Der Pudel und der Tennisstar
Trotz des Ausscheidens beim Saisonfinale in London kann Alexander Zverev auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken. Mit ihm hielt auch sein Hund Lövik Einzug in die Weltspitze. Der ist immer dabei und eine wichtige mentale Stütze.
DÜSSELDORF/LONDON Den Frust von London will Alexander Zverev bei der Hochzeitsparty seines Bruders Mischa (30) auf den Malediven hinter sich lassen. „Ich werde jetzt zwei Wochen Urlaub machen, feiern und irgendwann drüber hinwegkommen. Dann ist das vergessen“, sagte der 20-Jährige nach einem enttäuschenden Ende seiner Traumsaison. Das 4:6, 6:1, 4:6 gegen Jack Sock (USA) und damit das Verpassen des Halbfinales kommentierte er, der früher schon mal zu patzigen Antworten neigte, selbstkritisch: „Die Nerven kamen mir ins Gehege. Ich habe es vermasselt. Das hatte nichts mit Tennis zu tun, sondern nur mit mir und meinem Kopf.“
Lob gab es von Superstar Roger Federer (Schweiz). „Er wird viel mitnehmen und noch stärker werden“, sagte der 36-Jährige. Er bescheinigte dem Hamburger, das „volle Paket“zu haben, das man für die großen Erfolge braucht. Der Weltranglisten-Dritte war als Mitfavorit zum Saisonfinale noch London gekommen. Nur Federer (sieben Siege) und Rafael Nadal (Spanien/sechs) haben mehr Turniere in diesem Jahr gewonnen. Doch seit dem Sommer lief es nicht mehr so rund.
Am 6. August hatte der Hamburger das Finale von Washington gewonnen. Nach seinem bislang letzten Turniersieg hatte er das Mikro genommen und sich an die gewandt, die seiner Meinung nach zum Titelgewinn beigetragen hatten: Seine Mutter, sein Vater – und sein Hund. „Er ist ein wichtiger Teil in unserem Leben“, erklärte Zverev dem begeisterten Publikum.
Wie wichtig Lövik tatsächlich ist, wird schon allein an dessen öffentlicher Präsenz deutlich. Kaum ein Turnier, nicht einmal ein öffentli-
Buddha, das verraten die einschlägigen Nachschlagewerke, ist „der Erwachte, ein Wesen, das aus eigener Kraft Vollkommenheit erreicht und die grenzenlose Entfaltung aller in ihm vorhandenen Potenziale erreicht hat“. Dem Erwachten wird eine ausgeprägte Ruhe bescheinigt und ein leises Mitgefühl für all jene, die noch nicht so weit sind. Er ruht in sich selbst.
Vielleicht ist Joachim Löw nicht Buddha. Aber Zweifel sind erlaubt, ob der Fußball-Bundestrainer noch so richtig unter uns ist. Mit einem verzeihenden Lächeln bedenkt er die Bangen und Verzagten, die von ches Training Zverevs geht mittlerweile vorbei, ohne dass sich die Kameras nicht auch auf den Pudel richten. Bei „Tennis TV“, einem Streamingsender, verpasste ihm die Regie sogar eine eigene Bauchbinde. „Lövik Zverev – Familienhund“stand da geschrieben.
Während der Pudel augenscheinlich ausnahmslos beliebt ist, fliegen Zverev, anders als anderen deutschen Profis, die ähnlich erfolgreich waren, keine ungeteilten Sympathien zu. Das Auftreten des 20-Jährigen wirkte in den Augen vieler Beobachter arrogant, wenngleich er in den zurückliegenden Wochen an seinem Image gearbeitet hat und in irdischer Unsicherheit geplagt sind und voller Bedenken zur WM 2018 schauen, nur weil die Franzosen am Dienstag in Köln mal ein paar Tricks gezeigt haben, die Niklas Süle und Emre Can noch nicht kannten. „Ich mache mir keine Sorgen“, sagt Löw. Und es ist, als ob jemand irgendwo ein goldenes Glöckchen schaukelt. Es ist ein Wunder, dass der oberste Fußball-Übungsleiter anschließend noch aufstehen kann – so entspannt verharrt er im Hier und Jetzt. Wenn seine Gesprächsrunden mit den Spielern ähnlich verlaufen, wovon die aktuelle Löw-Forschung ausgeht, ist der Weg zur angstfreien Ge- London mit seiner Enttäuschung souverän umging.
In Deutschland dürfte es ihm vielleicht auch deshalb schwerfallen, an seiner Beliebtheit zu arbeiten, weil er kaum Verbindungen nach dort aufbaut: Wird er auf dem Platz laut, flucht er gerne auf Russisch, der Muttersprache seiner Eltern. Seinen Wohnsitz hat Zverev in Monaco. Im Sommer dieses Jahres verzichtete er auch noch auf einen Start beim ATP-Turnier in Hamburg, um sich auf Turniere im Ausland vorzubereiten; seine Zusage, am Relegationsspiel im Davis Cup in Portugal teilzunehmen, nahm er auf Anraten seines Betreuerstabes sellschaft in der DFB-Abteilung Titelverteidigung nicht mehr weit.
Von wegen „dieser Weg wird kein leichter sein“, wie Xavier Naidoo als musikalischer Adjutant der WM 2006 trällerte. Derartige Ebenen hat Löw längst verlassen. Damals war er ja noch Assistent von Jürgen Klinsmann, dem in späteren Jahren allerdings ebenfalls eine gewisse Nähe zu Buddha oder zumindest jenen Produkten nachgesagt werden kann, die im Möbelhaus zu erwerben sind.
Vielleicht hat er den großen Jogi ein wenig zu wörtlich ausgelegt, als er Buddha-Figuren in die SpielerLounge der Bayern schleppen ließ. zurück – keine guten Voraussetzungen, es in seinem Heimatland zum Publikumsliebling zu bringen.
Ganz oben in der Gunst steht Zverev dagegen bei seinem Pudel. „Lövik kommt jeden Morgen als erstes zu ihm, zu Sascha, und küsst ihn für zehn, fünfzehn Minuten, nonstop“, sagte Zverevs Mutter in einem Interview. Alexander erklärte den Pudel sogar bereits zu einer Art MentalDoktor: „Es ist wundervoll, ihn zu haben. Wenn ich einen schweren Tag hatte, ist er immer noch glücklich, mich zu sehen. Für TennisSpieler ist es schwer, Ablenkung zu finden. Lövik hilft mir in dieser Hinsicht und verleiht mir positive Energie“, sagte er dem niederländischen „Tennis Magazine“. Sogar in Trainingspausen sieht man Zverev, wie er seinen Hund in den Arm nimmt.
Die Tennisprofi-Hunde-Freundschaft geht sogar so weit, dass Lövik bei Turnieren seine eigenen Akkreditierungen bekommt. Und auch in London musste sichergestellt sein, dass Lövik an der Seite seines Herrchens sein kann. Kurzerhand ließen die Zverevs ihn für das Turnier akkreditieren. Und siehe da: Auf Twitter tauchte ein Foto auf, dass die Akkreditierung zeigt – mitsamt Foto des Pudels und seinem vollen Namen: „Lövik Zverev“.
Buddha am Spielfeldrand Viele Trainer haben sich schon daran versucht, über den Dingen zu stehen. Nur einem ist es offenbar gelungen.
Über solch alltäglichen Mumpitz ist Löw längst hinaus. Er ist ein lebendes Beispiel dafür, was Tiefenentspannung und Titel (oder umgekehrt) anrichten können – im positiven Sinn, versteht sich.
Trotzdem wird er spätestens im nächsten Frühjahr wieder anfangen, seinen Mitmenschen von den bevorstehenden übermenschlichen Anstrengungen zu predigen. Und voller Weisheit wird er verkünden, dass „die großen Spiele in den Kleinigkeiten entschieden werden“. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de