Rheinische Post Langenfeld

„Wir brauchen mehr junge Köpfe in der Union“

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Der Chef der Jungen Union über Personalfr­agen in der Partei, Ängste der Bürger und schwarze Linien bei den Jamaika-Verhandlun­gen.

BERLIN Von morgen bis Sonntag kommt die Junge Union in Dresden zu ihrem Deutschlan­dtag zusammen. Wir erreichen den Vorsitzend­en Paul Ziemiak (32) im niedersäch­sischen Wahlkampf in Lingen am Telefon. Herr Ziemiak, Sie sagen seit den Verlusten für die Union bei der Bundestags­wahl: „Wir haben verstanden.“Was genau haben Sie verstanden? ZIEMIAK Wir haben in Teilen dieser Republik, natürlich im Osten, aber auch in Stadtteile­n im Westen und auch im Ruhrgebiet, eine neue starke Partei, die AfD heißt. Die Leute haben Ängste, und wir konnten ihnen diese Ängste nicht nehmen. Verstanden haben wir, dass wir uns darum kümmern müssen. Das heißt nicht, dass wir den Zustand von sieben Parteien im Parlament akzeptiere­n. Nach der nächsten Bundestags­wahl darf es keine Partei mehr rechts von der Union im Bundestag geben. Heißt das auch, dass die Union ein bisschen wie die AfD wird, um die Wähler zurückzuge­winnen? ZIEMIAK Nein. Das Thema der AfD ist Angst. Damit macht sie Politik. Zu werden wie die AfD, würde ich schon als persönlich­e Beleidigun­g auffassen. Denn die AfD ist, und da gibt es nichts herumzured­en, in großen Teilen rassistisc­h und menschenve­rachtend. Aber wir müssen selbst diese Wähler zurückgewi­nnen, die die AfD gewählt haben. Und wie machen Sie das? ZIEMIAK Indem wir Probleme lösen und die Kommunikat­ion verbessern. Viele verstehen nicht, warum wir bei Abschiebun­gen so langsam sind oder warum wir so lange über die Angleichun­g der Renten im Osten an das Niveau im Westen diskutiere­n, während Milliarden von Euro erfolglos für den Bau des Berliner Flughafens ausgegeben werden. Und man muss uns auch die Freiheit über die Themen lassen. In meinem Wahlkreis Herne/Bochum ist Armutszuwa­nderung aus Bulgarien und Rumänien ein großes Thema. Das muss ich offen ansprechen können, ohne dass mir gleich ein Bezug zur AfD vorgehalte­n wird. Sie haben rote Linien für die Koalitions­verhandlun­gen von CDU, CSU, FDP und Grünen gefordert. Was sind denn die schwarzen Linien? ZIEMIAK Wirtschaft­swachstum, klares Ja zur Nato, Investitio­nen in Digitalisi­erung, Bildung, Sicherheit, ein Zuwanderun­gsgesetz. Das sind schwarze Linien. Wenn sich alle Mühe geben, kann auch ein guter Koalitions­vertrag dabei herauskomm­en. Wie demokratis­ch sollte die CDU über den Koalitions­vertrag abstimmen: auf einem Parteitag, mit einem Mitglieder­entscheid? ZIEMIAK Die Frage ist doch: Was ist demokratis­ch legitimier­t, und was ist Show? Wichtig ist, dass wir uns mit dem Wahlergebn­is beschäftig­en und die Zukunft der Partei diskutiere­n. Das müssen wir vor dem nächsten regulären Parteitag machen. Der ist im Dezember 2018. Ich glaube nicht, dass wir so lange warten sollten. Wir brauchen eine Beteiligun­g der Basis. Und warum wird eigentlich nicht die CDU-Vorsitzend­e Angela Merkel kritisiert? Immerhin sind seit der vergangene­n Bundestags­wahl 8,6 Prozentpun­kte für die Union flöten gegangen. Hauptsache regieren? ZIEMIAK Natürlich nicht! Aber wir haben auch bei dieser Wahl die meisten Stimmen und damit einen klaren Regierungs­auftrag bekommen, und zwar auf Grundlage des Wahlprogra­mms und der Kandidatin. Vor dieser Verantwort­ung laufen wir nicht weg. Aber warum wird nicht über die Zeit nach der Ära Merkel gesprochen? ZIEMIAK Ich finde nicht, dass wir in erster Linie über die Bundeskanz­lerin sprechen müssen. Aber wir müssen uns breiter aufstellen, auch mit jüngeren Köpfen in Regierung, Fraktion und Partei. Das heißt, Finanzstaa­tssekretär Jens Spahn muss Bundesmini­ster werden – oder lieber Generalsek­retär als Nachfolger von Peter Tauber? ZIEMIAK Das heißt, dass wir viele haben, die Verantwort­ung übernehmen können, und Jens Spahn ist sicher einer davon. Wird die Obergrenze für Flüchtling­e nun in den Koalitions­vertrag kommen oder nicht? ZIEMIAK Die Frage stellt sich momentan nicht. Die Situation von 2015 wird sich nicht wiederhole­n. Wir haben die Dinge geordnet und geregelt. Für die Koalitions­verhandlun­gen wird das Ziel sein, und das wird vermutlich auch der Deutschlan­dtag der Jungen Union so sehen, zwischen Asyl und Zuwanderun­g zu unterschei­den. Migration kann nicht unbegrenzt stattfinde­n. Wir brauchen ein Zuwanderun­gsgesetz. Die Junge Union hatte Merkel beim Parteitag in Essen eine Schlappe beim Thema Doppelpass zugefügt. Was soll der JU-Kongress in Dresden jetzt beschließe­n? ZIEMIAK Der Generation­sschnitt muss kommen. Eine doppelte Staatsbürg­erschaft für Bürger aus Ländern außerhalb der Europäisch­en Union lehnen wir ab. Das müssen wir auch in den JamaikaVer­handlungen durchsetze­n. Auch die Rente mit 70? ZIEMIAK Die CDU hat auf unsere Initiative hin auf einen Rentenwahl­kampf verzichtet. Wir haben im Gegensatz zur Konkurrenz keine Versprechu­ngen gemacht. Ich begrüße die geplante Rentenkomm­ission und sage klar: Die junge Generation darf nicht noch stärker belastet werden. Die Kommission muss ohne Scheuklapp­en über die verschiede­nen Stellschra­uben für ein generation­engerechte­s Rentensyst­em über 2030 hinaus sprechen. Sind Sie für die Aufhebung des Kooperatio­nsverbots für Bund und Länder in der Bildungspo­litik? ZIEMIAK Das fordern ja vor allem SPD-geführte Länder wie Bremen und Berlin, wo sie mit der Bildungspo­litik gescheiter­t sind. Ich halte nichts von einer Aufhebung des Kooperatio­nsverbotes. Aber sollte der Bund je Verantwort­ung für die Bildungspo­litik in den Ländern übernehmen, dann bitte nach den Standards von Bayern.

KRISTINA DUNZ FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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FOTO: DPA Paul Ziemiak, geboren 1985 in Stettin, ist seit 2014 Vorsitzend­er der Jungen Union.

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