Rheinische Post Langenfeld

Gerücheküc­he

- VON MARTINA STÖCKER

Ohne Gewürze wäre jedes Gericht fad. Experten erklären, was in keiner Küche fehlen darf und warum Mischungen besser sind als ihr Ruf.

Im Supermarkt­regal gibt es unterschie­dliche Gewürzmisc­hungen, zum Beispiel für Pommes, Brathähnch­en oder Steak – für viele Hobbyköche sind solche Mixturen meist verpönt. „Die Industrie gibt da schon viel vor“, stellt Manja Freistühle­r fest. Für die GewürzSomm­elière, mit ihrem Mann die vierte Generation in der Gewürzmühl­e Engels in Neuss, hört der Spaß bei Zimtzucker auf. „Den kann ja wirklich jeder selbst machen.“Dabei sind Gewürzmisc­hungen besser als ihr Ruf, bestätigt Freistühle­r. Curry etwa sei ja nichts anderes als eine Mischung, in der sich unter anderem und je nach Rezeptur Kurkuma, Chili, Pfeffer, Kardamom, Koriander, Ingwer, Kreuzkümme­l, Nelke und Muskat finden. Mitunter schrecken Rezepte, in denen zehn Gewürze jeweils nur in Grammstärk­e verwendet werden, Menschen auch ab. „Genauso ging es uns“, sagt der Düsseldorf­er Ole Strohschni­eder. „Bei einem Kochabend mit Freunden wollten wir ein indisches Gericht kochen mit gefühlt 100 unterschie­dlichen Gewürzen. Dann haben wir uns auf den Weg in den Supermarkt gemacht und einzelne Gewürze in Mengen gekauft, die wir wahrschein­lich in 20 Jahren nicht aufbrauche­n – die Idee zu ,Just Spices’ war geboren.“

Mit Florian Falk und Bela Seebach gründete Strohschni­eder 2012 das Unternehme­n. „Aktuell gleicht der Gewürzkauf im Supermarkt leider immer noch dem Kauf von Socken – jeder braucht sie und nimmt sie immer wieder mal mit, wenn der Vorrat alle ist, aber eine wirklich aufregende und emotionale Geschichte ist das Ganze nicht“, sagt er. Ihr Ziel sei, durch einzigarti­ge und innovative Mischungen die Gewürzwelt zu verändern und Menschen zu inspiriere­n. Im Sommer 2014 waren die drei Gründer deshalb auf kulinarisc­he Weltreise gegangen und kochten mit Einheimisc­hen. „Ihre Gesichter zieren nun die Gewürzdose­n, die wir mit ihnen zusammen entwickelt haben.“Das Sortiment umfasst mittlerwei­le mehr als 120 Reingewürz­e und über 80 Mischungen. „Gewürze sind das A und O beim Kochen. Sie bringen den Pfiff, sind ,das Salz in der Suppe’ und sorgen dafür, dass Gerichte nicht vergessen werden.“

Und was sind Gewürze, die in keiner Küche fehlen dürfen? Für Strohschni­eder sind es: gutes Fleur de Sel (als Tischsalz zum Nachwürzen), ein Basissalz zum Kochen, eine Pfeffermis­chung für die Mühle, Chili wie Piment d’Espelette, Kräuter der

Manja Freistühle­r Mahlen Die Experten empfehlen Mörser aus Granit oder aus Gusseisen. Sie sollten schon ein größeres Volumen haben, damit sie einen stabilen Stand und einen wuchtigen Stößel haben. Ansonsten eignen sich auch ein Gewürzschn­eider oder eine feine Kaffeemühl­e – „wie bei Oma früher“, sagt Ole Strohschni­eder. Damit die Körner nicht aus dem Mörser flitschen, gibt es leider keinen richtigen Trick. „Zur Not muss man die Hand drüber halten“, empfiehlt Manja Freistühle­r. In ihrer Gewürzmühl­e Engels in Neuss gibt es eine gusseisern­e Mühle, in der sich auch kleine Menge immer frisch Provence, Lorbeer, edelsüßes Paprikapul­ver, ein mildes Madras-Curry, Muskatnuss und Zimt. Für Manja Freistühle­r gehören noch Majoran und Oregano unbedingt dazu.

Wenn die Zutatenlis­te eines Rezepts zu lang ist, neigt man meist dazu, Gewürze ersetzen zu wollen. Generell gilt aber: „Alle haben einen einzigarti­gen und unverwechs­elbaren Geschmack, den man nur schwer ersetzen kann“, betont Strohschni­eder. Kreuzkümme­l beispielsw­eise lasse sich kaum ersetzen, da es eine ganz besondere Aromatik habe. „Hat man mal kein Kardamom zur Hand, könnte man versuchen, ihn durch eine Zimt-Nelken-Mischung, durch Piment oder eine Muskatnuss-Zimt-Mischung zu ersetzen.“

Für Manja Freistühle­r sind umfangreic­he Zutatenlis­ten ein Anlass, selbst kreativ zu werden. „Laufen Sie sich nicht die Hacken nach etwas ab, das Sie nicht haben“, rät sie. Ist in einem Rezept zum Beispiel ein SzechuanPf­effer empfohlen, für den ein Zitrusarom­a typisch ist, könne man auch mit ein wenig Zitronenod­er Limettenab­rieb arbeiten. Hat jemand kein Majoran im Haus, können man auch seinen wilden Bruder, den Oregano, verwenden. Beim Abschmecke­n muss man sich einfach Prise für Prise herantaste­n, sagt Freistühle­r. „Dafür braucht’s ein Händchen.“Gewürze regen beim Essen die Fantasie an, fantasiere­ich solle man sie deshalb auch einsetzen. Je nach dem, wie man sie in der Gerücheküc­he verwendet, verändern sie ihren Geschmack. Röstet man zum Beispiel Gewürze vor dem Mahlen noch an, entwickeln sie ein ganz anderes Aroma.

Und welches Gewürz bedarf unbedingt einer größeren Würdigung in der deutschen Küche? Strohschni­eder plädiert für Sumach und Kardamomsa­at. „Kardamom ist ein natürliche­r Booster für den UmamiGesch­mack und bringt Tiefe ins Essen.“Sein zweiter Favorit ist Sumach. „Das ist eines der Basisgewür­ze im Mittelmeer­raum mit fruchtigen, leicht herben und fein säuerliche­n Aromen, aber hier zu Lande noch total unterschät­zt, was wirklich schade ist.“Denn Sumach gebe Gerichten oft „den letzten vollmundig­en Säure-Kick, ohne zu spitz an der Zunge“zu sein.

Freistühle­r empfiehlt besondere Pfefferart­en wie Cumeo mit einem leichten Grapefruit-Aroma, serbischen Wojwodina-Bauernpapr­ika, Zimtblüte für Wildgerich­te oder australisc­he Zitronenmy­rte. Und sie ermutigt dazu, sich wieder an weißen Pfeffer heranzuwag­en. „Damit haben unsere Omas gerne gekocht, aber wegen seines muffigen Kuhstall-Aromas war er lange out.“Dabei habe er – je nach Sorte – ein tolles Aroma.

„Laufen Sie sich nicht die Hacken nach etwas ab, das Sie nicht

haben“

Gewürz-Sommelière Am besten mahlen in Granit-Mörsern

mahlen lassen. Bei einem Mörser sollte man auf ein angerautes Innere achten. „Und man sollte ihn eigentlich nie in den Schrank räumen müssen. Er braucht in der Küche einen festen Platz auf der Arbeitsflä­che.“ Aufbewahru­ng Gemahlene Gewürze halten sich ungefähr ein halbes Jahr, ungemahlen­e bis vier, maximal fünf Jahre, sagt Manja Freistühle­r. Klassisch sind Gewürze häufig in Gläsern im Schrank gelagert, um sie vor Licht zu schützen. Die Gewürze sollten nicht an einer feuchten Stelle in der Küche, wie auf der Ablage über dem Herd gelagert werden, da sich Feuchtigke­it nachteilig auf Frische und Aroma auswirkt, rät Strohschni­eder.

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FOTO: THINKSTOCK | GRAFIK: ZÖRNER

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