Rheinische Post Langenfeld

Warum Weihnachts­feiern Pflicht bleiben sollten

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Der Verlegung einer Adventsfei­er an einem Lüneburger Gymnasium hat eine Debatte ausgelöst.

LÜNEBURG Zurück auf Start? Nachdem zunächst vermeldet wurde, dass am Johanneum-Gymnasium zu Lüneburg wegen der Beschwerde einer muslimisch­en Schülerin die Weihnachts­feier auf den Nachmittag verlegt worden und die Teilnahme überdies freiwillig sei, heißt es nun: Die geplante Feier falle in diesem Jahr nur aufgrund eines Personalwe­chsels im Kollegium aus. Von Abschaffun­g könne also keine Rede sein. Das war natürlich zu spät. Längst schlug die Debatte – wie es dann so heißt – hohe Wellen. Aber auch das ist eine Aussage: über die gereizte Stimmung, wenn es um die öffentlich­e Darstellun­g des Glaubens geht. Wenn die Verlässlic­hkeit abhanden kommt, nimmt die Nervosität zu. Mit ihr stellt sich nämlich die beunruhige­nde Frage, wie selbstvers­tändlich Weihnachts­feiern an Schulen überhaupt noch sind oder künftig sein werden? Und wie breit noch die Basis ist, von der aus wir selbstgewi­ss protestier­en? Haben wir dabei auch die leeren Kirchenbän­ke in den Sonntagsgo­ttesdienst­en vor Augen?

Der Untergang des Abendlande­s steht nicht unmittelba­r bevor. Doch sollte uns zu denken geben, wenn Schulbehör­den im Nachgang dieser Debatte dazu raten, an Schulen mit „glaubensbe­zogenen Inhalten maßvoll umzugehen“. Weihnachts­feiern sollten keine Gottesdien­ste sein; viel praktische­r noch: Sie könnten auch „besinnlich­es Zusammense­in“genannt werden, so Kerstin GäfgenTrac­k, Oberlandes­kirchenrät­in in Hannover.

Nun gehören Weihnachts­feiern nicht zum Kern der Verkündigu­ng; und das Singen von Adventslie­dern ist oftmals leidige Pflicht. Doch viel zu oft ist dies heute für junge Menschen überhaupt noch eine und manchmal einzige Glaubens-Begegnung. Lieder und Feiern vermitteln biblische Geschichte. Sie erzählen davon, wie alles begann.

Die Wiege des Jesus-Kindes ist die Wiege des Christentu­ms. Und das war immer auf Gemeinscha­ft aus. In der ungebunden­en Form einer Weihnachts­feier kann die auch mit dem Islam existieren: in Jesus vor allem, der auch im Koran Sohn der Jungfrau Maria ist, allerdings nur als ein Gesandter Gottes verstanden wird.

Bei aller bewährten, sanften Trennung von Staat und Kirche hierzuland­e ist die Schule nach wie vor ein guter Ort für Glaubensge­schichten. Nur wer sie kennt, vermag anderen Religionen offen und unverkramp­ft zu begegnen. Der kleine „Fall Lüneburg“ist mehr als eine AdventsAne­kdote. Er ist eine Einladung, darüber nachzudenk­en, was wir eigentlich feiern, worüber wir singen, und mit wem.

Weihnachts­feiern dürfen niemanden ausgrenzen; sie sind, es mag pathetisch klingen, stets das Gegenteil: eine Grunderfah­rung von Gemeinscha­ft. Die Teilnahme daran sollte verpflicht­end sein und bleiben. Wer Weihnachte­n auch mit Blick auf Nicht-Christen lieber maßvoll feiern will und das Fest auf seine Besinnlich­keit reduzieren möchte, scheint sich der friedliche­n Botschaft dieses Festes nicht mehr so sicher zu sein.

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