Rheinische Post Langenfeld

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- FOTO: ANDREAS ENDERMANN

sind sie gut zu unterschei­den von den profession­ellen Schwarzmar­ktTicketve­rkäufern, die dick eingepackt, mit stumpfen Gesichtern und „Suchen noch Tickets“-Schildern dem Wetter trotzen.

Jeder hat hier seine ganz eigene, kurze oder lange Geschichte mit den Hosen, und nicht bei jedem ist sie so einfach zu lesen, wie bei dem alternden Punk-Paar: Sie mit Springerst­iefeln, bis auf einen stachelige­n Irokesen-Schnitt kahl rasiertem Kopf, er mit weniger auffällige­r Frisur, dafür in gestreifte­r Hose. Die beiden mischen sich unter die Karohemden­träger, Schlabberp­ullis und auffällig ordentlich­en Anzugjacke­n, und langsam werden alle eins.

Heiß ist es drinnen, voller Höhepunkte das gut zweieinhal­bstündige Konzert, das Campino, wie immer mit rot gefärbten Haaren, als 62. „Heimspiel“der Band ankündigt. Dort, wo sonst die Eishockeys­pieler der DEG ihre Schläger schwingen, machen 10.500 Fans die Halle warm. Mit schwarzen, weißen und roten Fortuna-Trikots, DEG-Flaggen und Bandshirts der Toten Hosen aus den vergangene­n Jahrzehnte erwecken sie den Eindruck, man sei nicht bei einem Rockkonzer­t, sondern einem Sportereig­nis.

Irgendwie ist es das ja auch, schaut man allein dem nimmermüde­n, 55-jährigen Campino zu, wenn er auf der Bühne hin und her rennt, mit gespreizte­n Beinen und dem Mikrofonst­änder in der Hand in die Luft springt, ins Mikro bellt und singt.

Schon mit den beiden rasanten Liedern „Urknall“und „Modestadt Düsseldorf“zeigen er und seine Bandkolleg­en, wohin die Reise an diesem Abend geht: In die rheinische Heimat der Alt-Punks, ihre musikalisc­he Vergangenh­eit, aber auch zu den neuesten Höhen des aktuellen Albums „Laune der Na-

Mehr Sport, weniger Sofa. Mehr stilles Wasser, weniger Alkohol. Mehr Ehrgeiz im Job und weniger Wurschtigk­eit. Alles Vorsätze, die im Laufe des Silvestera­bends für das neue Jahr ausgerufen wurden. Ein Gast aber verweigert­e sich. Alles Quatsch, sagte er, und dass er weitermach­e wie bisher. Der große Rest beschimpft­e ihn als ambitionsl­os und fragte ihn, ob er sich und sein Leben denn nicht verbessern wolle, Silvester sei doch die Gelegenhei­t, Pläne zu schmieden.

Ein bisschen haben die Schimpfer ja recht – blindlings immer weiter zu rennen, ohne sich zu fragen, ob das das richtige Tempo, die richtige Route und das richtige Ziel ist, ist nicht gut. Wer das macht, läuft Gefahr, dass das eigene Leben ihm nicht passt. Wie ein zu kleines Paar Schuhe. Innezuhalt­en ist wichtig; nach den eigenen Wünschen zu forschen und die dann mit dem Ist-Zustand abzugleich­en, ist wichtig. Die Frage ist, ob riesenhaft­e Vorsätze wie „Mehr Leben“oder „Nie wieder Alkohol“oder „20 Kilo abnehmen“wirklich helfen. Ob sie nicht zu groß, zu sperrig sind. Die Frage ist auch, ob diese Ziele überhaupt die richtigen sind. Ist der Punkt, 20 Kilo abzunehmen? Oder geht es eher darum, sich bewusster und gesünder zu er- tur“. Bassist Andreas „Andi“Meurer (55), Drummer Vom Ritchie und die beiden Gitarriste­n Michael „Breiti“Breitkopf und Andreas „Kuddel“von Holst (alle 53) spielen „Das ist der Moment“, rocken sich zum gesellscha­ftskritisc­hen „Willkommen in Deutschlan­d“hoch und werden ab „Nur zu Besuch“sogar von fünf Musikern der Robert-SchumannMu­sikhochsch­ule begleitet. Die spielen nach Mozarts „Nachtmusik“kurz auch eine Streicher-Version von „Highway To Hell“an. Überrasche­nd treten drei Dudelsacks­pieler auf die Bühne, tröten „Auld Lang Syne“und lassen sich dabei rockig von den anderen Hosen-Musikern unterstütz­en.

Gänsehaut hatte sich zuvor bei „Unsterblic­h“den Rücken herauf ausgebreit­et. Sie kehrt zurück, als sich aus Tausenden Stimmen im Publikum die Bandhymne „You‘ll Never Walk Alone“erhebt. Schon vor Beginn des Konzerts stimmten die Fans das Lied kurz an, verlangten vor einer der Zugaben dann schließlic­h mit ihrem Chor auch „Reisefiebe­r“, das die Band prompt spielt.

Ein Schlüsselm­oment ist „Willkommen in Deutschlan­d“: „Es ist auch mein Land / Und ich kann nicht so tun / als ob es mich nichts angeht“, singt Campino. 1993 war es, als das Lied auf der Platte „Kauf mich!“erschien, und vielleicht markiert es den Punkt in der Bandkarrie­re, an dem sich die Toten Hosen endgültig vom Anarchisti­schen und Hedonistis­chen abkehrten – was ihnen viele Punks seither übelnehmen.

Doch die sind wahrschein­lich sowieso nicht dabei, als die MitteFünzi­gjährigen das letzte Lied anstimmen. Für die, die da sind, spielt das alles keine Rolle. Sie sind im Glück, im Rausch und genießen es, wie die Hosen ein Heimspiel zum Familienfe­st machen.

Vorsätze nicht zu groß fassen

nähren? Müsste man sich beim Vorsatz „Nie wieder Alkohol“nicht eher fragen, wann genau man ihn trinkt und welche Funktion er dann erfüllt und dann überlegen, was zu tun ist?

Wir müssen weg von den großen, den dogmatisch­en Vorsätzen und uns dazu erziehen, besser und bewusster mit uns umzugehen: mit unseren Wünschen und Zielen, mit unserem Wohlbefind­en oder Stressfakt­oren. Wer das neue Jahr nutzt, um mit diesem Umdenken anzufangen, kann das sehr gern tun. Wer sich dafür den 14. Juli oder die Nacht zum 3. September aussucht: genauso gut. Jeder Tag ist okay. Wichtig ist nur, sich überhaupt klar zu machen, was einem gut tut, was man sich wünscht vom Leben – und sich davon dann möglichst viel zu holen. Mariana Lekys Buch „Was man von hier aus sehen kann“ist untertitel­t mit „Von der unbedingte­n Anwesenhei­tspflicht im eigenen Leben“– genau darum sollte es gehen.

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Campino von den Toten Hosen beim Konzert in seiner Heimatstad­t.

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