Die SPD kann nur in der Mitte reüssieren
Verstehen kann man die Jusos schon irgendwie. Die Neuauflage der großen Koalition versprüht den Duft eines verstaubten Teppichs, der viele Jahre im Hobbykeller vor sich hin müffelte. Nur greifen die Jusos in ihrer Replik auch in die Mottenkiste. Wann lernt die SPD, dass ein Linksschwenk die Partei nicht wieder nach oben bringt? Die Wahlkämpfe 2009, 2013 und 2017 wurden doch dezidiert mit einem linken Programm geführt, die Themen soziale Gerechtigkeit und gute Arbeit standen im Mittelpunkt. Heute ist die SPD bei 18 Prozent. Nun soll noch mehr Kapitalismuskritik, gepaart mit Bürgerversicherung und höherem Spitzensteuersatz die Lösung sein? Sogar die „Zeit“beklagt das Fehlen der überzeugten politischen Mitte.
Die Jusos sollten vielmehr die Groko akzeptieren, aber personell und inhaltlich einen Neustart verlangen. Neue Ressorts (Integration, Digitales), eine Politik für Aufsteiger und Leistungsbereite, für Familien und Gruppen, die wirklich dringend Hilfe benötigen (Pfleger, Erzieher, Alleinerziehende). Dazu neue Köpfe im Kabinett. Dafür lohnte es sich zu streiten. Dann könnte die SPD vielleicht auch in der Groko reüssieren. Minderheitsregierungen, Neuwahlen, alles keine echten Alternativen. BERICHT SPD GEHT TIEF GESPALTEN.. , TITELSEITE
Sicherheit geht vor
Drei Tote, viele Verletzte, unzählige umgekippte Bäume und Stillstand bei der Bahn – Sturmtief „Friederike“hat sich ausgetobt. Die Mitteilung über die Einstellung des Zugverkehrs zunächst in NRW, dann in Niedersachsen und schließlich in ganz Deutschland hat viele auf die Palme gebracht. „Die Irren bei der Bahn stellen einfach für heute ihren Fernverkehr ein“, heißt es etwa auf Twitter. Angebracht ist die Kritik nicht. Zwar kommt es bei der Bahn generell viel zu häufig zu Verspätungen, und ganz sicher herrscht hier Verbesserungsbedarf. Doch bei aller Kritik geht bei Unvorhersehbarem wie dem Wetter die Sicherheit vor. Das Streckennetz ist riesig. Ob umgekippte Bäume auf den Gleisen liegen oder Oberleitungen zerstört sind, kann nicht Meter für Meter geprüft werden. Es sollte nicht erst etwas Schlimmes passieren müssen, damit der Stillstand akzeptiert wird. Die Kritik wäre dann womöglich noch viel lauter.
Nicht umsonst hat gestern schließlich auch die Feuerwehr dazu geraten, zu Hause zu bleiben. Und heute können die Reisen schon wieder weitergehen. BERICHT „FRIEDERIKE“BRINGT TOD UND CHAOS, TITELSEITE
Ablasshandel
Donald Trump war begeistert: „Ein gewaltiger Gewinn für die amerikanischen Arbeiter und die USA“, twitterte der US-Präsident, als Apple seine Pläne vorstellte. Und in der Tat klingen die Zahlen großartig: 20.000 neue Jobs und eine Steuerzahlung von 38 Milliarden US-Dollar auf ein gewaltiges Vermögen, das der Konzern bislang günstig im Ausland parkte und nun in die USA holt.
Doch der Preis ist hoch. Denn die USA locken mit Dumping-Steuersätzen all jene Konzerne, die lange Zeit alles unternommen haben, um ihr Vermögen vor dem US-Fiskus möglichst geschickt (und oft in Steueroasen) zu verstecken. Ähnlich wie in Deutschland, wo Steuerhinterzieher straffrei bleiben, wenn sie sich rechtzeitig selbst anzeigen, stellt sich die Frage nach der Moral: Sollten Personen oder Firmen, die lange alles daran gesetzt haben, möglichst unsolidarisch zu sein, dafür am Ende noch belohnt werden?
Nein. Deswegen sollte man die Geste von Apple nicht als noblen Zug missverstehen. Der Konzern macht weiter wie bisher; nur dass die Steueroase jetzt USA heißt. BERICHT