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sind sie gut zu unterscheiden von den professionellen SchwarzmarktTicketverkäufern, die dick eingepackt, mit stumpfen Gesichtern und „Suchen noch Tickets“-Schildern dem Wetter trotzen.
Jeder hat hier seine ganz eigene, kurze oder lange Geschichte mit den Hosen, und nicht bei jedem ist sie so einfach zu lesen, wie bei dem alternden Punk-Paar: Sie mit Springerstiefeln, bis auf einen stacheligen Irokesen-Schnitt kahl rasiertem Kopf, er mit weniger auffälliger Frisur, dafür in gestreifter Hose. Die beiden mischen sich unter die Karohemdenträger, Schlabberpullis und auffällig ordentlichen Anzugjacken, und langsam werden alle eins.
Heiß ist es drinnen, voller Höhepunkte das gut zweieinhalbstündige Konzert, das Campino, wie immer mit rot gefärbten Haaren, als 62. „Heimspiel“der Band ankündigt. Dort, wo sonst die Eishockeyspieler der DEG ihre Schläger schwingen, machen 10.500 Fans die Halle warm. Mit schwarzen, weißen und roten Fortuna-Trikots, DEG-Flaggen und Bandshirts der Toten Hosen aus den vergangenen Jahrzehnte erwecken sie den Eindruck, man sei nicht bei einem Rockkonzert, sondern einem Sportereignis.
Irgendwie ist es das ja auch, schaut man allein dem nimmermüden, 55-jährigen Campino zu, wenn er auf der Bühne hin und her rennt, mit gespreizten Beinen und dem Mikrofonständer in der Hand in die Luft springt, ins Mikro bellt und singt.
Schon mit den beiden rasanten Liedern „Urknall“und „Modestadt Düsseldorf“zeigen er und seine Bandkollegen, wohin die Reise an diesem Abend geht: In die rheinische Heimat der Alt-Punks, ihre musikalische Vergangenheit, aber auch zu den neuesten Höhen des aktuellen Albums „Laune der Na-
Mehr Sport, weniger Sofa. Mehr stilles Wasser, weniger Alkohol. Mehr Ehrgeiz im Job und weniger Wurschtigkeit. Alles Vorsätze, die im Laufe des Silvesterabends für das neue Jahr ausgerufen wurden. Ein Gast aber verweigerte sich. Alles Quatsch, sagte er, und dass er weitermache wie bisher. Der große Rest beschimpfte ihn als ambitionslos und fragte ihn, ob er sich und sein Leben denn nicht verbessern wolle, Silvester sei doch die Gelegenheit, Pläne zu schmieden.
Ein bisschen haben die Schimpfer ja recht – blindlings immer weiter zu rennen, ohne sich zu fragen, ob das das richtige Tempo, die richtige Route und das richtige Ziel ist, ist nicht gut. Wer das macht, läuft Gefahr, dass das eigene Leben ihm nicht passt. Wie ein zu kleines Paar Schuhe. Innezuhalten ist wichtig; nach den eigenen Wünschen zu forschen und die dann mit dem Ist-Zustand abzugleichen, ist wichtig. Die Frage ist, ob riesenhafte Vorsätze wie „Mehr Leben“oder „Nie wieder Alkohol“oder „20 Kilo abnehmen“wirklich helfen. Ob sie nicht zu groß, zu sperrig sind. Die Frage ist auch, ob diese Ziele überhaupt die richtigen sind. Ist der Punkt, 20 Kilo abzunehmen? Oder geht es eher darum, sich bewusster und gesünder zu er- tur“. Bassist Andreas „Andi“Meurer (55), Drummer Vom Ritchie und die beiden Gitarristen Michael „Breiti“Breitkopf und Andreas „Kuddel“von Holst (alle 53) spielen „Das ist der Moment“, rocken sich zum gesellschaftskritischen „Willkommen in Deutschland“hoch und werden ab „Nur zu Besuch“sogar von fünf Musikern der Robert-SchumannMusikhochschule begleitet. Die spielen nach Mozarts „Nachtmusik“kurz auch eine Streicher-Version von „Highway To Hell“an. Überraschend treten drei Dudelsackspieler auf die Bühne, tröten „Auld Lang Syne“und lassen sich dabei rockig von den anderen Hosen-Musikern unterstützen.
Gänsehaut hatte sich zuvor bei „Unsterblich“den Rücken herauf ausgebreitet. Sie kehrt zurück, als sich aus Tausenden Stimmen im Publikum die Bandhymne „You‘ll Never Walk Alone“erhebt. Schon vor Beginn des Konzerts stimmten die Fans das Lied kurz an, verlangten vor einer der Zugaben dann schließlich mit ihrem Chor auch „Reisefieber“, das die Band prompt spielt.
Ein Schlüsselmoment ist „Willkommen in Deutschland“: „Es ist auch mein Land / Und ich kann nicht so tun / als ob es mich nichts angeht“, singt Campino. 1993 war es, als das Lied auf der Platte „Kauf mich!“erschien, und vielleicht markiert es den Punkt in der Bandkarriere, an dem sich die Toten Hosen endgültig vom Anarchistischen und Hedonistischen abkehrten – was ihnen viele Punks seither übelnehmen.
Doch die sind wahrscheinlich sowieso nicht dabei, als die MitteFünzigjährigen das letzte Lied anstimmen. Für die, die da sind, spielt das alles keine Rolle. Sie sind im Glück, im Rausch und genießen es, wie die Hosen ein Heimspiel zum Familienfest machen.
Vorsätze nicht zu groß fassen
nähren? Müsste man sich beim Vorsatz „Nie wieder Alkohol“nicht eher fragen, wann genau man ihn trinkt und welche Funktion er dann erfüllt und dann überlegen, was zu tun ist?
Wir müssen weg von den großen, den dogmatischen Vorsätzen und uns dazu erziehen, besser und bewusster mit uns umzugehen: mit unseren Wünschen und Zielen, mit unserem Wohlbefinden oder Stressfaktoren. Wer das neue Jahr nutzt, um mit diesem Umdenken anzufangen, kann das sehr gern tun. Wer sich dafür den 14. Juli oder die Nacht zum 3. September aussucht: genauso gut. Jeder Tag ist okay. Wichtig ist nur, sich überhaupt klar zu machen, was einem gut tut, was man sich wünscht vom Leben – und sich davon dann möglichst viel zu holen. Mariana Lekys Buch „Was man von hier aus sehen kann“ist untertitelt mit „Von der unbedingten Anwesenheitspflicht im eigenen Leben“– genau darum sollte es gehen.