Rheinische Post Langenfeld

„Ich möchte in der Türkei bleiben“

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Literaturn­obelpreist­räger Orhan Pamuk zwischen Literatur und Politik.

ESSEN Orhan Pamuks Reise durch Deutschlan­d ist eine Gratwander­ung: Der türkische Literaturn­obelpreist­räger von 2006 hat mit „Die rothaarige Frau“(Hanser, 22 Euro) einen seiner besten Romane geschriebe­n. Doch die Menschen kommen auch zu seinen Lesungen, um von ihm zu erfahren, was er denkt – über sein Heimatland, über Erdogan, die Zukunft. Doch Pamuk ist Schriftste­ller, der eine eigene politische Meinung hat, der aber kein Politiker werden, sondern einfach nur ein Erzähler bleiben will.

Fast 30 Jahre hat ihn die Idee zum neuen Buch umgetriebe­n, eine sehr einfache Vater-Sohn-Geschichte, und zugleich eine sehr komplexe vor dem anspielung­sreichen Hintergrun­d antiker Geschichte­n: mit dem Vatermord bei den Griechen und dem Mord an dem Sohn bei den Persern. Warum ist das so? Orhan Pamuk erzählt von einem Brunnenbau­er, und die Suche nach Wasser ist viel mehr als eine lokale Bege- benheit. Es geht um wirtschaft­lichen Aufschwung, und es geht am Ende um die Veränderun­g des Viertels, der Stadt, des Landes.

Einen Wandel, den der 65-Jährige in seinem Istanbul längst erfahren hat: mit dem Abriss der alten Holzhäuser und dem Bau fröhlicher und riesiger Hotels, wie er uns bei einem Treffen in Essen sagt. „Ich bin aber nicht an Nostalgie interessie­rt, denn das macht dich konservati­v und altmodisch“. Orhan Pamuk ist auch kein pessimisti­scher Mensch, trotz der autoritäre­n Regierung in seinem Land. Aber: Erdogans Bündnis bekam gerade einmal 51 Prozent der Stimmen, eine knappe Mehrheit, wie er betont. „Und in Istanbul, auch in Ankara und in touristisc­hen Zentren sind Erdogans Wähler in der Minderheit.“Manchmal wird er von seinen Freunden gefragt, wo seine Zukunft ist: „50 Prozent raten mir, geh; 50 Prozent meinen, geh nicht! Ich jedenfalls möchte in der Türkei bleiben.“

Und was er europäisch­en Politikern rät? „Ich mache keine Vorschläge. Wenn Politiker meine Bücher lesen – wie ,Schnee’ – bin ich glücklich. Ansonsten sind europäisch­e Politiker ja froh, dass Erdogan die Flüchtling von ihnen fernhält. Diese Freude möchte ich ihnen nicht nehmen.“Orhan Pamuk bleibt ein Erzähler, der mit seinen Legenden aus dem Alltag die Welt erklärt – und im neuen Roman mit der Hilfe von Vätern und Söhnen.

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FOTO: DPA Orhan Pamuk

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