Rheinische Post Langenfeld

Wie der Staat Milliarden verschwend­et

- VON BIRGIT MARSCHALL

Die Digitalisi­erung der Verwaltung ist teuer, doch umgesetzt wurde sie bisher kaum, kritisiert der Steuerzahl­erbund.

BERLIN Die Digitalisi­erung der Verwaltung – Stichwort E-Government – erweist sich für die Steuerzahl­er als Milliarden­grab, wie der Steuerzahl­erbund in seinem diesjährig­en „Schwarzbuc­h“zur Verschwend­ung hervorhebt. 21 bis 23 Milliarden Euro geben Bund, Länder und Gemeinden jedes Jahr für Informatio­nstechnik aus, so der Verein. In die Digitalisi­erung von Verwaltung­sprozessen seien noch zusätzlich Milliarden investiert worden, doch nur die wenigsten Prozesse können digitalisi­ert werden oder wurden digitalisi­ert.

Anspruch und Wirklichke­it beim E-Government klafften weit auseinande­r, sagte Steuerzahl­erpräsiden­t Reiner Holznagel gestern bei der Vorstellun­g des „Schwarzbuc­hs“. So sollten laut Gesetz schon ab 2020 in den Verwaltung­sprozessen des Bundes vorrangig nur noch elektronis­che Akten verwendet werden. Doch bis heute habe nicht einmal die Hälfte der 130 vom Steuerzahl­erbund untersucht­en Bundeseinr­ichtungen einen Plan für die Einführung eines elektronis­chen Aktenverke­hrs.

Der wohl teuerste Flop sei die elektronis­che Gesundheit­skarte. Bis Jahresende werde das 2006 begonnene Projekt schon 1,7 Milliarden Euro gekostet haben. Doch für die Krankenver­sicherten und die Ärzte ergebe sich bislang kaum ein Mehrwert durch die Karte, denn darauf seien kaum mehr als ihre Stammdaten gespeicher­t. Da mittlerwei­le elf Jahre Software- und Hardwareen­twicklung benötigt wurden und diese mehrere Technikgen­erationen ausmachten, werde die Gesundheit­skarte, sollte sie jemals umgesetzt werden, vollkommen veraltet sein, kritisiert der Verband.

Das „Schwarzbuc­h“listet insgesamt 118 Fälle von Verschwend­ung öffentlich­er Gelder auf, darunter auch etliche in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf etwa leistet sich teurere Fahrradhäu­schen als etwa Dortmund oder Hamburg mit ihren runden Fahrradhäu­schen. Statt ebenfalls auf dieses bewährte Modell zu setzen, wolle Düsseldorf nun eine teurere und unpraktisc­here Radabstell­anlage anbieten und auch nur diese fördern. Die Landeshaup­tstadt wolle eckige Häuschen, die auf einen Autoparkpl­atz pass- DÜSSELDORF Der nach vier Jahren Renovierun­g neu eröffnete Aquazoo ist ein echtes Highlight. Der Bund der Steuerzahl­er kritisiert, dass die Bauarbeite­n teurer als geplant waren – und es durch die verlängert­e Umbauzeit mehr Einnahmeau­sfälle gab als ursprüngli­ch gedacht. DÜSSELDORF Die Sanierung und Erweiterun­g des maroden Polizeiprä­sidiums sollte ursprüngli­ch 93,92 Mio. Euro kosten. Doch das Projekt wird erheblich teurer – und auch erst 2020 statt 2016 fertig. ten. Diese Sonderanfe­rtigung für Düsseldorf koste mit 22.000 Euro doppelt so viel wie die Hamburger Variante, gleichzeit­ig passten aber statt zwölf nur zehn Räder hinein.

Auch das Düsseldorf­er Polizeiprä­sidium verschling­e aufgrund von Planungsfe­hlern 64 Millionen Euro mehr Geld als geplant. Und die Sanierung des Düsseldorf­er Aquazoos sei mit 21 Millionen Euro deutlich teurer geworden als die ursprüngli­che geplanten 13 Millionen.

In Baden-Württember­g prangert der Steuerzahl­erbund den Kauf von 45 Prozent der Anteile am Stromkonze­rn EnBW für 4,7 Milliarden Euro durch das Land an. Der 2010 vollzogene Erwerb erweise sich als Desaster für die Steuerzahl­er, weil der Konzern hohe Fehlbeträg­e erwirtscha­fte, Dividenden ausblieben und das Land nachschieß­en müsse.

In Potsdam und Köln gebe es solarbetri­ebene Luxusmüllt­onnen. Der so genannte „Solar-Presshai“komprimier­e den Müll, so dass er seltener geleert werden müsse. Doch das funktionie­re nicht wie geplant: Die Kölner Stadtreini­gung gebe sogar 2000 Euro mehr aus als für normale Mülltonnen. Zudem benötige der 8000 Euro teure LuxusMülle­imer auch mehr Wartung.

Auch in Berlin ist der Steuerzahl­erbund fündig geworden. Auf fast 47 Millionen Euro beziffert der Verein die Mehrkosten durch Pfusch bei der Erweiterun­g von Bundestags­gebäuden. In Bayern reisten 14 Mitglieder des Landtagsau­sschusses für Wirtschaft und Medien, Infrastruk­tur, Bau und Verkehr, Energie und Technologi­e Ende 2016 für sieben Tage durch Mexiko. Kostenpunk­t der Reise für die Steuerzahl­er: rund 40.000 Euro.

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