Rheinische Post Langenfeld

REPUBLIK

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Wie viele Vizekanzle­r braucht das Land? FDP und Grüne ringen um Augenhöhe in einem gemeinsame­n Regierungs­bündnis. Die Grünen fühlten sich aber mit der Forderung nach einem zweiten Vizekanzle­r missversta­nden.

Das Kräfteverh­ältnis in einer klassische­n Zweier-Koalition ist schnell erklärt: Es gibt eine Kanzlerpar­tei und einen Juniorpart­ner. Gerhard Schröder brachte es seinerzeit für seine rotgrüne Regierungs­koalition mit dem Hinweis auf den Punkt, es müsse klar sein, „der Größere ist Koch, der Kleinere ist Kellner“. Den Grünen schmeckte oft nicht, was sie servieren mussten. Nach viel Streit auch vor den Gästen funktionie­rte das Prinzip und die Koalition gut.

Um im Bild zu bleiben: Für die geplante Jamaika-Koalition ringen nun FDP und Grüne darum, wer unter Köchin Merkel Oberkellne­r sein darf. Eigentlich ist die Sache klar: Die FDP lag bei der Bundestags­wahl vor den Grünen und hat damit bei der Vergabe des Vizekanzle­r-Postens den Vorzug. Doch die Grünen wollen sich keinesfall­s als Anhängsel einer schwarz-gelben Koalition abspeisen lassen. Bei allem Wunsch zu regieren muss ein bisschen Selbstacht­ung dann doch sein.

Der Bundesgesc­häftsführe­r der Grünen formuliert­e daher ein wenig sibyllinis­ch in der „Bild“-Zeitung, dass die Koordinati­on einer Jamaika-Koalition nicht nur im Kanzleramt und bei einem weiteren Partner liegen könne, sondern sie müsse bei allen dreien liegen. Nun war es bislang so, dass vor allem ein Koalitions­ausschuss, bestehend aus den Parteispit­zen der Regierungs­parteien, ein Bündnis zusammenge­halten hat. In der Regierung selbst sorgten das Kanzleramt und das Ministeriu­m des Vizekanzle­rs für ein möglichst reibungslo­ses Miteinande­r. Da liegt bei den Worten des GrünenPoli­tikers die Schlussfol­gerung durchaus nahe, dass auch diese einen Vizekanzle­r stellen wollen. Wörtlich hat er dies nicht gesagt, weshalb die Grünen gestern auch kräftig zurückrude­rten und darauf verwiesen, keine Posten zu fordern – jedenfalls nicht öffentlich. Denn sowohl bei der eigenen Anhängersc­haft als auch in der Öffentlich­keit allgemein kommt es meistens nicht gut an, wenn Posten verteilt werden, bevor die Beteiligte­n überhaupt wissen, ob man eine gemeinsame Regierung auf die Beine bekommt.

Der Job des Vizekanzle­rs ist jedenfalls mit keiner besonderen Machtfülle ausgestatt­et. Er wird auch von unserer Verfassung nicht besonders beschriebe­n. Der Vizekanzle­r leitet die Kabinettss­itzung, wenn die Kanzlerin nicht da ist. Diese Fälle ließen sich während der Amtszeit Merkels in einem Jahr meist an einer Hand abzählen. Bisher war der Posten in der Regel vom Parteichef des Juniorpart­ners besetzt. Nur nicht bei Rot-Grün: Joschka Fischer war immer nur der „heimliche Parteichef“der Grünen. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

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