Rheinische Post Langenfeld

Südamerika-Banden auf Diebestour in NRW

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Derzeit sind Profi-Taschendie­be aus Lateinamer­ika im Raum Düsseldorf aktiv. Die Kriminelle­n sind extra wegen der Messe Medica angereist. Sie agieren weltweit. Das „Weihnachts­geschäft“überlassen sie regionalen Tätern.

DÜSSELDORF Auf den Bahnsteige­n in und rund um Düsseldorf herrschte seit Tagen viel Gedränge. In den Zügen standen die Menschen dicht an dicht. Grund für das Chaos war die Fachmesse Medica, zu der bis gestern 120.000 Besucher aus 130 Nationen gekommen waren. Das lockt Profi-Taschendie­be aus Süd- und Mittelamer­ika an. „Es kommen Einzeltäte­r und Banden. Sie kommen eigens für die Messe nach Düsseldorf und grasen alles ab“, sagt Kriminalob­errat Jörg Iserath vom Düsseldorf­er Polizeiprä­sidium. „Dabei handelt es sich um hochkaräti­ge Taschendie­be, die darauf spezialisi­ert und weltweit aktiv sind.“

Die Messezeit habe die Weihnachts­zeit als Hochphase für Taschendie­bstähle abgelöst, heißt es bei der Polizei der Landeshaup­tstadt. „Auf den Weihnachts­märkten zeigen wir sehr starke Präsenz. Das freut die Besucher, schreckt aber die Kriminelle­n ab“, sagt Düsseldorf­s Polizeispr­echer André Hartwich. Die Taschendie­be zur Weihnachts­zeit seien auch andere als die an den Messetagen. „Das Weihnachts­geschäft machen vor allem regionale Kriminelle“, betont Hartwich. Und das etwa nicht auf den Weihnachts­märkten, sondern in den Geschäften, den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln und den vollen Fußgängerz­onen. Mehr als 15 Millionen Euro Schaden richteten Taschendie­be im vergangene­n Jahr in NRW an. Fast 80 Prozent der Tatverdäch­tigen sind laut polizeilic­her Kriminalst­atistik nichtdeuts­ch. Besonders hoch ist demnach der Anteil algerische­r und

Jörg Iserath marokkanis­cher Staatsange­höriger, von denen viele in Banden organisier­t und Mehrfachtä­ter sind.

Messen wie die Medica ziehen hingegen Profi-Taschendie­be aus Südamerika an, weil es sich bei den Besuchern in erster Linie um Gutverdien­er handelt, die viel Bargeld, Kreditkart­en und wertvolle technische Geräte wie Laptops, i-Pads und Smartphone­s bei sich haben. „Mit einem einzigen Griff erbeuten die Diebe 2000 bis 3000 Euro“, sagt Iserath. Dem erfahrenen Kriminalob­errat zufolge quartieren sich die Täter für die Messetage in Hotels ein. Ihr Arbeitstag beginnt dann auch in deren Frühstücks­räumen. Dort halten sie nach Opfern Ausschau. „Wenn jemand den Tisch verlässt, um sich etwas am Buffet zu holen, schlagen sie zu“, sagt Iserath. „Sie greifen sich dann Taschen oder holen Portemonna­ies aus den Sakkos, die über den Stühlen hängen.“Sozusagen nach dem „Frühstück“suchen die Profidiebe die überfüllte­n Bahnsteige auf. Im dichten Gedränge ziehen sie Wertgegens­tände aus Jacken und Taschen. Dabei schubsen und drängeln sie gezielt, um für zusätzlich­e Unruhe und Ablenkung zu sorgen. Auch auf der Messe selbst schlagen die Kriminelle­n zu. „Sie nutzen aus, dass ihre Opfer durch ihre Geschäfte abgelenkt sind und nicht auf ihre Sachen achten“, betont der Kriminalob­errat. „Viele merken erst, dass sie bestohlen wurden, wenn die Täter längst weg sind“, sagt er.

Die Polizei ist aber nicht machtlos gegen die Profi-Taschendie­be aus Lateinamer­ika. Es existieren entspreche­nde Karteien und Fahndungsd­atenbanken. Die Ermittler arbeiten eng mit allen beteiligte­n Akteuren zusammen. Für die Hoteliers gibt es spezielle Kontaktbea­m- te, die im Ernstfall schnell gerufen werden können – wie zum Beispiel vorgestern. In einem noblen Hotel wurde einem Gast aus Indien Geld in indischer Währung gestohlen. Sofort wurde der Kontaktbea­mte verständig­t. Dieser suchte daraufhin umgehend eine einschlägi­g bekannte Geldwechse­lbank am Hauptbahnh­of auf. Dort entdeckte er dann tatsächlic­h den Dieb dabei, wie er die indische Währung umtauschen wollte, und nahm ihn fest.

Zudem sitzen auch zivile Fahnder der Polizei in den Frühstücks­räumen der Hotels, um ihrerseits nach den Kriminelle­n Ausschau zu halten. „Man kann das den Dieben ansehen. Die verhalten sich anders, haben einen anderen Blick als der normale Frühstücks­gast. Das erkennen wir sofort“, sagt Iserath.

In den vergangen Tagen konnte die Polizei in Düsseldorf zehn Taschendie­be fassen, darunter auch internatio­nal tätige Taschendie­be, wie einen 62-Jährigen, der einen Messegast aus Australien bestohlen hatte. Die Bundespoli­zei konnte zudem drei Taschendie­be aus Südund Mittelamer­ika im Alter von 18, 50 und 56 Jahren in einem Zug festsetzen, die Fahrgäste angingen und deren Rucksäcke öffneten.

„Diebe verhalten sich anders, haben einen

anderen Blick“

Kriminalob­errat

Newspapers in German

Newspapers from Germany