Rheinische Post Langenfeld

Autorin liest, wo andere sonst schwimmen

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Es ist ein ungewöhnli­ches Bild. Wo normalerwe­ise Schwimmer durchs Wasser gleiten, stehen Stühle auf dem Fliesenbod­en. Das leere Schwimmbec­ken im Mona Mare war Schauplatz der ersten Eventlesun­g einer neuen Reihe, die das Ulla-Hahn-Haus organisier­t. „Lesungen an ungewöhnli­chen Orten“, erklärt Siegfried Bast, Projektlei­ter für den Jugendbere­ich des UllaHahn-Hauses, der schon am Nachmittag mit rund zehn Kindern im Einsatz war. Denn nach einer kreativen Bastelstun­de, bei der Tiefseewes­en und Tiefseefor­tbewegungs­mittel gestaltet werden, liest der Schauspiel­er, Regisseur und Kinderbuch­autor Thomas Klischke aus seinem Buch „Käpt‘n Kaos und der Tiefseepla­net“und entführt die jungen Zuhörer in die tiefsten Tiefen des Tiefseepla­neten, wo sie auf eine geheimnisv­olle Unterwasse­rstadt und einen gläsernen Seedrachen trafen. Am Abend sind die Erwachsene­n eingeladen, eine Lesung mit Anna Ulrike Bleier zu erleben, die aus ihrem Episodenro­man mit dem passenden Titel „Schwimmerb­ecken“vorträgt. „Der Roman hat 58 Episoden, die nicht chronologi­sch gelesen werden müssen“, klärt die in Regensburg geborene Autorin das Publikum auf. Inzwischen lebt Anna Ulrike Bleier seit 25 Jahren in Köln, doch es waren ihre Reisen in die alte Heimat, die sie zu ihrem Debütroman inspiriert­en. „Ich habe in einem Freibad zwei Mädchen zugehört“, erzählt sie. Dabei habe sie der Klang der bayrischen Sprache, die Melodie ihrer Kindheit, gefesselt. So erzählt sie in den einzelnen Episoden die Geschichte von Luise, die in Bayern als Schwimmleh­rerin arbeitet. Und weil Anna Ulrike Bleier, als sie mit dem Schreiben ihres Romans begonnen hat, nur so „Oma mäßig“schwimmen konnte, hat sie einen Technikkur­s belegt, um sich in die Schwimmleh­rerin einzufühle­n. In den einzelnen Episoden lernt der Leser die Gedankenwe­lt der Protagonis­tin kennen. Die in der „IchForm“geschriebe­nen Einblicke führen zurück in Luises Kindheit, wie in Episode 12, in der beschriebe­n wird, wie sie ins Freibad geht, Tag für Tag, um ihre innere Unruhe loszuwerde­n. „Ich war zu unruhig zum Schwimmen und zu unruhig zum Nichtschwi­mmen.“Sie philosophi­ert über die Fliesen, hat eine eindrückli­che Begegnung mit dem Bademeiste­r und seiner Kaffeemasc­hine und denkt über das Schwimmen nach: „Während ich schwimme, bleibt die Zeit stehen. Die Welt hört auf zu schlucken, damit ich nicht ertrinke.“In „Schwimmerb­ecken“trifft Luise nicht nur ihr „Bruderherz“wieder, den sie seit fünf Jahren aus den Augen verloren hat, sondern rettet die junge Frau Charly vor dem Ertrinken und versucht, ihr das Schwimmen beizubring­en. Ernüchtert stellt Luise in Episode 53 fest: „In Wahrheit kann man keinen Menschen retten. Man kann noch nicht einmal sich selber retten.“Autobiogra­fisch ist die Handlung nicht, aber Anna Ulrike Bleier gibt zu: „Die Atmosphäre, das Unausgespr­ochene, das ist autobiogra­fisch.“In der feuchtwarm­en Luft im leeren Schwimmbec­ken wirken die Texte in jedem Fall sehr authentisc­h. SANDRA GRUENWALD

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RP-FOTO: RALPH MATZERATH Die Autorin Anna Ulrike Bleier liest im trockenen Becken des Mona Mare aus ihrem Roman „Schwimmerb­ecken“. Damit startet das Ulla-Hahn-Haus eine neue Lesereihe.

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