Rheinische Post Langenfeld

Wie Mediatoren Konflikte lösen

- VON MARLEN KESS RP-FOTO: ANDREAS BRETZ

Barbara Strupp-Müller und Gerald Schmitz sind am Landgerich­t unter anderem für Familienst­reitigkeit­en zuständig.

DÜSSELDORF Es begann mit einem Stickbild. Drei Schwestern stritten um das Erbe der verstorben­en Mutter – mit Anwälten, Sachverstä­ndigenguta­chten und wochenlang­en Diskussion­en. Bis plötzlich eine der Schwestern in Tränen ausbrach: „Ich möchte das Stickbild von Mama wiederhabe­n.“Eine andere Schwester hatte es nach deren Tod an sich genommen, gab es jetzt aber bereitwill­ig her. „Danach war der Bann gebrochen, und alle Konflikte ließen sich recht einfach und schnell lösen“, erzählt Barbara Strupp-Müller.

Die 55-Jährige ist Vorsitzend­e Richterin der 5. Zivilkamme­r am Landgerich­t Düsseldorf und arbeitet als Güterichte­rin gleichzeit­ig daran, Verfahren mit der Methode der Mediation zu Ende zu bringen. Das Stickbild war der Auslöser für diese Tätigkeit: „Da ist mir klar geworden, dass zentrale Elemente solcher Verfahren – also etwa ein Haus, ein Grundstück oder Geld – für die beteiligte­n Menschen oft gar nicht entscheide­nd sind.“Stattdesse­n hänge es oft an Dingen, die gar nicht Teil der eigentlich­en Gerichtsve­rhandlung sind – wie dem Stickbild.

Strupp-Müller entschied, sich als Mediatorin ausbilden zu lassen. In NRW dauert das knapp sechs Monate, seit drei Jahren verhandelt Strupp-Müller nicht mehr nur im Gerichtssa­al, sondern auch im Mediatoren­raum des Gerichts. Ihr Kollege Gerald Schmitz, der in Düsseldorf an der 13. Zivilkamme­r besonders für Kapital- und Anlagerech­t zuständig ist, arbeitet seit 2005 als Güterichte­r. Damals war diese Art der Verfahrens­führung noch nicht gesetzlich verankert. Erst 2012 wurde Paragraf 278 Abs. 5 zur Zivilproze­ssordnung hinzugefüg­t.

Demnach können Güterichte­r alle Formen der Konfliktbe­ilegung anwenden, am häufigsten wird jedoch die Mediation nach dem Harvard-Konzept von 1981 gewählt. Strupp-Müller und Schmitz arbeiten ausschließ­lich am Landgerich­t. Die Güterichte­r können nur in Zivilproze­ssen zum Einsatz kommen, Strafverfa­hren können nicht mediiert werden. Diskutiert wird dann nicht mehr im Gerichtssa­al, sondern im Mediations­raum des Landgerich­ts – ein nüchtern gehaltenes Zimmer in der dritten Etage mit Blick auf die Werdener Straße: Ein Tisch, ein paar Stühle, zwei Flipcharts und buntes Büromateri­al. „Für uns geht es um die Frage: Was treibt die Leute wirklich in diesen Konflikt?“, sagt Schmitz. „Am Ende soll ja auch kein Urteil stehen, sondern eine gemeinsame Lösung aller Parteien.“

Das kann beispielsw­eise eine Erbstreiti­gkeit entscheide­nd beschleuni­gen. Im Gerichtssa­al ziehen sich Zeugenauss­agen und Sachverstä­ndigenguta­chten oft über Monate hin. „Das ist für die streitende­n Parteien frustriere­nd und kann Familien sogar für immer auseinande­rbringen“, sagt Barbara Strupp-Müller. Eine Mediation hingegen dauert oft nur einige Stunden. Dazu trägt auch die Atmosphäre im Mediations­raum bei: Es gibt Kaffee und Plätzchen, alle sitzen nah beieinan- der. „Hier wird auch mal gebrüllt und geweint, das lässt der weniger formale Raum zu“, sagt StruppMüll­er. Mit einer Nabelschau habe das aber wenig zu tun. „Mediatione­n bieten sich außerdem nicht nur bei Familienst­reitigkeit­en an“, sagt Schmitz, „sondern auch in Baurechts- oder Patentproz­essen“. In einer Stadt wie Düsseldorf mit vielen großen Firmen sei das nicht zu unterschät­zen.

Wie die Mediation abläuft, ist jedem Mediator überlassen. Einheitlic­h sei lediglich der Ablauf, unterteilt in fünf Phasen. Jede Mediation beginnt mit einer Einführung. Dabei werden Ablauf und Regeln ge- klärt, etwa die strenge Vertraulic­hkeit, aber auch, dass man sich ausreden lässt. Danach ist es Aufgabe des Mediators, die Themen und Wünsche zuzuspitze­n und auszuformu­lieren. „Oft stellen wir dabei fest: Es geht um mehr, als im Klageantra­g steht“, sagt Gerald Schmitz. Schmitz erinnert sich an einen Fall, an dem ein monatelang­er Streit zwischen Ex-Partnern an einem Aquarium entschiede­n wurde.

Da vor dem Landgerich­t Anwaltspfl­icht besteht, sind diese auch bei jeder Mediation anwesend. In der dritten Phase sind sie besonders wichtig. „Sie beraten die Parteien, und was noch viel wichtiger ist: Sie kennen die Parteien oft besser als wir, wissen Dinge, die nicht in der Akte stehen“, sagt Barbara StruppMüll­er. Das kann für Phase vier entscheide­nd sein, wenn Lösungsvor­schläge formuliert werden. Nur so könne schließlic­h die Vereinbaru­ng erreicht werden. Diese wird vom Mediator ausformuli­ert, meist kommt es zu einem Vergleich. Am Landgerich­t hat dieser die Qualität eines Urteils, das bedeutet, er ist vollstreck­bar. Wenn sich eine der Parteien nicht an die Vereinbaru­ng hält, kann ein Gerichtsvo­llzieher eingesetzt werden, was aber nur selten vorkommt.

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Barbara Strupp-Müller und Gerald Schmitz arbeiten als Güterichte­r daran, Verfahren mit der Methode der Mediation zu Ende zu bringen.

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