Rheinische Post Langenfeld

Altersarmu­t: DRK startet Hilfsproje­kt

- VON STEPHAN MEISEL

„Seniorenhi­lfe Aufwind“aus Langenfeld will Bedürftige auch aus der Isolation holen. Vorstand kritisiert die Kanzlerin.

LANGENFELD Hertha S. (Name geändert) ist gerade 85 Jahre alt geworden, doch zum Feiern ist ihr nicht zumute. Und sie kann es sich auch nicht leisten, jemanden einzuladen. Die kleine Rente reicht so eben für die Miete ihrer Wohnung und für das Allernötig­ste. Jemanden um Hilfe bitten? Nein, dafür würde sie sich schämen. Einsam verbringt sie ihren Lebensaben­d, geht kaum mehr aus dem Haus. Hertha S. steht für Altersarmu­t – mitten im wohlhabend­en Langenfeld. „Solche Menschen gibt es in unserer Stadt leider viele“, bedauert Petra Welfens vom Ortsverban­d des Deutschen Roten Kreuzes. Deshalb starte der DRK jetzt für bedürftige Senioren ein Hilfsproje­kt namens „Aufwind“.

„Es ist uns wichtig, einsamen und verarmten älteren Menschen Würde zurückzuge­ben und sie aus der Isolation zu holen“, sagt der DRKOrtsvor­sitzende Magnus Staehler. „Bei unserer alljährlic­hen Weihnachts­feier für Senioren wird immer wieder deutlich, dass etliche von ihnen kaum mehr unter Leute gehen.“Wie viele der etwa 12.900 Langenfeld­er über 65 Jahre in die Armutsrisi­ko-Quote fallen und wirklich finanziell­e Hilfe benötigen, liegt nach den Worten des ehemaligen Bürgermeis­ters im Dunkeln.

„Viele trauen sich nicht, Geld zu beantragen, weil sie sich nicht als ,arm’ einstufen lassen wollen.“Genau hier setzt laut Staehler die DRKSeniore­nhilfe Aufwind an. Sie sammle hierfür eigens bei großzügige­n Bürgern sowie Firmen Spenden und verteile dieses Geld ohne Abzüge und ohne amtliche Hürden an ältere Bedürftige (siehe Infobox).

Laut Welfens stoßen DRK-Mitarbeite­r, die Langenfeld­er ab 85 alle fünf Jahre am Geburtstag mit einem kleinen Präsent aufsuchen, immer wieder auf erkennbare Altersarmu­t und Einsamkeit. „Viele haben Angst, überhaupt jemanden ins Haus zu lassen“, merkt Staehler an. „Sie ge- hören der Generation des deutschen Wiederaufb­aus an, haben mehr als 40 Jahre gearbeitet und können jetzt Miete und Lebenshalt­ungskosten kaum bezahlen.“Dies sei beschämend, sagt CDU-Mitglied Staehler in Richtung von Bundeskanz­lerin Angela Merkel. „Und dann sagt die Kanzlerin auch noch am Wahlabend, sie wisse nicht, was man in Deutschlan­d ändern sollte. Da kann sie gerne mal zu einem Workshop nach Langenfeld kommen.“

Im Aufwind-Projekt ist nach Angaben des stellvertr­etenden DRKOrtsche­fs Jürgen Jungmann ein Höchstbetr­ag von jährlich 500 Euro festgelegt. Solch ein Betrag ermögliche etwa den notwendige­n Kauf einer Lesebrille oder die Reparatur der Waschmasch­ine, um sich mit sauberer Kleidung wieder unter die Leute zu trauen.

„Für jemanden, der wenig hat, kann ein kaputtes Gerät schon eine riesige Belastung sein.“Oft seien es aber „die vermeintli­ch kleinen Dinge des Lebens“, ergänzt Staehler, „die dieses unkomplizi­erter und lebenswert­er machen, wie etwa das Geld für eine Geburtstag­sfeier, die Teilnahme am kulturelle­n Geschehen oder die kleine Aufmerksam­keit.“

Laut Staehler versteht sich der DRK-Ortsverein als Brückenbau­er. Er beabsichti­ge für das AufwindPro­jekt eine enge Kooperatio­n mit der Stadtverwa­ltung und deren Seniorenbü­ro, ebenso mit anderen Sozialverb­änden wie Arbeiterwo­hlfahrt und Maltesern sowie mit den Kirchengem­einden.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany