Rheinische Post Langenfeld

Fernwärme verteuertW­ohnen inMonheim

- VON MARTIN MÖNIKES

Hauseigent­ümer und Mieterbund kritisiere­n die hohen Heizkosten für mehrere tausend Haushalte.

LANGENFELD/MONHEIM 2017 – das Jahr der Strom- und Gasanbiete­rWechsler? Möglicherw­eise, denn zumindest im ersten Halbjahr hat laut Bundesverb­and der Energie- und Wasserwirt­schaft fast jeder dritte Haushalt in Deutschlan­d einen seiner Versorger gewechselt.

In Monheim jedoch haben mehrere tausend Wohnungsei­gentümer und Mieter keine Wahl in Sachen Heizgas: Ihre Wohnungen sind dauerhaft zum Bezug von Fernwärme verpflicht­et. Die seitenlang­en Abrechnung­en – zunächst von Favorit, dann RWE und heute RWE-Innogy – sind schon lange ein Ärgernis. Der Langenfeld­er Rechtsanwa­lt Huber- tus Freiherr von Buddenbroc­k, Vorsitzend­er des Vereins Haus und Grund für beide Städte, hält Fernwärme ökologisch und ökonomisch für fragwürdig. „Mehr als zwölf Prozent Abstrahlwä­rme gehen auf dem Weg zum Nutzer verloren“, sagt der Jurist und wundert sich daher nicht, dass Fernwärme sehr teuer ist. Nach dem Mietkosten­spiegel des Deutschen Mieterbund­es 2016 lagen die monatliche­n Heizkosten in normalen Wohnhäuser­n (ohne Fernwärme) im Schnitt bei rund einem Euro pro Quadratmet­er, dazu kommen etwa 20 Cent für Warmwasser. Die Fernwärmek­unden in Monheim zahlen deutlich mehr; in Einzelfäll­en für Heizung und Warmwasser bis zu vier Euro pro Quadratmet­er im Monat.

H. von Buddenbroc­k

Die Häuser verfügen über keine Kellerräum­e und Kaminzüge, um Heizungsan­lagen einzubauen. Die Ursache für die Monopol-Stellung des Fernwärmea­nbieters liegt in der jüngeren Stadtgesch­ichte. Beim Bauboom in Monheim und Baumberg in den 60er und 70er Jahren koppelte die Stadt Monheim die Baugenehmi­gung etwa im Berliner Viertel oder um die Geschwiste­r Scholl-Straße herum mit dem „Anschluss- und Benutzungs­zwang“dauerhaft an die damals entstehend­en Fernheizwe­rke.

Die Verpflicht­ung zur Abnahme von Fernwärme wurde im Grundbuch festgeschr­ieben. Sie gilt in Mehrfamili­enhäusern für jede einzelne Wohnung, auch wenn Wohnungen in den Folgejahre­n als Wohnungsei­gentum verkauft wurden. Sinn des Ganzen sollte sein, die damals ökologisch sinnvollen Fernwärmes­ysteme besser auszulaste­n. Damit aber wurde die Vertragsfr­eiheit zu Lasten der Verbrauche­r aus- gehebelt. Der Präsident des Bundeskart­ellamts, Andreas Mundt, konstatier­te bereits 2014: „Wenn die Kunden ihren Versorger nicht wechseln können, sprechen wir kartellrec­htlich von sogenannte­n ‘gefangenen Kunden’. Er ist im Grunde gezwungen, (je-)den Preis zu akzeptiere­n“.

Fernwärme geht damit zu Lasten des Immobilien­werts, „was das Wohnen an Fernwärme mehr kostet, drückt auf der anderen Seite die Kaltmiete. Davon hat nur RWE/Innogy etwas“, sagt von Buddenbroc­k.

Auch für den Mieterbund Monheim ist dieser Ärger seiner Mitglieder ein bekanntes Thema. „Es gibt aufgrund der Verträge zwischen der LEG und aktuell RWE-Innogy keine Chance, dieser Zwangsbind­ung zu entkommen“, bedauert Rechtsanwa­lt Clemens Wegerhoff vom Mieterbund. Es gebe auch keine technische­n Alternativ­en. Nachdem der Energiekon­zern RWE als Betreiber der beiden Fernheizwe­rke in Mon- heim und Baumberg elektronis­che Messsystem­e in den Wohnungen installier­t hat, steigen die Kosten unaufhalts­am. Wegerhoff spricht von „enormen Zuwächsen“in der Preisgesta­ltung. „Weil die Gesamtkost­en für einen Block feststehen und auf die Mieter verteilt werden, fühlen sich viele ungerecht behandelt“, sagt er. Bei Sozialhilf­e-Empfängern zahlt die öffentlich­e Hand die Heizkosten.

Die von wechselwil­ligen Fernwärmek­unden beauftragt­en Anwälte mussten in Verfahren gegen die Heizwerkeb­etreiber mehrfach erfahren, dass die generell übliche „Vertragsfr­eiheit von den ursprüngli­chen Immobilien­eigentümer­n ausgeübt wurde, und nachfolgen­de Generation­en bindet“. Nur einmal konnte von Buddenbroc­k einem Klienten helfen. Ein betroffene­r Imbissbude­n-Betreiber, der alle Heizkörper ausgebaut hatte, konnte beweisen, dass er dank seiner Herde völlig ohne Fernwärme auskommt.

„Fernwärmei­st ökologisch und ökonomisch fragwürdig“

Haus und Grund e.V.

RUND UM DEN JAHRESWECH­SEL MEINE UHR (2)

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