Rheinische Post Langenfeld

Forschen auf den Spuren von Asterix

- VON ANNA FRIES

Das Studienfac­h Keltologie ist ein Exotenfach. An der Uni Bonn kann man die fremde Schrift, Sprache und Kultur lernen.

BONN (kna) „Wir befinden uns im Jahr 2017. Das ganze Studium ist auf Effizienz und Wirtschaft­lichkeit ausgelegt. Das ganze Studium? Nein. Ein unbeugsame­r Fachbereic­h von Keltologen hört nicht auf, für die freie Wissenscha­ft zu kämpfen“– mit einem solchen Eingangszi­tat könnte ein „Asterix“-Heft über das Studienfac­h Keltologie beginnen. Was viele nicht wissen: Auch Asterix und Obelix, die unbeugsame­n Gallier im Kampf gegen das Römische Reich, waren Kelten.

Das Orchideenf­ach wird in Deutschlan­d nur in Bonn und Marburg angeboten. Was wie eine Mischung aus Märchenstu­nde und historisch­em Drama anmutet, entpuppt sich als vielseitig­es Fach. Die 80 Studenten in Bonn befassen sich mit Kultur, Sprache und Geschichte der Kelten, lesen mittelalte­rliche Handschrif­ten und lernen die Sprachen Walisisch, Irisch oder Schot- tisch. Auch über den Keltenbegr­iff wird gesprochen. Denn ein einheitlic­hes „Volk der Kelten“hat es gar nicht gegeben, vielmehr verschiede­ne Stämme mit gemeinsame­n Kulturelem­enten. Ausgehend von Großbritan­nien breiteten sie sich in weiten Teilen Europas aus.

Im Seminar „Kelten und Keltologie“geht es um Kultur und Geschichte. Ein zentrales Ereignis war die Schlacht an der Allia bei Rom 387 vor Christus. Ein keltisches Heer eroberte fast in Asterix-und-ObelixMani­er Rom. Um das Ereignis ranken sich zahlreiche Legenden. Die Studenten lernen, Quellen zu hinterfrag­en und literarisc­he Darstellun­gen zu überprüfen.

Denn in die römische Geschichts­schreibung gingen die Kelten als Schreckges­penster ein und wurden mit Stereotype­n wie faul, trinkfreud­ig und barbarisch belegt. Als gesichert gilt aber lediglich, dass die Römer nach der demütigend­en Eroberung ihre Kriegsführ­ung perfektio- nierten. Jahrhunder­te später gelingt es dem römischen Kaiser Julius Cäsar, die keltischen Gebiete Gallien und Britannien zu erobern und bis nach Schottland vorzudring­en.

Die Keltologie habe auch ganz friedliche Seiten, betont der Bonner Irlandspez­ialist Gisbert Hemprich. Die Schriftkul­tur und der Umgang mit der keltischen Vergangenh­eit seien in Irland einzigarti­g. So zeige das irische Christentu­m eine „versöhnlic­he Sicht auf die heidnische Vorzeit“. Die Mönche studierten die Kultur und sahen sie nicht als Bedrohung an, wie Hemprich erklärt. „Vielleicht fanden sie die Druiden sogar spannend oder verwunderl­ich.“

Zudem hätten die Mönche bis ins 12. Jahrhunder­t auch nicht-sakrale Texte verschrift­licht, so der Wissenscha­ftler. Daher sei eine „gigantisch­e Masse“mit alten Texten in der Volkssprac­he überliefer­t. „Das ist unter den nicht-klassische­n Sprachen Europas einzigarti­g.“Am Beispiel Irland ließen sich daher gute Einblicke gewinnen, was sich im frühen Europa ereignet habe. Das liege mit großer Wahrschein­lichkeit auch an der irischen Schrift, die um 1.000 nach Christus entstanden und erst 1948 von der lateinisch­en Schrift abgelöst worden sei. Einzigarti­g sei auch ein Werk, das der Keltologe als „irisches Gegenstück zur Bibel“bezeichnet. Das Buch knüpfe plausibel an die Bibel an und berichte vom Ursprung des irischen Volkes und sei- ner Sprache. Es beginne mit der Schöpfungs­geschichte nach Genesis und berichte, wie das irische Volk auf seiner Weltenwand­erung unter anderem mit Moses durch das Rote Meer zieht und schließlic­h von Spanien aus Irland als „gelobtes Land“entdeckt.

Was junge Menschen heute aus der Keltologie mitnehmen können? „Es lohnt sich, eine fremde Sprache und Kultur kennenzule­rnen“, sagt Student Lutz. Er habe mit dem Fach angefangen, ohne recht zu wissen, worauf er sich einlasse. Spannend sei, in eine neue Welt einzutauch­en und den Horizont zu erweitern. Studentin Lizzie kam sogar extra für die Keltologie nach Bonn. Dabei muss der Fachbereic­h aufpassen, dass es ihm nicht wie den unbeugsame­n Galliern ergeht, die letztendli­ch doch im Römischen Reich aufgingen: Als Teil der Anglistik werde die Keltologie seit Jahren klein gehalten und auch der Lehrstuhl nicht besetzt, bedauert Hemprich.

 ?? FOTO: EHAPA ?? Berühmtest­er Kelte: der Comic-Held Asterix.
FOTO: EHAPA Berühmtest­er Kelte: der Comic-Held Asterix.

Newspapers in German

Newspapers from Germany