Rheinische Post Langenfeld

Im Kittchen sind noch Zimmer frei

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

In allen Jugendgefä­ngnissen in NRW stehen viele Zellen leer. Laut Justizmini­sterium halbierte sich die Zahl der Verurteilu­ngen seit 2004. Der Bund der Strafvollz­ugsbediens­teten meint, dass Richter zu lasch urteilen.

DÜSSELDORF Etwas mehr als sieben Jahre ist es jetzt her, dass die ersten 13 Häftlinge die Jugend-Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) Wuppertal-Ronsdorf bezogen haben, das bis heute modernste, aber mittlerwei­le auch skandalträ­chtigste Jugendgefä­ngnis des Landes. Der Bau der 125 Millionen Euro teuren Haftanstal­t, ein Prestigeob­jekt der damaligen Landesregi­erung, war nötig geworden, weil es immer mehr jugendlich­e Kriminelle gab, die untergebra­cht werden mussten. Doch das hat sich geändert, wie aktuelle Zahlen des NRW-Justizmini­steriums aus dem Justizvoll­zug belegen, die unserer Redaktion vorliegen. Demnach gibt

„556 der 1383 zur Verfügung stehenden Haftplätze sind frei“

Peter Brock

Bundes der Strafvollz­ugsbediens­teten

es landesweit in den fünf Gefängniss­en, in denen jugendlich­e Straftäter untergebra­cht werden, viele freie Zellen. „556 der 1383 zur Verfügung stehenden Haftplätze sind frei“, sagt Peter Brock, Landesvors­itzender des Bundes der Strafvollz­ugsbediens­teten (BSBD).

Angaben des Justizmini­steriums zufolge sind in der JVA Ronsdorf derzeit nur 427 der 517 Zellen belegt; in Herford 217 von 355; in Hövelhofen 182 von 261; in Iserlohn 180 von 282 und in Heinsberg 393 von 566. Brock führt diese Entwicklun­g auf mildere Urteile an den Gerichten zurück. „Es ist so, dass die Richter insgesamt es möglichst vermeiden wollen, einen Jugendlich­en ins Gefängnis zu schicken“, sagt er. „Man muss sich mittlerwei­le schon ganz schön was zu Schulden kommen lassen haben, um als Jugendlich­er hinter Gitter zu kommen. Das war früher einmal anders.“

Nach Angaben des NRW-Justizmini­steriums hat sich die Anzahl der Verurteilu­ngen von Jugendlich­en in den Jahren 2004 bis 2015 mehr als halbiert. Ähnlich sehe es bei den 18- bis 21-Jährigen aus. In dem Alter sei ein Rückgang von 34,6 Prozent an Verurteilu­ngen zu verzeichne­n. Die Anzahl der ermittelte­n Tatverdäch­tigen unter 21 Jahren in NRW lag laut Polizei im Jahr 2004 bei 140.019; und 2015 bei 106.497. 2016 stieg sie nach jahrelange­m Rückgang erstmals wieder leicht an auf 107.238 Fälle, wie es im aktuellste­n Lagebild zur Jugendkrim­inalität des nordrhein-westfälisc­hen Landeskrim­inalamtes (LKA) heißt.

Bei der Großzahl der Fälle handelt es sich laut Justizmini­sterium um „bloße Episoden im Leben Jugendlich­er“, die mit zunehmende­m Alter enden würden. Daher erforderte­n jugendtypi­sche Straftaten (...) eine Reaktion, die den Tätern ihre Grenzen aufzeigten und ihnen Konsequenz­en ihres Handelns verdeutlic­hten, ohne ihnen aber private und berufliche Zukunftspe­rspektiven zu nehmen. „Ziel der jugendstra­frechtlich­en Ahndung ist daher die Erziehung zu einem künftig straflosen Verhalten, was die Verpflicht­ung zu Arbeitsstu­nden in gemeinnütz­igen Einrichtun­gen oder die Verhängung eines Jugendarre­stes erfordern kann“, heißt es beim Justizmini­sterium. Aber selbst im Jugendarre­st, der Vorstufe zur JVA, sind viele Zellen leer. So sind in den fünf NRW-Jugendarre­stanstalte­n in Bottrop, Düsseldorf, Lünen, Remscheid und Wetter nur 113 der insgesamt 235 Plätze und damit weniger als die Hälfte belegt. In Essen ist sogar schon eine Einrichtun­g mangels Nachfrage geschlosse­n worden.

Auch deshalb sieht sich Brock in seiner Annahme bestätigt, dass viele Urteile zu lasch ausfallen. „Für das Klima eines Gefängniss­es ist es zwar gut, wenn weniger Insassen da sind. Aber da müssten viel mehr drin sitzen. Manche, die heute davonkomme­n, wären früher eingefahre­n“, ist sich Brock sicher. Viele Richter würden nicht für Härte, sondern nur für Resozialis­ierung stehen, meint er. Vorwürfe, die die Justiz allerdings zurückweis­t.

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FOTO: DPA In der Jugend-Justizvoll­zugsanstal­t Ronsdorf in Wuppertal stehen fast 100 Zellen leer.

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