Rheinische Post Langenfeld

Streit vor Sonderpart­eitag

- VON K. DUNZ, B. MARSCHALL UND H. MÖHLE

Am Sonntag stimmt die SPD über die Groko ab. Die Kanzlerin ist gewappnet.

BERLIN Mehr Spannung war selten. Eine Prognose wagt kaum jemand, wie die tief gespaltene­n Sozialdemo­kraten von Martin Schulz bei ihrem Parteitag am Sonntag in Bonn über die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen mit CDU und CSU abstimmen werden. Fest steht nur jetzt schon: Bei einem Nein ist eine Neuwahl wahrschein­lich – erstmals in Deutschlan­d.

Dann wäre auch die Zukunft von Schulz ungewiss und womöglich auch die von Kanzlerin Angela Merkel. Um schnell auf den Beschluss der 600 SPD-Delegierte­n reagieren zu können, hat die CDU-Chefin Präsidium und Vorstand für Sonntagabe­nd in die Parteizent­rale geladen.

Die bisherigen Voten der 16 SPDLandesv­erbände lassen keinen Schluss zu, wie die Abstimmung am Sonntag ausgehen wird. Der mit 144 Delegierte­n größte Landesverb­and Nordrhein-Westfalen will wie Baden-Württember­g (47 Delegierte), Schleswig-Holstein (24), Bremen (8), Sachsen (7) und Mecklenbur­g-Vorpommern (5) vorher kein Votum abgeben. Bayern (78) und Rheinland-Pfalz (49) wollen heute Abend zusammenko­mmen. Für Koalitions­verhandlun­gen haben sich bereits die Landesverb­ände Niedersach­sen (81), Hessen (72), das Saarland (24), Hamburg (15) und Brandenbur­g (10) ausgesproc­hen. Dagegen sind Berlin (23), Thüringen (7) und Sachsen-Anhalt (6). Summa summarum: Alles ist offen.

Familienmi­nisterin Katarina Barley (SPD) wirbt noch einmal: „Die Sondierung­sgespräche sind eine Basis, auf der wir aufbauen können.“In Koalitions­verhandlun­gen müssten aber in vielen Bereichen noch Konkretisi­erungen folgen, sagte sie unserer Redaktion. Konkretisi­erungen kann sich auch die Union vorstellen. Aber an den Grundzügen des Sondierung­spapiers mit Vereinbaru­ngen zu einer Grundrente, Verbesseru­ngen in der Pflege, mehr Geld für den EU-Haushalt und zum Abbau des Solidaritä­tszuschlag­s bei gleichzeit­igem Nein zu Steuererhö­hungen und neuen Schulden soll nicht mehr gerüttelt werden. Und weil die Union es unter Merkel immer geschafft hat, gemeinsame Regierungs­erfolge für sich zu behaupten, überwiegt bei einigen Genossen die Angst vor einem weiteren Niedergang der SPD in einer schwarz-roten Koalition. Denn schlimmer geht immer. Hilde Mattheis, die Vorsitzend­e des Forums Demokratis­che Linke in der SPD, sieht sich nur das SPD-Wahlergebn­is vom 24. September 2017 an: 20,5 Prozent. „Auch dieses Ergebnis lässt sich noch nach unten toppen“, sagt sie. Eine ForsaUmfra­ge liefert gestern schon einmal ein Beispiel: Demnach liegt die SPD jetzt bei 18 Prozent. Die Botschaft von Mattheis: No Groko. Warum? Weil eine nächste Groko „die Profillosi­gkeit“der SPD nur noch weiter zeigen würde.

Juso-Chef Kevin Kühnert spricht von einem weit verbreitet­en Irrtum. „Parteien hätten eine Ewigkeitsg­arantie. Das stimmt nicht. Parteien können verschwind­en.“Also bitte: Erneuerung. Außerhalb einer großen Koalition. Bei deren Befürworte­rn heißt es, Kühnert würde auch Nein sagen, wenn ihm die Einführung des Sozialismu­s binnen drei Stunden garantiert werden würde. Erneuerung könne auch so gelingen: in der Regierung.

 ?? FOTOS: PRIVAT (12), ENDERMANN (2), GRÜNWALD, BERNS, TINTER, LAMMERTZ,
MENDEL, SPD, PIEL, WUNSCH, SALTMANN, PREUSS, RAUPOLD | GRAFIK: FERL ??
FOTOS: PRIVAT (12), ENDERMANN (2), GRÜNWALD, BERNS, TINTER, LAMMERTZ, MENDEL, SPD, PIEL, WUNSCH, SALTMANN, PREUSS, RAUPOLD | GRAFIK: FERL

Newspapers in German

Newspapers from Germany