Viele sind berufen, wenige sind auserwählt
Wohl dem, der sein Leben am Reißbrett geplant hat. Der junge Mensch aber schlägt Volten, er geht Umwege, verläuft sich. Neben der Karriereplanung steht in der Schulzeit auch die Pubertät auf dem Stundenplan. Wer Abiturienten rät, sie hätten auf das Medizinstudium hinarbeiten müssen, der übersieht, dass viele von ihnen nicht frühzeitig um ihre Begabungen wissen. Warum sollte Spätberufenen der Weg ins Studium also verwehrt bleiben, wenn sie sich fachlich eignen? Dass das Bundesverfassungsgericht auch andere Kompetenzen verlangt als eine gute Abiturnote, ist richtig: Ein guter Abiturient muss kein guter Arzt werden. Mediziner brauchen Empathie, und die fließt nicht mit in den Abischnitt ein.
Die Reform der Studienplatzvergabe ist überfällig, der Gesetzgeber hätte längst aktiv werden können. Jetzt hat er zwei Jahre lang Zeit, einen großen Wurf zu planen. Er wird vor allem eine Antwort auf die Frage finden müssen, wieso auf dem Land so viele Ärzte fehlen, obwohl mehr als 40.000 junge Menschen Mediziner werden möchten. Im Evangelium nach Matthäus heißt es: „Denn viele sind berufen, wenige sind auserwählt.“Das wird so bleiben, aber es wird endlich gerechter dabei zugehen. BERICHT NUMERUS CLAUSUS VERLIERT AN GEWICHT, TITELSEITE
Die Frage an Gedenktagen wichtiger Menschen ist ja oft: Welche Bedeutung hat sein Werk für uns heute? Die Antwort ist in aller Regel mau. Und sie ist es in dieser engen Fragestellung auch bei Heinrich Böll, dessen 100. Geburtstag bevorsteht. Bölls Werk und Bölls gesellschaftliches Engagement sind seiner Zeit verhaftet, sind oft unmittelbare Reaktionen auf vermeintliche Missstände. Doch es ist die Art seines Engagements, die uns lehrreich sein muss. Böll ist immer ein Moralist gewesen, und wer sich noch nicht in Zynismus geflüchtet hat, wird auch das Etikett des „guten Menschen aus Köln“nicht als Schimpfwort, sondern als Auszeichnung begreifen. Die Frage ist darum nicht, was sein Werk heute noch und möglichst konkret bewirken kann, sondern wie unsere Gesellschaft – in der sich Intellektuelle allzu gern dem „Meinungsdienst“entziehen – ohne Böll aussähe. Nach seinem Tod sagte Hans Magnus Enzensberger, dass wir Böll zwar verloren, doch dafür Amnesty und Greenpeace gewonnen hätten. Auch das sollten wir am 100. Geburtstag des Literaturnobelpreisträgers bedenken. BERICHT
SSo lehrreich ist Böll
Höchste Zeit bei Innogy
elten hat sich ein Konzern so abrupt von seinem Chef getrennt. Über den konkreten Anlass schweigt Innogy, womöglich spielen auch persönliche Gründe eine Rolle. Doch das Grundproblem war seit langem sichtbar: Peter Terium hatte keinen tragfähigen Plan für den Energiekonzern. Ursprünglich sollte Innogy, in das RWE seine Zukunftsgeschäfte abgespalten hat, die Wachstumslokomotive sein – und RWE nur eine Art „Bad Bank“für Kohlekraftwerke. Doch die Entwicklung lief gänzlich anders: An der Börse startete RWE unter Führung von Rolf Martin Schmitz durch, während Innogy unter Terium immer schwächer wurde. Der Niederländer hatte seine Verdienste als Controller, doch für die Führung eines Unternehmens braucht es mehr als Tingeln im Silicon Valley. Die Probleme im Stammgeschäft Stromverkauf wachsen, im wichtigen Netzgeschäft fallen die Renditen, das Ökostromgeschäft ist zu klein und zu spät gestartet. Nach einer Gewinnwarnung zog Aufsichtsratschef Brandt die Reißleine. Gut so. Bei Innogy muss mehr gehandelt und weniger geredet werden. BERICHT