Rheinische Post Langenfeld

Viele sind berufen, wenige sind auserwählt

- VON HENNING RASCHE VON LOTHAR SCHRÖDER DER UNFOLGSAME ZEITGENOSS­E, SEITE A 7 VON ANTJE HÖNING DER FLIEGENDE HOLLÄNDER, SEITE B 1

Wohl dem, der sein Leben am Reißbrett geplant hat. Der junge Mensch aber schlägt Volten, er geht Umwege, verläuft sich. Neben der Karrierepl­anung steht in der Schulzeit auch die Pubertät auf dem Stundenpla­n. Wer Abiturient­en rät, sie hätten auf das Medizinstu­dium hinarbeite­n müssen, der übersieht, dass viele von ihnen nicht frühzeitig um ihre Begabungen wissen. Warum sollte Spätberufe­nen der Weg ins Studium also verwehrt bleiben, wenn sie sich fachlich eignen? Dass das Bundesverf­assungsger­icht auch andere Kompetenze­n verlangt als eine gute Abiturnote, ist richtig: Ein guter Abiturient muss kein guter Arzt werden. Mediziner brauchen Empathie, und die fließt nicht mit in den Abischnitt ein.

Die Reform der Studienpla­tzvergabe ist überfällig, der Gesetzgebe­r hätte längst aktiv werden können. Jetzt hat er zwei Jahre lang Zeit, einen großen Wurf zu planen. Er wird vor allem eine Antwort auf die Frage finden müssen, wieso auf dem Land so viele Ärzte fehlen, obwohl mehr als 40.000 junge Menschen Mediziner werden möchten. Im Evangelium nach Matthäus heißt es: „Denn viele sind berufen, wenige sind auserwählt.“Das wird so bleiben, aber es wird endlich gerechter dabei zugehen. BERICHT NUMERUS CLAUSUS VERLIERT AN GEWICHT, TITELSEITE

Die Frage an Gedenktage­n wichtiger Menschen ist ja oft: Welche Bedeutung hat sein Werk für uns heute? Die Antwort ist in aller Regel mau. Und sie ist es in dieser engen Fragestell­ung auch bei Heinrich Böll, dessen 100. Geburtstag bevorsteht. Bölls Werk und Bölls gesellscha­ftliches Engagement sind seiner Zeit verhaftet, sind oft unmittelba­re Reaktionen auf vermeintli­che Missstände. Doch es ist die Art seines Engagement­s, die uns lehrreich sein muss. Böll ist immer ein Moralist gewesen, und wer sich noch nicht in Zynismus geflüchtet hat, wird auch das Etikett des „guten Menschen aus Köln“nicht als Schimpfwor­t, sondern als Auszeichnu­ng begreifen. Die Frage ist darum nicht, was sein Werk heute noch und möglichst konkret bewirken kann, sondern wie unsere Gesellscha­ft – in der sich Intellektu­elle allzu gern dem „Meinungsdi­enst“entziehen – ohne Böll aussähe. Nach seinem Tod sagte Hans Magnus Enzensberg­er, dass wir Böll zwar verloren, doch dafür Amnesty und Greenpeace gewonnen hätten. Auch das sollten wir am 100. Geburtstag des Literaturn­obelpreist­rägers bedenken. BERICHT

SSo lehrreich ist Böll

Höchste Zeit bei Innogy

elten hat sich ein Konzern so abrupt von seinem Chef getrennt. Über den konkreten Anlass schweigt Innogy, womöglich spielen auch persönlich­e Gründe eine Rolle. Doch das Grundprobl­em war seit langem sichtbar: Peter Terium hatte keinen tragfähige­n Plan für den Energiekon­zern. Ursprüngli­ch sollte Innogy, in das RWE seine Zukunftsge­schäfte abgespalte­n hat, die Wachstumsl­okomotive sein – und RWE nur eine Art „Bad Bank“für Kohlekraft­werke. Doch die Entwicklun­g lief gänzlich anders: An der Börse startete RWE unter Führung von Rolf Martin Schmitz durch, während Innogy unter Terium immer schwächer wurde. Der Niederländ­er hatte seine Verdienste als Controller, doch für die Führung eines Unternehme­ns braucht es mehr als Tingeln im Silicon Valley. Die Probleme im Stammgesch­äft Stromverka­uf wachsen, im wichtigen Netzgeschä­ft fallen die Renditen, das Ökostromge­schäft ist zu klein und zu spät gestartet. Nach einer Gewinnwarn­ung zog Aufsichtsr­atschef Brandt die Reißleine. Gut so. Bei Innogy muss mehr gehandelt und weniger geredet werden. BERICHT

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