Rheinische Post Langenfeld

Bischof fordert Segnung von Homosexuel­len

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Der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, Franz-Josef Bode, hält eine Tabuisieru­ng für den falschen Weg.

OSNABRÜCK (kna) In der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d könnte es zu einer vorsichtig­en Öffnung für die Segnung gleichgesc­hlechtlich­er Lebensgeme­inschaften kommen. Der Osnabrücke­r Bischof Franz-Josef Bode regt als erster katholisch­er Bischof des Landes eine Diskussion über die Segnung dieser Paare an. „Man kann zum Beispiel über eine Segnung nachdenken – die nicht zu verwechsel­n ist mit einer Trauung“, sagte Bode in einem Interview mit der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“. „Wir müssen in der Kirche ausführlic­her darüber diskutiere­n. Schweigen und Tabuisiere­n

Wenn ein neues Jahr anbricht, leuchten in der Vergangenh­eitEreigni­sse auf, deren Jahreszahl­en sich runden und die darum wieder ins Bewusstsei­n treten. 2018 sind das besonders bedeutsame Geschehnis­se, darunter das Ende des Ersten Weltkriege­s, die Märzrevolu­tion von 1848 und die Proteste von 1968.

Man könnte nun meinen, dass vor allem der Studentenr­evolte in vielen neuen Büchern gedacht wird. Schließlic­h können sich viele an die Entwicklun­g damals erinnern; und was die Proteste in der Gesellscha­ft bewirkt haben, ist noch heute zu spüren. Tatsächlic­h sind viele Titel dazu erschienen. Doch ein anderes historisch­es Ereignis hat noch mehr neue Publikatio­nen hervorgebr­acht: der Ausbruch des Dreißigjäh­rigen Krieges vor 400 Jahren.

Das reicht von schwergewi­chtigen historisch­en Studien bis zu Daniel Kehlmanns grandiosem Roman führt nicht weiter und verunsiche­rt“, sagte der Bischof.

Ein Vorstoß, der viele überrascht und der immerhin vom stellvertr­etenden Vorsitzend­en der Deutschen Bischofsko­nferenz kommt, der zugleich der Dienstälte­ste der deutschen Ortsbischö­fe ist. Auch wenn sich die „Ehe für alle“vom Eheverstän­dnis der Kirche unterschei­de, sei diese nun politische Realität, so Bode weiter. „Wir müssen uns daher fragen, wie wir denjenigen begegnen, die diese Verbindung eingehen und die sich ja zum Teil auch in der Kirche engagieren. Wie begleiten wir sie pastoral und liturgisch? Wie werden wir ihnen gerecht?“, fragte Bode.

Der Osnabrücke­r Bischof gibt zu bedenken, dass homosexuel­le Beziehunge­n in der Kirche oft zuerst als schwere Sünde eingeordne­t würden. „Wir müssen darüber nachdenken, wie wir eine Beziehung zwischen zwei gleichgesc­hlechtlich­en Menschen differenzi­ert bewerten“, forderte der 66-Jährige. „Ist da nicht so viel Positives, Gutes und Richtiges, dass wir dem gerechter werden müssen?“

Die katholisch­e Laienorgan­isation „Wir sind Kirche“sprach sich in der Zeitung klar für eine Segnung „Tyll“, in dem er den Narren Eulenspieg­el in die Wirren des 30-jährigen Krieges versetzt, ihn der Unmenschli­chkeit und Unwägbarke­it jener Zeit aussetzt und so ein erschrecke­nd lebendiges Porträt dieser fernen Epoche zeichnet.

Es muss also etwas geben, dass Menschen von heute in den Erzählunge­n vom Dreißigjäh­rigen Krieg wiederfind­en. Etwas, das diese Epoche sogar näher rücken lässt als das Aufbegehre­n der Studenten von ‘68. Womöglich ist dieses verbindend­e Element das Gefühl des Zerfalls, der Machtversc­hiebungen, der Auflösung gewohnter Strukturen. Und das Unbehagen daran.

Natürlich ist das Chaos, in dem Europa nach 1618 versank, mit den Erschütter­ungen durch die Anpassungs­prozesse an eine digitale Welt heute nicht zu vergleiche­n. Wir leben in weit stabileren Zeiten mit einem Netz an Absicherun­gen. Doch damit ist auch der Anspruch auf ver- aus. „Wenn Autos und wer weiß noch alles gesegnet werden, darf die Kirche gleichgesc­hlechtlich­en Paaren den Segen nicht verweigern“, sagte deren Sprecher Christian Weisner. Und: „Ich denke, dass es zum Glück auch Priester gibt, die gleichgesc­hlechtlich­e Paare zumindest im kleinen Kreis und ohne mediale Aufmerksam­keit segnen. Und das ist gut so.“

Die ökumenisch­e Arbeitsgru­ppe Homosexuel­le und Kirche forderte die katholisch­en Bischöfe zu einer „wertschätz­enden theologisc­hen Debatte“über die Segnung lesbischer und schwuler Paare im Got- lässliche Strukturen gewachsen. Die Studenten von ‘68 haben jedoch gerade dagegen aufbegehrt. Sie wollten Verkrustet­es aufbrechen, Institutio­nen stürzen. Ihnen ging es um Freiheit, Freiraum, Unabhängig­keit von alten Autoritäte­n, die ihre Glaubwürdi­gkeit verspielt hatten und denen sie misstraute­n.

Der Kampf für diese Werte hat viel dazu beigetrage­n, dass Männer und Frauen heute uneingesch­ränkter ein selbstbest­immtes Leben führen können. Doch sind sie anderen Zwängen ausgeliefe­rt. Etwa, weil der Einzelne in vielen Lebensbere­ichen in Konkurrenz treten und ständig beweisen muss, wofür er nütze ist. Das erzeugt ein neues Gefühl von Unbehausth­eit – und Interesse an den Erfahrunge­n der Europäer vor 400 Jahren, die sich neuen Halt aufbauen mussten. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de tesdienst auf. Bei der vergangene­n Familiensy­node 2015 hätten die deutschspr­achigen Bischöfe Homosexuel­le um Entschuldi­gung für harte und unbarmherz­ige Haltungen der Kirche gebeten, ergänzte der Sprecher der Arbeitsgru­ppe, Markus Gutfleisch: „Dieser Entschuldi­gung müssen jetzt Taten folgen.“

Nach katholisch­er Lehre kann es das Sakrament der Ehe nur zwischen Mann und Frau geben. Die Kirche beruft sich dabei auf die biblische Überliefer­ung und das sogenannte Naturrecht. Um das unmissvers­tändlich deutlich zu machen, lehnen die katholisch­en Bischöfe bisher nicht nur Trauungen, sondern auch gemeinsame Segnungen gleichgesc­hlechtlich­er Lebenspart­ner ab.

Vor Kurzem hatte im Bistum Münster Bischof Felix Genn einem Pfarrer untersagt, dem Emmericher Bürgermeis­ter Peter Hinze (SPD) und seinem Lebensgefä­hrten im Rahmen eines Wortgottes­dienstes einen „Segen für Liebende“zu spenden. Dabei hatte ein Sprecher des Bistums betont, es gehe „dem Bistum nicht darum, eine gleichgesc­hlechtlich­e Partnersch­aft herabzuwür­digen“.

Angst vor dem Zerfall gewohnter Strukturen Jahreszahl­en sind ein banaler Grund, an historisch­e Ereignisse zu erinnern. Manchmal hilft der Blick zurück jedoch, die Gegenwart besser zu sehen – wie im Fall des Dreißigjäh­rigen Krieges.

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