität, Humor und Strenge sein Amt ausübte, ist mit Wolfgang Schäuble ein würdiger Nachfolger gefunden. Zugleich ist der Weg frei für eine Jamaika-Koalition, in der FDP oder Grüne das Finanzministerium führen könnten.
Der Jurist Schäuble, der von freundlicher Milde bis zu boshafter Schärfe rhetorisch jedes Register ziehen kann, ist nach dieser Bundestagswahl die Idealbesetzung für das Amt des Bundestagspräsidenten. Er bringt große parlamentarische Erfahrung mit, persönliche Autorität, Zähigkeit in Verhandlungen sowie die Fähigkeit in großen politischen Linien zu denken – national und europäisch.
Sollten die Rechtspopulisten im Bundestag auf Regelverstöße und Provokationen setzen, werden sie sich an Schäuble die Zähne ausbeißen. Der 75-Jährige hat noch genug Kraft, den Dompteur im Parlament zu geben. Als Finanzminister ist er ein Verlust fürs Kabinett. BERICHT SCHÄUBLE SOLL DIE AFD BÄNDIGEN, TITELSEITE
Fahrerlaubnis als Alibi
Man müsste lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Und man könnte Witze reißen über die unfassbar sinnfreien Argumente, mit denen Frauen in Saudi Arabien bisher auch das Autofahren untersagt wurde. Abgründe einer Welt herrschender Männer, die ihre Religion dazu missbrauchen, im 21. Jahrhunderte anderen Menschen das Recht auf Selbstbestimmung zu nehmen; ihnen die Würde zu rauben. Natürlich ist das Auto nicht der Mittelpunkt der Welt und der Frauenrechte und eine Fahrerlaubnis noch kein furioses Freiheitsbekenntnis. Als Symbol führt es uns nur den Aberwitz eines anachronistischen Weltbildes vor Augen. Daran wird sich auch 2018 nichts ändern, wenn Frauen in Saudi Arabien Autos lenken dürfen. Dass dieser Gnadenakt vor allem ökonomische Gründe hat, entlarvt die Entscheidung als reine Taktiererei. Es geht um den Fortbestand des Staates, somit um die Fortsetzung der Diskriminierung. Die Frau auf dem Fahrersitz bleibt das Alibi des beschämenden Unterdrückungssystems, mit dem das aufgeklärte Deutschland weiterhin gute Wirtschaftsbeziehungen unterhält. BERICHT