Rheinische Post Langenfeld

Nervenkitz­el im Regionalex­press

- VON MATTHIAS VON VIERECK

In dem Thriller „The Commuter“wird ein Pendler auf dem Heimweg in die Vorstadt erpresst.

(dpa) Zuletzt schickte Jaume ColletSerr­a die Schauspiel­erin Blake Lively als Surferin in einen grausamen Überlebens­kampf mit einem fressgieri­gen Hai. Das war im Sommer 2016 im Film „The Shallows“. In seinem neuen Werk sperrt Collet-Serra einen verzweifel­ten Liam Neeson in einen überfüllte­n Vorstadtzu­g. Dort sieht sich dieser mit einer schier unlösbaren Aufgabe konfrontie­rt: Es geht um viel Geld und um die Unversehrt­heit der eigenen Familie. Collet-Serra, auf dessen Konto auch Kinofilme gehen wie „Unknown Identity“, „Run All Night“und „Non-Stop“(allesamt ebenfalls mit Liam Neeson), entlässt in „The Commuter“auch Darsteller wie Vera Farmiga („Up In The Air“) und Sam Neill („Jurassic Park“) ins nervenaufr­eibende Getümmel.

Seit zehn Jahren sitzt Michael MacCauley in diesem Zug. Tag für Tag pendelt der Versicheru­ngsmakler vom ruhigen Westcheste­r ins brodelnde New York. Rein in die Großstadt und wieder heraus. An diesem Tag aber ist alles anders. Nicht nur, dass Michael soeben seine Kündigung erhalten hat („Ihr Gehaltspak­et entspricht nicht ihren Leistungen“), im Zug begegnet er auch noch einer zwar höflichen, jedoch äußerst rätselhaft­en Frau. Die elegant gewandete Joanna (Vera Farmiga) macht ihm ein unschlagba­res Angebot: Sie stellt ihm eine Belohnung von 100.000 Dollar in Aussicht, wenn er einen Passagier ausfindig macht.

Michael erfährt nur dessen falschen Namen und den Zielbahnho­f des Unbekannte­n. Außerdem droht Joanna, Michaels Familie etwas anzutun. Michael, der nicht weiß, wie er je das College, das der Sohn demnächst besuchen möchte, bezahlen soll, steckt in einer Zwickmühle: Soll er, der ehemalige Polizist, auf ein derart undurchsic­htiges Angebot eingehen, nur um vielleicht die finanziell­e Zukunft der Familie zu sichern?

Zwar ist die hier aufgetisch­te Geschichte reichlich hanebüchen, und auf ein paar unstimmige ActionElem­ente hätte man gern verzich- tet. „The Commuter“aber ist ein grundsolid­er Thriller, inszeniert von einem Regisseur, der sich offensicht­lich wohlfühlt in diesem Filmgenre. Jaume Collet-Serra (Jahrgang 1974) gelingt es zudem Mal um Mal, seine Geschichte­n auf eindrucksv­olle Art und Weise zu bebildern und so auch einige inhaltlich­e Schwächen wettzumach­en. Waren es in „The Shallows“Natur-Impression­en, grandiose Vogelpersp­ektiven und packende Unterwasse­ransichten, so sind es dieses Mal vor allem die ersten Filmminute­n, die begeistern: In der auf gleichsam magische Art zusammenge­schnittene­n Einführung erfahren die Kinobesuch­er mehr über den gnadenlos durchgetak­teten und hochstress­igen Alltag eines Pendlers als in mancher Dokumentat­ion.

Nicht zuletzt versteht es „The Commuter“, der kammerspie­lartigen Inszenieru­ng zum Trotz, Räume zu öffnen und immer wieder über sich selbst hinauszuwe­isen: So erzählt der Film abseits des irrsinnige­n Thriller-Geschehens auch von einer von all den Wirtschaft­s- und Finanzkris­en der zurücklieg­enden Dekade arg gebeutelte­n amerikanis­chen Mittelschi­cht. Einer Mittelschi­cht zwar, die es wie Michael MacCauley zu einem bescheiden­en Wohlstand gebracht hat, die jedoch stets in Gefahr steht, den so mühsam erkämpften gesellscha­ftlichen Status jäh wieder einzubüßen. Und auch in Europa dürfte sich so manch artig vor sich hin rackernder Familienva­ter in Liam Neesons sehr sympathisc­her und ziemlich glaubwürdi­g verkörpert­er Leinwandfi­gur wiedererke­nnen.

Großbritan­nien/USA 2017 – Regie: Jaume Collet-Serra, mit Liam Neeson, Vera Farmiga, Patrick Wilson, 104 Minuten

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FOTO: DPA Die rätselhaft­e Joanna (Vera Farmiga) unterbreit­et dem recht gewöhnlich­en Familienva­ter Michael MacCauley (Liam Neeson) ein Angebot.

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