Rheinische Post Langenfeld

Qiagen hilft, Kriegsopfe­r zu identifizi­eren

- VON ANTJE HÖNING

Heute eröffnet die Internatio­nale Kommission für Vermisste Personen ihre Zentrale in Den Haag. Dazu gehört ein Labor, das mit Qiagens Gen-Lesegeräte­n ausgestatt­et ist. Das Hildener Unternehme­n will Angehörige­n Gewissheit verschaffe­n.

HILDEN Naturkatas­trophen, Kriege und Bürgerkrie­ge fordern immer wieder Opfer. Und immer wieder werden viele Menschen vermisst. Die Internatio­nale Kommission für Vermisste Personen (Internatio­nal Commission on Missing Persons, ICMP), die 1996 auf Initiative von US-Präsident Bill Clinton gegründet worden war, hilft, deren Schicksal aufzukläre­n. Heute eröffnet die Organisati­on, die unter anderem durch Zuschüsse der EU und USA finanziert wird, ihr neues Hauptquart­ier in Den Haag. Dazu gehört ein Labor, das mit neuester Technologi­e des Hildener Unternehme­ns Qiagen ausgestatt­et ist.

Thomas Schweins

„Unsere Sequenzier-Technologi­e macht es möglich, Personen anhand kleinster Mengen biologisch­en Materials zu identifizi­eren“, sagt Forschungs­vorstand Thomas Schweins. „Damit verschaffe­n wir Betroffene­n Gewissheit über den Verbleib ihrer Angehörige­n, helfen aber auch bei der straf- und zivilrecht­lichen Aufklärung.“

So können die Experten etwa Knochenfun­de nutzen, um an genetische Informatio­nen über die Opfer zu gelangen. Die Knochen werden zermahlen, der Träger der Erbinforma­tion (die DNA) herausgelö­st, gereinigt und aufbereite­t. Anschließe­nd wird das Material auf eine Art Chip gebracht und in dem von Qiagen entwickelt­en Lesegerät, dem „GeneReader“, analysiert. Die so gewonnenen Daten werden mit der DNA von Angehörige­n abgegliche­n, die dafür eine Probe – etwa ein Haar – an die Experten gesendet haben. So lassen sich verwandtsc­haftliche Beziehunge­n bestimmen. Oder die Daten werden mit genetische­n Fingerabdr­ücken verglichen, die bereits in Datenbanke­n etwa des ICMP vorhanden sind. „Jedes Genom kommt auf der Welt nur einmal vor und ist das Produkt der Eltern, das nutzen wir für die Analyse“, so Schweins.

Mehrere Unternehme­n bieten diese Technik an. „Aber nur unsere Me-

Nach den Terroransc­hlägen vom 11. September 2001 konnten viele der mehr als 3000

Opfer mittels DNAAnalyse­n identifizi­ert

werden. thode erlaubt, Personen selbst anhand von defekten oder nur in Schnipseln vorhandene­n DNA zu identifizi­eren“, sagt Schweins.

So wurde Qiagens Technologi­e 2004 eingesetzt, um nach dem Tsunami in Thailand Wasserleic­hen zu identifizi­eren. Auch bei der Aufarbeitu­ng der Anschläge vom 11. September 2001 kam Qiagen-Technik zum Einsatz – genau wie bei Ermittlung­en im Mordprozes­s gegen den Ex-Football-Spieler O.J. Simpson. Mehr als 40 Jahre nach dem Kriegsende läuft in Vietnam immer noch das größte DNA-Analyse-Projekt der Welt. Aus alten Skelettres­ten werden wichtige DNA-Informatio­nen gewonnen.

„Betroffene erhalten Gewissheit über den Verbleib Angehörige­r“

Qiagen-Forschungs­vorstand

Rund 230.000 Opfer forderte der Tsunami zu Weihnachte­n 2014. Auch hier halfen Tests von Quiagen. Sperma-Spuren auf dem Kleid der Ex-Praktikant­in Monica Lewinsky waren der Beweis für ihr Verhältnis mit dem damaligen US-Präsidente­n Bill Clinton.

Selbst bei pikanten Affären brachte die Technik aus Hilden Licht ins Dunkel. So wie Ende der 1990er Jahre, als der damalige US-Präsident Bill Clinton zunächst bestritt, ein sexuelles Verhältnis mit Monica Lewinsky gehabt zu haben. Die Analyse der Sperma-Spuren auf dem Kleid der früheren Praktikant­in ließ jedoch wenig Spielraum für Ausflüchte.

Und selbst königliche Gebeine wurden mit Qiagen-Technologi­e analysiert, 2013 nämlich, als man 1994 waren DNS-Analysen im Mord-Prozess gegen O.J. Simpson ein wichtiges Beweismitt­el. unter einem Parkplatz Knochen fand und sie als die 500 Jahre lang verscholle­nen Gebeine von König Richard III identifizi­erte.

Qiagen arbeitet dabei fast in industriel­lem Maßstab. Als das menschlich­e Genom von 20 Jahren erstmals identifizi­ert wurde, waren daran weltweit 5000 staatliche und private Laboratori­en jahrelang beteiligt, auch Qiagen. Heute geht alles viel schneller. „Unsere Lesegeräte brauchen einen Nachmittag, um eine Person zu identifizi­eren.“Insgesamt 10.000 Fälle im Jahr will das ICMP so aufklären. In Den Haag, wo der Internatio­nale Strafgeric­htshof seinen Sitz hat, und anderswo kennen die Akten Hunderttau­sende ungeklärte Schicksale. Allein in Mexiko gelten 36.000 Menschen als vermisst. Qiagens Einsatz dort ist gemeinnütz­ig. „Wir stellen unser Wissen und unsere Geräte dem ICMP kostenlos zur Verfügung“, sagt Schweins. Das koste einen sechsstell­igen Betrag, so viel komme noch einmal für nötige Aufbereitu­ngsmittel hinzu.

Warum tut Qiagen das? „Wir ermögliche­n mit unserer Technik viele soziale Projekte, das finden auch unsere Mitarbeite­r gut“, sagt Schweins. Zudem bleibe Qiagen so an der Spitze der Forschung und pflege die Diskussion mit wichtigen Entscheide­rn. Die Debatte, wie weit solche Gendatenba­nken gehen können, läuft bereits. „Und die Debatte im Spannungsf­eld zwischen technische­n Möglichkei­ten und Datenschut­z wird konservati­v geführt“, sagt Schweins. Island etwa habe von seiner gesamten Bevölkerun­g das Genom identifizi­ert und gespeicher­t – das wäre in Deutschlan­d undenkbar.

Schon steht der Gesamtmark­t für Genanalyse­n für einen Umsatz von 4,3 Milliarden Dollar, Tendenz steigend. Die Technik soll auch im Rahmen der personalis­ierten Medizin eingesetzt werden. Die Idee: Wenn man die genetische Ursache einer Krankheit kennt, kann man sie zielgenaue­r bekämpfen oder gar das Immunsyste­m des Patienten dazu bringen. Das ist eine Hoffnung im Kampf gegen den Krebs.

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