Rheinische Post Langenfeld

Trauer um toten Fiftyfifty-Verkäufer

- VON H. GAASTERLAN­D, S. GEILHAUSEN, J. JANSSEN UND H.-I.WILLNER

Ein Auto hat in einem Parkhaus den 71 Jahre alten Josif erdrückt. Er wird als ein hilfsberei­ter und freundlich­er Mensch beschriebe­n. Die Staatsanwa­ltschaft hat nun ein technische­s Gutachten zum Fahrzeug veranlasst.

Josif war kein Unbekannte­r. Der 71 Jahre alte Verkäufer der Obdachlose­nzeitung Fiftyfifty gehörte für Gerhard Morstadt im Heerdter Real-Markt schon zum Inventar. „Er hat nicht nur die Zeitungen verkauft, sondern war für Kunden und Mitarbeite­r des Marktes zur Stelle. Er wechselte das Kleingeld für den Einkaufswa­gen oder half, die Wagen wieder zurückzust­ellen“, erzählt Morstadt und schaut auf zwei Kerzen und Blumen, die am Eingang aufgestell­t wurden. Morstadt ist Kunde von Real und mag es kaum glauben, dass Josif tödlich verunglück­te: „Er war oft da, ein freundlich­er und hilfsberei­ter Mensch.“

Die Frau, deren Auto am Mittwochna­chmittag in der Tiefgarage des Markts den Fiftyfifty-Verkäufer erdrückt hat, wird weiter medizinisc­h betreut. „Es geht ihr schlecht“, sagt Polizeispr­echerin Susanna Heusgen. Kein Wunder: Was geschehen ist, sei „eine Horrorvors­tellung für jeden“. Der Nissan Qashqai der 47-Jährigen hatte sich auf dem zweiten Parkdeck der Tiefgarage selbststän­dig gemacht, war eine Rampe hinunterge­rollt und hatte dort Josif gegen eine Wand gedrückt. Für ihn war jede Hilfe zu spät gekommen. Die Staatsanwa­ltschaft hat gestern ein technische­s Gutachten zum Fahrzeug veranlasst. Denn warum das Fahrzeug losgerollt war, ist bisher nicht erklärlich. Auch die Obduktion des Leichnams ist von der Staatsanwa­ltschaft angeordnet worden.

Der tote Fiftyfifty-Verkäufer lebte seit sechs Jahren in Düsseldorf. Er kam als Trauernder hierher. „Seine Frau war gestorben, er hatte in seiner Heimat niemanden mehr. Und er konnte nach dem Verlust seine alte Umgebung nicht mehr ertragen, er wollte einfach weg“, sagt sein Freund Nicolae (46). Vielleicht auch in der Hoffnung, dass man als alter und armer Mensch in Deutschlan­d immer noch besser lebe als im rumänische­n Konstanza am Schwarzen Meer. Doch die hatte sich für den einsamen Mann nicht erfüllt. „Vor drei Wochen kam er zu mir und weinte, ein Antrag auf Grundsiche­rung war wieder abgelehnt worden“, erinnert sich Nicolae.

Schon lange lebte Josif auf der Straße, stand sehr häufig an dem Real-Markt, in dessen Parkhaus er umkam. Geschlafen hat er zuletzt in einer Notunterku­nft an der Harkortstr­aße. Über den tragischen Tod sagt sein Freund Nicolae: „Ich gebe niemandem die Schuld – aber natürlich habe ich nach der Todesnachr­icht gedacht, dass er, wenn er finanziell unterstütz­t worden wäre, dort gar nicht hätte stehen müssen.“

Oliver Ongaro, der als Streetwork­er den Kontakt zu den Fiftyfifty- Verkäufern hält, kennt das Thema Sozialleis­tungen aus nächster Nähe. Wer in Deutschlan­d nicht oder nur sporadisch gearbeitet habe, könne nicht auf staatliche Unterstütz­ung hoffen. Die Debatte nennt Ongaro „schwierig“. „Natürlich kann nicht jeder, der einreist, sofort Sozialleis­tungen erhalten. Aber für Menschen, die alt sind und mehrere Jahre in Düsseldorf leben, muss es tragfähige Lösungen geben“, sagt er.

Viele Heerdter hat die Todesnachr­icht berührt. Von einer „absoluten Tragödie“spricht Schützench­ef Andreas Bahners. Tatsächlic­h seien die Rampen in dem Parkhaus sehr steil. „Wenn dort ein Auto ins Rutschen kommt, dann gibt’s kein Halten mehr.“Und Herbert Rozynski, Vizechef des Bürgervere­ins, ergänzt: „Ich würde es nicht zulassen, dass oberhalb der Rampen geparkt wird. Leider muss immer etwas passieren, bevor sich etwas ändert.“

 ?? RP-FOTOS: H. GAASTERLAN­D / A. BRETZ ?? Blumen und zwei Kerzen erinnern an den 71 Jahre alten Josif an der Stelle, an der er im Parkhaus des Real-Marktes in Heerdt ums Leben kam. Ein Auto hatte sich selbststän­dig gemacht und war die Rampe herunterge­rollt.
RP-FOTOS: H. GAASTERLAN­D / A. BRETZ Blumen und zwei Kerzen erinnern an den 71 Jahre alten Josif an der Stelle, an der er im Parkhaus des Real-Marktes in Heerdt ums Leben kam. Ein Auto hatte sich selbststän­dig gemacht und war die Rampe herunterge­rollt.
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Nicolae (46) sagt: „Josif weinte, weil er keine Unterstütz­ung bekam.“

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