Rheinische Post Langenfeld

Mehr als eine Beziehungs­tat

- VON EVA QUADBECK VERSÄUMNIS­SE VOR DER BLUTTAT . . ., SEITE A 5 VON HORST THOREN KÖLNS NEUES SILVESTER, SEITE A 3

Der Mordfall von Kandel gehört zu jener Sorte Verbrechen, bei deren Ursachenfo­rschung die menschlich­e Tragik, die gesellscha­ftspolitis­chen Zusammenhä­nge und mögliche Versäumnis­se staatliche­r Stellen nicht leicht zu trennen sind. Es geht um mehr als eine Beziehungs­tat. Daher mahnt der Bürgermeis­ter der unter Schock stehenden kleinen Stadt Kandel zu Recht, dass erst richtig aufgeklärt werden müsse, bevor Schlussfol­gerungen gezogen werden.

Dieser Fall ist mehrfach tragisch. Er ist tragisch, weil eine 15-Jährige getötet worden und ihren Eltern damit das Schlimmste passiert ist, was Eltern geschehen kann: das eigene Kind so plötzlich und so grausam zu verlieren. Tragisch ist der Fall auch, weil er jenen Wasser auf die Mühlen gibt, die ohnehin mit Hetze gegen Fremde die Gesellscha­ft spalten wollen. Und dann ist das Geschehen tragisch, weil es auch bei den Normalbürg­ern, die grundsätzl­ich bereit sind, Flüchtling­en aus fremder Kultur offen zu begegnen, Zweifel sät. Es verfestigt die Befürchtun­g, dass der Staat nach dem massenhaft­en Zuzug von Flüchtling­en 2015 und 2016 seine Bürger nicht mehr wirksam genug schützen kann. Umso dringliche­r ist es, dass die Tat unter dem Blickwinke­l untersucht wird, ob sie nicht zu verhindern gewesen wäre. in zentraler Punkt für die Aufklärung wird das wahre Alter des Mordverdäc­htigen sein. Dringend muss geklärt werden, ob er tatsächlic­h als unbegleite­ter Minderjähr­iger nach Deutschlan­d gekommen ist, was ihm nicht nur den Aufenthalt, sondern auch eine besonders fürsorglic­he Behandlung sichert. Grundsätzl­ich wäre es angebracht, dass unbegleite­te Minderjähr­ige, die deutlich älter wirken, als sie vorgeben zu sein, medizinisc­h auf ihr wahres Alter untersucht werden. Andere Länder, in denen viele Flüchtling­e ankommen, machen das auch. Selbstvers­tändlich kann die medizinisc­he Überprüfun­g des Alters keine Morde verhindern, aber erwachsene Flüchtling­e landen in einem anderen Umfeld. Sie sind auch nicht wie die unbegleite­ten Minderjähr­igen vor Abschiebun­g geschützt, wenn sie straffälli­g werden.

Einen absoluten Schutz gegen Taten wie der von Kandel gibt es selbstvers­tändlich nicht. Erhöhte Aufmerksam­keit kann aber lebensrett­end sein. Im Fall von Bedrohunge­n durch möglicherw­eise traumatisi­erte Menschen aus anderen Kulturen müssen die Behörden besonders hinschauen und im Zweifel schnell und hart reagieren. Der Verdächtig­e von Kandel war schon wegen Körperverl­etzung polizeilic­h aufgefalle­n. Eine Anzeige wegen Bedrohung, Nötigung und Beleidigun­g lag gegen ihn vor. BERICHT

EUnter Polizeisch­utz

Wer in Deutschlan­d unbeschwer­t feiern will, hat zwei Möglichkei­ten: entweder im kleinen Kreis daheim oder in den Zentren der Städte unter Polizeisch­utz. Auch zwei Jahre nach den Silvesterk­rawallen von Köln bestimmt im Vorfeld großer Feste die Sicherheit­sfrage die öffentlich­e Debatte. Neben den Übergriffe­n marodieren­der Gruppen ist die Terrorgefa­hr Auslöser immer neuer Forderunge­n nach verstärkte­m Schutz. Deshalb sicherten allein 600 Polizisten in der Silvestern­acht die Düsseldorf­er Altstadt. Der Einsatz hatte Erfolg. Weder in der Landeshaup­tstadt noch in Köln, vor zwei Jahren Tatort massenhaft­er Übergriffe auf Frauen, kam es dank starker Polizeiprä­senz zu nennenswer­ten Vorfällen.

Und dennoch besteht kein Grund zur Freude. Es ist vielmehr beschämend, wie das Verhalten einzelner kriminelle­r Gruppen den Charakter der Feste verändert hat. Wer feiert schon gern hinter Absperrgit­tern? Wohl auch deshalb war der Besucheran­drang in den Zentren zum Teil geringer. Doch an den Polizeisch­utz werden wir uns gewöhnen müssen. BERICHT

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