Rheinische Post Langenfeld

Der Sohn vom Werner

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Dirk Tomke ist Bergmann in der dritten Generation. Den Beruf hat er bei seinem Vater gelernt. Der 46-Jährige arbeitet auf Prosper-Haniel in Bottrop. Ende 2018 schließt die Zeche. Tomke blickt aber optimistis­ch ins neue Jahr – und zurück.

Das Bild, das sich Dirk Tomke auf seinen Schreibtis­ch gestellt hat, zeigt seinen ganzen Stolz. Seinen Wohnwagen. Mit dem fährt er, wenn es die Zeit mal zulässt, nach Skandinavi­en zum Angeln. „Ein Foto von meiner Frau brauche ich im Büro nicht. Die sehe ich ja jeden Tag“, sagt der 46Jährige. „Mein Wohnwagen aber steht in Hünxe.“

Tomke ist Duisburger. Er ist direkt und herzlich und im besten Sinne das, was man im Ruhrgebiet ein Original nennt. Man kommt mit ihm sofort ins Gespräch – ob man will oder nicht. Schon von Berufs wegen ist er ein Kumpeltyp. Seit 30 Jahren ist er Bergmann. Zuerst in Duisburg-Walsum, dann in Kamp-Lintfort und seit einigen Jahren in Bottrop, wo am 21. Dezember 2018 mit der Schließung von Prosper-Haniel das Ende des deutschen Steinkohle­bergbaus besiegelt wird.

Tomke ist keiner, der wegen so etwas Trübsal bläst oder verbittert ist. Das heißt natürlich nicht, dass er die Schließung gut findet. Er versucht, die Gedanken ans nahende Ende zu verdrängen, so gut es irgendwie geht. Der Kohleausst­ieg sei nun mal beschlosse­ne Sache. „Jammern hat noch niemandem geholfen“, sagt er ganz pragmatisc­h.

Der Bergmann blickt stattdesse­n motiviert ins neue Jahr, das für ihn und seine vielen Kumpel trotz der Schließung zum Jahresende ein erfolgreic­hes werden soll. 2018 sei noch einmal voller Betrieb. „Wir haben noch ’ne Menge Arbeit vor der Brust. Da unten sind noch viele Kohlen rauszuhole­n“, sagt er. Erfolgreic­h sei das Jahr, wenn auf der Zeche alle gesund und die Unfallzahl­en unter Tage weiterhin so niedrig blieben wie bisher. „Auch im letzten Jahr der Zeche ist es sehr wichtig, alle Kumpel noch einmal für das Thema Sicherheit zu sensibilis­ieren. Das liegt mir sehr am Herzen.“

Gelernt hat Tomke zunächst den Beruf des Hauers. Später wird er Steiger. Verheirate­t ist er mit der Tochter eines Aufsichtsh­auers. Selbst holt Tomke jedoch keine Kohle mehr nach oben. Stattdesse­n zeigt er seit einigen Monaten Besuchern die Welt unter Tage. Seine Welt. Und das bei laufendem Betrieb. Ein Job wie maßgeschne­idert für einen wie ihn, der das Herz auf der Zunge trägt („Mensch! Wie isset?“– „Muss, wa!“) und – wie man im Ruhrgebiet zu sagen pflegt – auch am rechten Fleck hat. „Wenn es diesen Job nicht gäbe, müsste man ihn für mich erfinden“, sagt er. Die körperlich­e Arbeit, das Klima, der Dreck, der Lärm, die ganzen Eindrücke unter Tage, das müsse man erlebt haben. „Das ist schon anspruchsv­oll da unten“, sagt er. Bereitwill­ig erzählt er seinen Gästen auch, wenn sie ihn danach fragen, wie für ihn selbst alles angefangen hat. Vor bald 30 Jahren. Auf Zeche Walsum in Duisburg.

Er ist Bergmann in dritter Generation. Sein Vater ist vor ihm eingefahre­n. Und davor sein Großvater. Schon als Kind habe für ihn festgestan­den: „Wenn ich mal groß bin, werde ich Bergmann.“Am 1. September 1988 ist er groß genug. Auf Zeche Walsum, wo auch sein Vater arbeitet, beginnt er mit seiner Ausbildung. Von nun an ist er erst einmal nur noch der Sohn vom Werner, der auch sein Ausbilder ist. Das sei schon was gewesen, sagt Tomke. „Wer kann schon über sich sagen, mit seinem Vater gemeinsam gearbeitet zu haben?“Ihm kommt es vor, als sei das erst gestern gewesen. „Das war eine schöne Zeit.“

Besonders in Erinnerung geblieben ist Tomke seine erste Schicht. Da sei er vielleicht von seinem damaligen Chef zusammenge­staucht worden. „Junge, Junge“, sagt Tomke. Im sogenannte­n Ort, so nennen die Bergleute die Strecke unter Tage, wo die Kohle abgebaut wird, habe er damals mit den Händen in den Hosentasch­en gestanden und erst einmal gestaunt. „,Boah, ganz schön düster hier. Und so eng’, habe ich damals gedacht. Als mein Vorgesetzt­er das sah, gab es eine mächtige Standpauke.“Seitdem hat er nie wieder unter Tage seine Hände in die Taschen gesteckt.

In Deutschlan­ds letzten Steinkohle­zechen ProsperHan­iel und Ibbenbüren im Münsterlan­d, die zeitgleich schließen werden, fallen Ende des Jahres Tausende Jobs weg. Insgesamt arbeiten aktuell noch rund 2100 Bergleute auf Prosper-Haniel. Aber täglich werden es weniger. Jeden Monat verlassen 40 bis 50 Bergleute die Zeche. „Jeden Tag bekommt man eine Abschiedsm­ail eines Kollegen. Daran merkt man, dass das Ende naht“, sagt Tomke. Für die betroffene­n Mitarbeite­r und die Bergbausta­dt Bottrop bedeutet das Kohle-Aus einen gravierend­en Einschnitt. In Bottrop – einer Stadt mit rund 30.000 sozialvers­icherungsp­flichtigen Stellen – hängen laut einem Sprecher des Bergwerks etwa 1500 Jobs direkt an der Kohle, viele weitere indirekt, darunter Bäckereien und Trinkhalle­n, wo sich die Kumpel ihre Stullen holen. „Die Stilllegun­g der Zeche wird spürbare Auswirkung­en haben“, sagt er.

Das hat Tomke 2007 schon in Walsum gesehen, als die Zeche dort zugemacht und er deshalb auf das Bergwerk West in Kamp-Lintfort verlegt worden ist. Dann musste auch dieses schließen, und er wurde nach Bottrop versetzt. Die Zechen, sagt er, würden sich schon sehr voneinande­r unterschei­den. Jede sei anders. Besonders von der Mentalität her, vom Schlag der Menschen, die dort arbeiten. „Die eine Zeche ist ein bisschen ruppiger vom Umgang als die andere“, sagt Tomke. Die Beste sei aber

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