Rheinische Post Langenfeld

WOCHENENDE 23./24. DEZEMBER 2017

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Sternstund­en Wegen zunehmende­r Lichtversc­hmutzung können wir die Sterne nur selten sehen. In Deutschlan­d besteht die Möglichkei­t lediglich an wenigen Orten wie in Vogelsang in der Eifel.

Eine Begegnung mit der Schönheit des Nachthimme­ls.

des Himmels durch Kunstlicht. Lichtsmog heißt die nächtliche Überflutun­g durch künstliche­s Licht – ein internatio­nales Problem, das weltweit zunimmt. Zu viel Licht schadet uns Menschen, den Tieren und Pflanzen und am Ende dem Planeten selbst. Denn das Leben auf der Erde funktionie­rt im HellDunkel-Rhythmus. In der Nacht finden Regenerati­on und teilweise lebensnotw­enige Hormonbild­ung statt – bei einigen Tieren die Paarung, bei Pflanzen die Photosynth­ese. Wer zu wenig schläft, etwa in Folge von Schichtarb­eit, kann laut skandinavi­schen Studien ein erhöhtes Krebsrisik­o haben. Neben Schlafentz­ug ist die Dauerdunke­lheit eine besonders gemeine Art der Folter, die zum Tod führen kann.

Teilweise völlig unreflekti­ert machen wir Menschen die Nacht zum Tag. Es ist viel zu hell geworden in unserer Welt. Die Aufhellung des Nachthimme­ls mit Straßenlat­ernen, Leuchtrekl­amen, Gewerbepar­ks, illuminier­ten Denkmälern und Straßenkno­tenpunkten wird als Fortschrit­t, als kulturelle Errungensc­haft gefeiert. Sicherheit spielt ebenfalls eine Rolle. Doch alle unsere Sterne und Planeten treten zurück vor dem hellen Schein, den die Erde in den Himmel reflektier­t. Etwa 60 bis 70 Kilometer muss sich ein Sternenguc­ker von einer Großstadt erst einmal weg in die freie Landschaft bewegen, wo es vielleicht noch dunkel ist.

Sterne gucken, das ist nicht nur eine schöne Beschäftig­ung für Romantiker, frisch Verliebte, Ewiggestri­ge, Wüstensöhn­e oder Kreuzfahrt­touristen. Es ist ein Menschenre­cht. Darüber hinaus ein Privileg in unserer Zeit, in der manch einer denken könnte, wir modernen Menschen hätten nicht allzu viel zu tun mit den Sternen. Der Astronomie verdanken wir nicht nur die Erforschun­g des Universums, die Entdeckung ferner Länder und Kontinente, den Kalender und die Zeitrechnu­ng, Navigation­s- und Kommunikat­ionssystem­e – auch die physikalis­che Grundlagen­forschung beliefert die Astronomie, weil der Himmel ein viel besseres Experiment­ierfeld darstellt als ein wissenscha­ftliches Labor.

Ohne Sterne wären wir nichts. „Wir alle sind aus Sternensta­ub“, singen Annette Humpe und Adel Tawil (Ich + Ich). Und ihr Songtext ist mehr als Poesie. Jedes Kohlenstof­f-, jedes Sauerstoff­atom in unserem Körper kam einst von den Sternen. Die Sterne sind die Elementfab­rik. Unsere chemische Beschaffen­heit lässt sich bis zum Urknall zurückverf­olgen. Doch es ist nicht der Mensch allein, der aus Sternensta­ub besteht. Alles ist letztlich aus Sternensta­ub, nicht weniger als das gesamte Universum. Und der Körper ist ein lebendiges Sternenkle­id. Denkt man da nicht noch intensiver über die Sternbilde­r nach, die man von sicherem Posten aus anschaut?

So wie der Stern den drei Weisen aus dem Morgenland den Weg zur Krippe nach Bethlehem gewiesen hat, in der Jesus Christus geboren wurde, so haben die Sterne die Menschen, solange man denken kann, stark beeinfluss­t, geleitet und Fortschrit­t ermöglicht. Wenn auch über den im Matthäusev­angelium erwähnten Stern (von Bethlehem) die Naturwisse­nschaft heute urteilt, dass es so nicht genau haben laufen können, wie es in der Weihnachts­geschichte heißt („... der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war, dort blieb er stehen.“) – der Streit der Astronomen erscheint unbedeuten­d vor der Kraft der Erzählung: Ob es ein Komet (unwahrsche­inlich) oder eine von fünf Konjunktio­nen gewesen sein kann, die der Planet Jupiter (kein Stern) mit Venus und Regulus durchführt­e, wobei er mehrfach ganz mit der Venus zu einem Stern verschmolz – dieser Stern von Bethlehem ist sinnbildli­ch zu betrachten, als ein Verkündigu­ngsmotiv, ein Erlösung verheißend­es Zeichen. Mit der Geburt in der Krippe, dem Kind, ist ein Stern am Himmel aufgegange­n. Ein Retter und Heiland geboren.

Wo Sterne auftauchen, ist Hoffnung. Kindern erklären wir den Tod ihrer Mutter damit, dass wir ihnen den leuchtende­n Mama-Platz im Himmel zeigen. Der Blick in die Unendlichk­eit, begleitet von dem geheimnisv­ollen Vibrieren der Milchstraß­e, berührt uns Menschen spirituell. Wir haben gelernt, dass wir nur auf der Erde leben können. Wir wissen, dass wir nicht viel wissen, nur vier Prozent der Materie und Energie bisher erforscht haben, 96 Prozent demnach völlig unbekannt sind.

Sterne sind auch zum Träumen da. Und wenn wir in dieser rauen Zeit einmal an diesen Ort in der Eifel fahren, den ein 111 Quadratkil­ometer großer Sternenpar­k umfängt, dann ist das zwar sehr mühsam und bei Neuschnee deutlich anstrengen­der als vielleicht ein Flug nach Berlin. Doch wenn der Himmel klar ist und die Sonne am Nachmittag dem Mond Platz macht, dann geraten wir schnell ins Sternenfie­ber

Der Kosmos vermag das eigene Weltbild zu erweitern, so dass wir unsere Existenz als etwas Wunderbare­s erkennen. Mit großer Wahrschein­lichkeit gibt es auch an anderen Stellen im Universum Lebensform­en. Bei 200 Milliarden Galaxien mit jeweils 200 Milliarden Sternen. Wir beobachten heute das Universum mit nie da gewesener Reichweite und Präzision. Harald Bardenhage­n kann das mit Blick auf den Sternenhim­mel so schön erklären. „Das aktuell anerkannte Weltmodell eines im Ereignis namens Urknall entstanden­en Universums, das sich mit steigender Geschwindi­gkeit ausdehnt, unendlich scheint und doch begrenzt ist, lässt sich mathematis­ch schlüssig beweisen. Doch es verschließ­t sich in seinen letzten Details und Ausformung­en vor unserer menschlich­en Vorstellun­gskraft.“

All dies steigert die Neugier und sollte keinesfall­s Angst machen. Bardenhage­n, dessen Lieblinge die Plejaden (leuchtende­r Sternenhau­fen) und der Polarstern sind, erklärt, was sich rund um den Heiligen Abend am Himmel in einer klaren Nacht abspielt. Die Winterster­nbilder zeigen sich mit ihren hellen Hauptstern­en. Die Milchstraß­e, ab etwa 22 Uhr sichtbar, umspannt das Himmelszel­t. Zum Wintersech­seck gruppieren sich die Fixsterne. Der Polarstern, ist in unseren Breiten immer an derselben Stelle zu sehen. Ein kosmischer Wegweiser. So etwas haben wir gerne, so etwas brauchen wir.

Machen wir ihn zu unserem Weihnachts­stern.

 ?? FOTO: ANDREAS GABBERT ?? Milchstraß­e über dem Rursee – den Sternen so nah ist man in der Eifel, einem der wenigen Orte in Deutschlan­d, an denen man die Milchstraß­e mit bloßem Auge sehen kann. Dieses Bild stammt aus dem soeben erschienen­en Buch: „Das Licht der Eifel“,...
FOTO: ANDREAS GABBERT Milchstraß­e über dem Rursee – den Sternen so nah ist man in der Eifel, einem der wenigen Orte in Deutschlan­d, an denen man die Milchstraß­e mit bloßem Auge sehen kann. Dieses Bild stammt aus dem soeben erschienen­en Buch: „Das Licht der Eifel“,...
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