Das Sams bereitet sich auf Weihnachten vor
Rote Haare, Rüsselnase und blaue Punkte im Gesicht – das ist das Sams. Es trifft den schüchternen Herrn Taschenbier und macht ihn kurzerhand zu seinem Freund. Wir drucken das Kapitel „Weihnachtsvorbereitungen“aus „Das Sams feiert Weihnachten“.
Herr Taschenbier und das Sams saßen am Tisch in der Küchennische. Er schälte Pellkartoffeln, das Sams knackte Walnüsse und sang dabei: „Weil die Walnuss in den Salat muss, wird die Schale schnell entfernt, und die Walnuss ist entkernt!“„Mit vollem Mund singt man nicht!“, sagte Herr Taschenbier. „Außerdem sollte, bitte schön, höchstens jeder zehnte Walnusskern in deinem Mund landen und nicht wie jetzt jeder zweite.“
Das Sams ließ sich nicht beirren und sang weiter: „Den Walnusskern esse ich gern. Walnuss-ker-ne mag ich sehr, Walnussschalen we-ni-ger!“„Das geht mir genauso“, sagte Herr Taschenbier lachend. „Ich hoffe, dass keine Schalen in der Schüssel landen!“
Herr Taschenbier bereitete zusammen mit dem Sams den Weihnachtssalat vor.
„Es sind zwar noch zwei Tage bis zum Heiligen Abend“, sagte er dabei. „Wir machen aber heute schon den Weihnachtssalat, damit er an Weihnachten gut durchgezogen ist. Dann schmeckt er besser.“„Der Salat wird ungelogen allerbestens durchgezogen“, bestätigte das Sams.
„Seit ich ein Kind bin, gibt es am Weihnachtsabend immer den gleichen Salat“, erzählte Herr Taschenbier. „Sind da auch Würstchen drin?“, fragte das Sams.
„Drin nicht. Die gibt es aber dazu. Drin sind Äpfel, Nüsse, Rote Bete, Gürkchen und Kartoffeln. Alles schön klein geschnitten und gemischt. Mein Vater mochte es, wenn der Salat mit Mayonnaise angemacht war, meine Mutter nahm lieber Essig und Öl.
„Und wer hat gewonnen?“, fragte das Sams. „Keiner. Sie haben immer brav abgewechselt: Ein Weihnachten mit Mayonnaise, das nächste mit Essig und Öl. Als Kind durfte ich die Liste schreiben.“„Liste?“„In der stand, wie der Salat im letzten Jahr angemacht war.“„Ein guter Plan“, lobte das Sams. „Ehrlich gesagt, habe ich dabei manchmal geschummelt.“Herr Taschenbier wurde sogar ein wenig rot bei diesem späten Geständnis.
„Geschummelt? Wie denn?“, fragte das Sams.
„Die Mayonnaise war mir zu fett, deshalb habe ich E und Ö in die Liste eingetragen, obwohl eigentlich M an der Reihe war.“
„E und Ö? Essig und Öl! Das traut man dir gar nicht zu. Und deine Eltern haben nichts gemerkt?“
„Vielleicht schon. Aber sie haben es sich nicht anmerken lassen. Es waren gute Eltern.“
Herr Taschenbier hörte auf, Kartoffeln zu pellen. Er blickte ins Leere.
Das Sams fragte vorsichtig: „Du sagst: Es waren gute Eltern. Sind sie …“
„Ja, sie sind schon tot“, vollendete Herr Taschenbier den Satz.
„Bist du jetzt traurig?“, fragte das Sams.
„Nein, nein. Es ist ja schon ganz lange her“, sagte er. „Komm, lass uns weitermachen!“Nachdem sie eine Weile Kartoffeln und Gürkchen klein geschnitten hatten, hörte Herr Taschenbier damit auf und legte das Messer beiseite.
„Du machst schon wieder so ein Nachdenk-Gesicht“, stellte das Sams fest.
„Das hast du gut erkannt“, gab Herr Taschenbier zu. „Ich denke.“
„An die Geschenke?“, fragte das Sams.
„Nein. Auch wenn es sich reimt. Als ich ein Kind war, hatten wir immer viele Weihnachtsgäste“, erzählte Herr Taschenbier. „Die Stühle am Esszimmertisch haben gar nicht ausgereicht, wir mussten sämtliche Küchenstühle dazustellen.“„Wer war denn dabei?“„Meine Eltern, meine Großeltern, Onkel Florian, Tante Marga, und manchmal hatten wir auch unseren Nachbarn eingeladen, Herrn Dörrlein. Der ging allerdings allen ein bisschen auf die Nerven. Er kannte nämlich von allen Weihnachtsliedern sämtliche Strophen. Wir sangen meistens nur zwei, höchstens drei. Herr Dörrlein kannte oft sieben und sang tapfer allein weiter, Strophe um Strophe. Und alle mussten mit dem Essen warten, bis er mit allen durch war. Es war trotzdem immer lustig. Und jetzt überlege ich, wen ich am Weihnachtsabend einladen könnte.“„Mich natürlich“, sagte das Sams. „Dich muss ich nicht einladen, du Es treffen sich zwei Dinos.
Fragt der eine Dino: „Wenn wir tot sind, kommen wir dann in den Himmel ?“„Nein, du Blödmann“, antwortet der andere Dino, „ins
Museum.“ bist ja schon da!“
„Onkel Mon?“, schlug das Sams vor.
„Ja. Der hat schon zugesagt. Ich dachte sogar schon mal an Frau Rotkohl“, sagte Herr Taschenbier. „Ich kann sie ja mal fragen.“
„Aber nur, wenn sie mir nicht die ganzen Würstchen wegisst!“
„Die wird sowieso nicht kommen. Sie mag ja Weihnachten nicht.“
„Warum lädst du nicht diesen Onkel Florian und die Tante Marga ein?“
„Die sind viel zu weit weg. Onkel Florian ist Flughafen-Chef in Feuerland. Tante Marga hat einen Forscher geheiratet und leitet in Afrika eine Gorilla-Station.“
„Ich kann mir denken, weshalb du viele Weihnachtsgäste schön findest“, sagte das Sams. „So? Weshalb denn?“„Weil nämlich alle Geschenke für dich mitbringen.“
Herr Taschenbier lachte. „Nein, an Geschenke habe ich dabei nicht gedacht.“
„Du magst also viele Weihnachtsgäste!“Das Sams grinste. „Jetzt weiß ich, was ich dir zu Weihnachten schenken kann.“„Was denn?“„Weihnachtsgäste!“„Hast du etwa vor, irgendwelche beliebigen Menschen in der Stadt zu fragen, ob sie mit mir Weihnachten feiern möchten?“, fragte Herr Taschenbier.
Ihm schien der Gedanke nicht besonders gut zu gefallen. Obwohl er doch gerade noch von vielen Weihnachtsgästen geschwärmt hatte.
„Ich werde keine irgendwelche Beliebigen und erst recht keine unbeliebigen Irgendwelche fragen“, versicherte das Sams. „In der Stadt schon gar niemals nicht!“
„Nicht in der Stadt? Wo denn sonst? Auf dem Land?“Herr Taschenbier musste bei dem Gedanken lachen. „Nicht dass du am Ende einen Ochsen und einen Esel vorbeibringst!“
„Nein, auch keine barfüßigen Hirten“, versicherte das Sams.
„Wen denn dann?“, fragte Herr Taschenbier.
„Wer sagt denn, dass ich überhaupt jemanden vorbeibringe?“, fragte das Sams zurück. „Und jetzt stell nicht ständig neue Fragen, denn ich muss nachdenken und darf nicht unterbrochen werden.“ Nun schwiegen beide. Herr Taschenbier schälte weiter Kartoffeln und schnitt sie dann zu kleinen Würfeln. Schließlich fragte er: „Worüber musst du denn so angestrengt nachdenken?“
„Ich muss mich erst an ein Wort erinnern, und dann muss ich ausprobieren, ob das Wort auch wirklich wahrhaft wirkt“, sagte das Sams. Es überlegte: „Ich glaube, es war die Sams-Regel 414.“„Aha“, sagte Herr Taschenbier. „Vielleicht war es auch 456, wenn nicht sogar 198 oder 507!“
„Warum nicht 346 oder 105?“, fragte Herr Taschenbier lachend.
„Mach keine Witze!“, sagte das Sams. „Du bringst mich völlig durcheinander.“
„An welches Wort willst du dich denn erinnern?“, fragte Herr Taschenbier.
„Das kann ich nicht aussprechen, weil das Wort ja sonst sofort wirkt“, sagte das Sams. „Du darfst es nicht hören und nicht sehen. Ein SamsGeheimnis, verstehst du?“
„Nein, ich verstehe nichts“, sagte Herr Taschenbier. „Seit wann kann ich ein Wort sehen?“
„Das Wort nicht. Aber das, was nach dem Wort geschieht!“
„Aha“, machte Herr Taschenbier noch einmal.
Das Sams nickte ihm zu. „Jetzt ist mir das Wort endlich eingefallen! Ich geh mal aus dem Haus, ja? Und nicht entsetzlich entsetzt sein, wenn ich dann wegverschwunden bin!“
„Weg? Wieso? Wo gehst du hin?“, fragte Herr Taschenbier. „Willst du nicht dein Bärenfell anziehen? Es schneit draußen!“
„Da, wo ich hinwill, schneit es nie“, behauptete das Sams.
„Was heißt: Es schneit nie?“
Vom Sams kam keine Antwort. Es war schon aus der Tür gerannt. Vor dem Haus holte es erst tief Luft und rief dann: „Trofos!“, und noch einmal „Trofos!“
Herr Taschenbier, der den Vorhang beiseitegeschoben und heimlich aus dem Fenster geblickt hatte, konnte kaum glauben, was er sah. Gerade hatte das Sams noch im dichten Schneegestöber gestanden. Nun war es plötzlich verschwunden. Als hätte es sich einfach in Luft aufgelöst.