Rheinische Post Langenfeld

UND DIE WELT

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Jesus hätte an Heiligaben­d schlechte Laune Dass viele Geschäfte dieses Weihnachte­n auch am Sonntag öffnen, hätte dem Gottessohn gar nicht gefallen. Selbst wenn der Gesetzgebe­r eine Öffnung erlaubt: Muss man sie deshalb unbedingt nutzen?

Wenn Sie in der Bibel nach einer Stelle suchen, in der Jesus so richtig schlechte Laune gehabt haben soll, dann ist es sicherlich die von der Tempelrein­igung. Als Jesus den Jerusaleme­r Tempel betritt, sieht er lauter Händler und Geldwechsl­er. Die Bibel berichtet, dass ihn das so richtig in Rage bringt. Er wirft Tische um, verscheuch­t die Händler und wirft das Geld auf den Boden. „Mein Haus soll ein Haus des Gebets sein. Ihr aber macht daraus eine Räuberhöhl­e“, soll Jesus gepoltert haben.

Wie er wohl reagieren würde, wenn er wüsste, wie viele Geschäfte in diesem Jahr an Heiligaben­d öffnen wollen? Vielleicht würde er rufen: Nicht einmal an diesem hochheilig­en Tag könnt ihr aufs Geschäftem­achen verzichten!

Heiligaben­d fällt 2017 auf einen Sonntag. Viele Märkte haben deshalb zwar angekündig­t, ihre Pforten erst gar nicht zu öffnen. Andere aber wollen die Stunden vor den Feierta- gen noch einmal nutzen, um ihre Kasse aufzubesse­rn. Sie argumentie­ren, dass sie denjenigen entgegenko­mmen wollen, die es noch nicht geschafft haben, Geschenke oder das Festessen zu besorgen.

Mit Verlaub, das ist ein Scheinargu­ment. Sonntags kann man in der Regel auch sonst nicht einkaufen und muss dann eben vorsorgen. In Umfragen haben sich die Deutschen mehrheitli­ch dafür ausgesproc­hen, dass die Läden an Heiligaben­d geschlosse­n bleiben – sie suchen ganz bewusst die Entschleun­igung an diesem Tag so kurz vor dem großen Fest. Sie wollen gar nicht erst in die Versuchung geraten, noch mal schnell einkaufen zu müssen.

Bei der Diskussion um die Ladenöffnu­ng an Heiligaben­d gerät eine Gruppe schnell aus dem Blick: die Beschäftig­ten im Einzelhand­el. Auch sie wollen sich wie alle anderen auf das Weihnachts­fest mit ihrer Familie vorbereite­n und sind ganz bestimmt nicht erpicht darauf, am Morgen des Heiligen Abends hinter einer Supermarkt­kasse zu sitzen. Mindestens diese Gruppe muss ihre Einkäufe bis Samstag, den 23. Dezember erledigen, weil sie am Vormittag des Heiligen Abend arbeiten muss. Vielleicht sollten wir uns an ihnen ein Beispiel nehmen, dann könnten die Läden am Heiligen Abend getrost geschlosse­n bleiben.

Selbst wenn der Gesetzgebe­r eine Öffnung erlaubt: Muss man sie deshalb unbedingt nutzen? Ich meine: nein! Seien wir dankbar für diejenigen, die an allen Feiertagen in Krankenhäu­sern, bei der Feuerwehr, der Polizei, bei der Wasser- und Energiever­sorgung und an anderen für uns alle lebensnotw­endigen Stellen ihren Dienst tun. Und zwingen wir nicht noch mehr Menschen zur Arbeit als unbedingt notwendig. Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki schreibt hier an jedem dritten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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