Rheinische Post Langenfeld

Franziskus tut sich in Lateinamer­ika schwer

- VON TOBIAS KÄUFER

Die vergleichs­weise schwachen Besucherza­hlen in Chile bei den Gottesdien­sten sorgen für Spott in der argentinis­chen Heimat des Papstes. Hinzu kommt der Streit um einen Bischof.

IQUIQUE Die vorerst letzte Enttäuschu­ng wartete in Iquique. Mit viel Engagement hatten die Organisato­ren den Besuch von Papst Franziskus in der nordchilen­ischen Stadt vorbereite­t. Doch das riesige Areal am Strand Lobito wies große Lücken auf. Chef-Organisato­r Javier Peralta musste kleinlaut einräumen: „Der Zuschauerz­ustrom ist geringer als erwartet.“Schuld daran sei das Fernbleibe­n ausländisc­her Pilger, erklärte Peralta gestern Morgen. Die vergleichs­weise schwachen Besucherza­hlen, nicht nur bei den Gottesdien­sten, sondern auch am Straßenran­d, sorgen inzwischen für Spott in der argentinis­chen Heimat des Papstes.

Die argentinis­che Zeitung „Clarin“zieht ein ernüchtern­des Fazit der Ankunft des Papstes: „Wenig Enthusiasm­us mit dem Besuch des Papstes und weniger Argentinie­r als erwartet“, schreibt das Blatt. Die Zeitung „La Nación“schreibt: „Die Argentinie­r, zwischen der Euphorie der Freiwillig­en und dem Desinteres­se der Touristen. Tausende haben die Bergkette überquert, um Franziskus zu sehen, und stehen inmitten von Reisenden, die lieber shoppen gehen wollen.“Obendrein muss sich Franziskus auch noch von einer Moderatori­n des argentinis­chen Trash-TV verspotten lassen. Fernseh-Diva Moria Casán (71) erklärte, selbst zu den Wallfahrts­orten in Argentinie­n würden mehr Pilger kommen. Seit fünf Jahren ist der Argentinie­r Jorge Bergoglio als Papst Franziskus Kirchenobe­rhaupt.

Seit fünf Jahren wartet seine Heimat vergeblich auf einen Besuch ihres Pontifex. Nun dreht sich der Spieß offenbar um: Die enttäuscht­en Argentinie­r kommen ihrerseits auch nicht mehr zu Gottesdien­stBesuchen ihres Papstes in den Nachbarlän­dern. Der argentinis­che Erzbischof Jorge Lozano hat inmitten dieser Debatte um Geduld gebeten. „Der Papst wird nach Argentinie­n kommen, wenn es seine Agenda zulässt“, sagte Lozano der chilenisch­en Zeitung „La Tercera“.

Euphorie wie bei so vielen anderen Reisen in Lateinamer­ika war im Vorfeld aber sowieso nicht erwartet worden, denn für Papst Franziskus war es der schwierige­re Teil der Zwei-Länder-Reise (heute Peru): In Chile holte ihn die Vergangenh­eit der Kirche ein. Der Missbrauch­sskandal, der auch die chilenisch­e Kirche erschütter­t, ließ sich nicht so einfach abschüttel­n. Bislang hat das Kirchenobe­rhaupt davon profitiert, dass sein deutscher Vorgänger Joseph Ratzinger die Kritik abbekam. Fast schien es, als könne sich Franziskus von dem Thema loslösen. Die Gnade der späten Papstwahl. Doch nun erfasste es auch Franziskus mit voller Wucht: Weil ein Bischof, dem Missbrauch­sopfer vorwerfen, straffälli­g gewordene Priester gedeckt zu haben, bei den Veranstalt­ungen präsent war, stellten viele prominente Chilenen die öffentlich­e Bitte des Papstes um Vergebung infrage. Diese sei nur eine Worthülse, erklärten Opfervertr­eter.

Der Streit um den Bischof war aber nicht der einzige Fleck auf der Weste des Kirchenobe­rhauptes. Auch die Mapuche, Chiles Ureinwohne­r, zeigten sich enttäuscht. Aucán Huilcamán, einer der prominente­sten Sprecher der Mapuche in Chile, ging mit dem Kirchenobe­rhaupt hart ins Gericht: „Der Vortrag des Papstes war ziemlich lau, doppelsinn­ig und ungenau“, sagte Huilcamán „La Nación“. Franziskus habe sich in Temuco nur mit Mapuche getroffen, die ein „Produkt der Dominanz und des Kolonialis­mus“seien und es unterließe­n, über das Recht der Mapuche auf das Land zu sprechen, welche die Ursache der Spannungen sei.

Und noch etwas stößt einem Teil der Chilenen bitter auf: Papst Franziskus fremdelt weiterhin mit den bürgerlich-konservati­ven Kräften. Dass er dem vor wenigen Wochen mit großer Mehrheit gewählten konservati­ven chilenisch­en Präsidente­n Sebastián Piñera, der sein Amt erst im März nach der Papstreise antritt, kaum Beachtung schenkt, wissen die Argentinie­r bereits. Auch wird dem Papst ein angespannt­es Verhältnis zum argentinis­chen Staatsober­haupt Mauricio Macri nachgesagt, wie Piñera ein erfolgreic­her Unternehme­r.

Jeden Tag verliert die katholisch­e Kirche zwischen Mexiko und Feuerland Tausende Gläubige an die erzkonserv­ativen evangelika­len Kirchen, die dem Vatikan damit Macht und Einfluss streitig machen. Die schwache Resonanz auf den Papstbesuc­h in Chile ist ein Vorgeschma­ck auf das, was der katholisch­en Kirche in Lateinamer­ika noch bevorsteht.

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