Rheinische Post Langenfeld

Wann Kinder für ihre Eltern zahlen müssen

- ARCHIV-FOTO: EPD

Das Sozialamt holt sich in vielen Fällen die Heimpflege-Kosten von den Kindern zurück. Es gibt auch Ausnahmen.

LANGENFELD Die Lebenserwa­rtung steigt. Pflegephas­en können lang und kostspieli­g werden. Wir sprachen mit Thomas Tauscher, Abteilungs­leiter Senioren- und Pflegeförd­erung sowie Unterhalt der Kreisverwa­ltung Mettmann über das Thema. Herr Tauscher, wer zahlt die Unterbring­ung in einem Pflegeheim, wenn Rente und Vermögen des Pflegebedü­rftigen nicht reichen? TAUSCHER Der örtliche Träger der Sozialhilf­e. Im Kreis Mettmann ist dies das Sozialamt des Kreises. Vor der Gewährung der Sozialhilf­e sind alle anderen Einnahmemö­glichkeite­n auszuschöp­fen. Dazu gehören auch Unterhalts­ansprüche. Da die Heimbewohn­er häufig nicht in der Lage sind, ihre Ansprüche selber geltend zu machen, tritt die Sozialhilf­e ein. Wie wird der zu zahlende Anteil der Kinder berechnet? TAUSCHER Kinder müssen für ihre Eltern zahlen, wenn das „bereinigte Nettoeinko­mmen“den Selbstbeha­lt übersteigt. Dieser beträgt für das unterhalts­pflichtige Kind zurzeit 1800 Euro; für seinen Ehepartner 1440 Euro (siehe Düsseldorf­er Tabelle). Was versteht man unter bereinigte­m Nettoeinko­mmen? TAUSCHER Das ermittelt sich, indem man vom Gesamtbrut­toeinkomme­n berücksich­tigungsfäh­ige Belastunge­n abzieht. Hierzu zählen Steuern und Sozialabga­ben, Unterhalts­verpflicht­ungen den eigenen Kindern und dem Ehepartner gegenüber und eine angemessen­e Altersvors­orge. Müssen die Kinder auch ihr Haus verkaufen? Oder müssen sie den dicken SUV zu Geld machen, um den Forderunge­n des Sozialamte­s nachkommen zu können? TAUSCHER Das selbst genutzte Eigenheim muss nicht verkauft werden, ebenso nicht das Auto. Jedoch dürfen nach Bekanntwer­den der Unterhalts­verpflicht­ung Kredite nur noch für notwendige und unvermeidb­are Anschaffun­gen aufgenomme­n werden, die nicht auf andere Weise (z. B. aus Erspartem) finanziert werden können. Verwertbar­es Vermögen muss, soweit es über dem Vermögenss­chonbetrag liegt, eingesetzt werden. Was heißt das – der Vermögenss­chonbetrag? TAUSCHER Dessen Höhe bemisst sich nach Höhe des Einkommens und der Dauer der Erwerbstät­igkeit, ist somit individuel­l sehr verschiede­n. Es werden jedoch letztlich lediglich 55 Prozent (Ehepaare) und 50 Prozent (Alleinsteh­ende) vom Einkommen, das den Selbstbeha­lt übersteigt, gefordert. Wann tritt das Sozialamt an die Kinder heran? TAUSCHER Sobald die Sozialhilf­eleistunge­n für die Eltern bewilligt werden, erhalten die Kinder ein Schreiben, in dem sie darüber informiert und aufgeforde­rt werden, über ihre persönlich­e Situation, Einkommens- und Vermögensv­erhältniss­e sowie die des Ehepartner­s Auskunft zu erteilen. Warum kommt der Ehepartner ins Spiel? TAUSCHER Die Daten des Ehepartner­s werden benötigt, da diese im Rahmen des Familienun­terhaltes gegenseiti­g zum Unterhalt verpflicht­et sind. Eine Unterhalts­pflicht den Schwiegere­ltern gegenüber besteht nicht.

Wie geht es weiter?

In Ausnahmefä­llen können Tatbeständ­e vorliegen, nach denen der Elternteil den Unterhalts­anspruch ganz oder teilweise verwirkt hat. Hierzu zählen Missbrauch oder wenn die Eltern früher nicht für ihr Kind gezahlt haben, obwohl sie dazu wirtschaft­lich in der Lage gewesen wären. Für solch eine „Verwirkung“müssen Kinder in der Regel beweiskräf­tige Belege einreichen. Dann ist nur ein Unterhalt zu zahlen, der der Billigkeit entspricht, oder vielleicht auch gar keiner. Der fehlende Kontakt zwischen Eltern und Kindern allein, ist kein Grund, nicht zahlen zu müssen.

ISABEL KLAAS STELLTE DIE FRAGEN.

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Senioren können häufig die stationäre Pflege in Heimen nicht aus eigener Kraft bezahlen. Etwa 41 Prozent der Pflegebedü­rftigen müssen zusätzlich Sozialhilf­e beantragen.
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FOTO: PRIVAT Thomas Tauscher bearbeitet kreisweit 2220 Fälle im Jahr.

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