„Ich orientiere mich an Mesut Özil“
In der vergangenen Saison debütierte Kai Havertz mit 17 Jahren und 126 Tagen in der Bundesliga. Im Juli unterschrieb er seinen ersten Profivertrag. Längst ist das Eigengewächs zu einem Hoffnungsträger der Werkself geworden.
Herr Havertz, Sie haben erreicht, wovon unzählige Jugendliche träumen. Ist das Leben als Fußballprofi so, wie Sie es sich vorgestellt haben? HAVERTZ Durchaus. Natürlich hat man auch viel Freizeit, wenn beispielsweise nur einmal am Tag trainiert wird. Deswegen suche ich mir aktuell auch ein paar Beschäftigungen abseits des Fußballs, um den Kopf freizubekommen und abzuschalten. Haben Sie schon etwas für sich entdeckt? HAVERTZ Ich bin noch in der Findungsphase. Neue Sprachen zu lernen – darauf habe ich gerade keine Lust. Ich war lange genug in der Schule. Aber ein Instrument zu erlernen, kann ich mir gut vorstellen. Haben Sie sich etwas Besonderes vom ersten Profi-Gehalt gegönnt? HAVERTZ Nein. Klar macht das Geld vieles einfacher, aber es steht nicht im Vordergrund. Wichtig ist, Fußball zu spielen und auf dem Platz zu stehen. Das Finanzielle ist Nebensache. Das kommt alles mit der Zeit. Sie haben im Sommer ihr Abitur geschafft. Wie haben Sie Schule und Fußball unter einen Hut bekommen? HAVERTZ Die Gedanken waren im Unterricht häufig woanders, zudem wurde ich oft für das Training freigestellt. Dann in der Schule am Ball zu bleiben, war nicht einfach. Aber die Lehrer haben mich gut unterstützt. Deswegen hat es am Ende doch ganz gut geklappt. Wenn du als 17–Jähriger in der Champions League eingewechselt wirst, muss du dir schon die Augen reiben, ob das alles wahr sein kann. Aber ich habe es schnell realisiert und deswegen auch ordentliche Leistungen gezeigt. Hat Ihnen die vergangene Saison mit Champions League und Abstiegs- kampf gezeigt, wie schnell es im Fußball auf und ab gehen kann? HAVERTZ Heiko Herrlich ist jetzt der dritte Trainer für mich bei den Profis. Das zeigt, dass Konstanz nicht unbedingt die größte Tugend im Fußball ist. Aber sowohl die Mannschaft als auch ich haben uns schnell angepasst und einen guten Start hingelegt. Am Ende wollen wir auf einem internationalen Platz stehen. Als Sie als Jugendlicher nach Leverkusen gezogen sind, haben Sie zunächst beim damaligen Stadionsprecher Klaus Schenkmann gewohnt. Wie war das und wie sieht es heute aus? HAVERTZ Mit 15 bin ich eingezogen und habe ein Jahr mit zwei anderen Leverkusenern bei ihm gewohnt: Tristan Duschke (jetzt Wuppertaler SV, Regionalliga; Anm. d. Redaktion) und Rudolf Gonzáles (jetzt FC St. Pauli II, Regionalliga; Anm. d. Redaktion). Mit beiden bin ich gut befreundet. Als ich 16 wurde, bin ich mit mei- nem älteren Bruder für ein Jahr zusammengezogen und seit einem Jahr wohne ich alleine. Es ist eine Herausforderung, da man alles selbst machen muss. Aber es klappt ganz gut. Ihr Teamkollege Julian Brandt hat seine Familie mal als „letzten Rückzugsort“genannt. Wie ist das bei Ihnen? HAVERTZ Ich habe eine sehr, sehr enge Verbindung zu meiner Familie. Ohne sie hätte ich es nicht zum Profi geschafft. Deswegen nutze ich die freien Tage, um sie zu besuchen. Da kann ich auch mal über andere Dinge reden. Sie sind ein Hoffnungsträger der Werkself. Wie gehen Sie damit um? HAVERTZ Es ist eine große Ehre. Ich habe meinem ehemaligen Trainer Roger Schmidt viel zu verdanken. Er hat mir als jungem Spieler das Vertrauen geschenkt, obwohl es zu der Zeit nicht so gut für uns lief. Dass ich früh komplett aus der U 19 gezogen wurde, tat meiner Entwicklung sehr gut. Ich habe viel dazugelernt. Gibt es einen Profi, der sich in der Anfangszeit um Sie gekümmert hat? HAVERTZ Ömer Toprak hat mir viel geholfen. Mit ihm habe ich mich sehr gut verstanden. Auch Stefan Kießling und Lars Bender, die schon lange erfolgreich in der Bundesliga spielen, helfen einem immer weiter. Was war der wichtigste Rat, den Sie bekommen haben? HAVERTZ Dass man versuchen muss, positiv zu bleiben – auch, wenn es mal nicht so läuft. Das hat mir nach schlechten Spielen Mut gemacht. Rudi Völler vergleicht ihre Ballbehandlung mit der von Mesut Özil. Haben Sie ein sportliches Vorbild? HAVERTZ Nicht direkt, aber ich orientiere mich schon an Mesut Özil. Er spielt Fußball, wie ich ihn mag, strahlt Ruhe am Ball aus und wirkt nie gestresst. Ich schaue mir seine Spiele bei Arsenal London gerne an. Auch Sie fühlen sich zentral am wohlsten, sind aber bereits auf mehreren Positionen zum Einsatz gekommen. Wie wichtig ist Vielseitigkeit? HAVERTZ Wenn ein Spieler ausfällt, kann ich mich auf vielen Positionen anbieten und empfehlen. Es tut gut, sich in andere Rollen zu versetzen. Dann weiß man, wie die Teamkollegen auf den Positionen stehen und sich verhalten. Aktuell läuft es ziemlich ordentlich für Sie und die Werkself. Wie bewerten Sie das erste Saisondrittel? HAVERTZ Nach so einer schlechten letzten Saison ist es schwierig, direkt voll durchzustarten. Aber wir haben nun schon oft gezeigt, was wir drauf haben – auch, wenn die Ergebnisse nicht immer gepasst haben. Wenn wir so weitermachen, werden wir am Ende auch Erfolg haben. Sie sind auf Facebook und Instagram unterwegs. Kümmern Sie sich selbst um Ihre Profile? HAVERTZ Mir macht es Spaß, selbst Fotos hochzuladen und etwas dazu zu schreiben. Aber ich werde dabei unterstützt. Schließlich darf man nichts Falsches machen. Da muss man grundsätzlich aufpassen. Jeder sollte das tun. Für viele Fußballer scheint ein Tattoo fast schon Pflicht. HAVERTZ Bei meinem Körper macht das glaube ich keinen Sinn. (Lacht) Heiko Herrlich hat eingeführt, dass Spieler bei Verspätungen Geschenke für die Betreuer kaufen müssen. Haben Sie schon jemanden beschenken dürfen? HAVERTZ (Lächelt) Nein, ich musste noch nichts kaufen. Ich war immer pünktlich. SEBASTIAN BERGMANN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.