Neuer Abschiebeflug belastet Jamaika
Rückführungen sind unter den möglichen Koalitionären umstritten.
BERLIN (jd/klik/mar/qua) Ausgerechnet morgen, wenn die erste große inhaltliche Auseinandersetzung der Jamaika-Sondierer ansteht, soll nach Informationen der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl wieder ein Abschiebeflug nach Afghanistan stattfinden. Von Leipzig/Halle aus sollen unter anderem fünf Personen aus Bayern abfliegen. Auch aus Rheinland-Pfalz wurde ein abgelehnter Asylbewerber angemeldet.
Solche Rückführungen sind unter den Parteien der möglichen Regierungskoalition umstritten: Die Grünen und Flüchtlingsorganisationen warnen vor erheblichen Gefahren für die Rückkehrer. Die Bundesregierung hat ihre Einschätzung der Sicherheitslage indes bestätigt. Demnach sind Rückführungen nach Afghanistan möglich.
Das Flüchtlingsthema gehört zu den heikelsten einer möglichen Ja- maika-Koalition. Es soll am Donnerstag beraten werden. Der jüngste Beschluss von CDU und CSU zur Begrenzung des Flüchtlingszuzugs auf jährlich 200.000 müsse „der Kern der Migrationspolitik von Jamaika“sein, forderte CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn. Der konservative Grünen-Politiker Boris Palmer schrieb in der „Bild“, kriminelle Flüchtlinge müssten zügiger abgeschoben und Integrationsmaßnahmen für sie gestoppt werden.
Trotz des Anschlags auf die deutsche Botschaft in Kabul am 31. Mai dürfen Straftäter, Gefährder sowie Personen, die sich hartnäckig der Identitätsfeststellung verweigern, weiter nach Afghanistan zurückgeführt werden. Darauf hatten sich Bund und Länder geeinigt. Das Bundesinnenministerium wollte sich zu dem angeblich bevorstehenden Abschiebeflug nicht äußern. Laut Gesetz dürften Rückführungen nicht angekündigt werden.
Mehrere Länder wollen sich nicht aktiv an Abschiebungen nach Afghanistan beteiligen, wie eine Abfrage bei den 16 Innenministerien ergab. Das gilt für das rot-rot-grün regierte Thüringen und das rotgrün regierte Bremen. Die Mehrheit der Länder verwies auf die Einigung mit dem Bund, wonach Straftäter, Gefährder und Identitätsverweigerer abgeschoben würden.
Diese abschreckende Praxis hat die Zahl der Asylanträge aus Afghanistan bereits deutlich reduziert. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge waren 2016 noch rund 127.000 Erstanträge von Afghanen gestellt worden. Im ersten Halbjahr 2017 waren es dagegen nur noch etwa 9600.