US-Steuerreform durchkreuzt EU-Pläne
Über Jahre hatten US-Konzerne wie Apple Milliarden im Ausland geparkt, um Steuerzahlungen in den USA zu umgehen. Die Steuerreform von US-Präsident Trump ermöglicht ihnen nun eine günstige Rückkehr – zum Leidwesen der EU.
BRÜSSEL Wirtschaft kann manchmal paradox sein: Obwohl der iPhoneHersteller Apple in den vergangenen Jahren Milliarden-Gewinne einfuhr, nahm er gleichzeitig seit Anfang 2013 mehr als 100 Milliarden Dollar Schulden auf, um Aktionären Dividenden zu zahlen und versprochene und Aktienrückkäufe zu finanzieren. Das Problem war: Ein gewaltiges Vermögen von 252 Milliarden US-Dollar lag auf Konten im Ausland, überwiegend erwirtschaftet durch Gewinne in Asien und Europa – und sicher geparkt vor dem US-Fiskus. Es war für Apple schlicht günstiger, die Zinsen für die Anleihen zu bezahlen, als die Steuerrate von über 35 Prozent auf die Auslandsreserven.
Doch damit ist jetzt Schluss. Denn mit der US-Steuerreform ermöglicht Präsident Donald Trump es den USGroßkonzernen, ihr Geld kurzfristig günstig in die USA zurückzuholen. Gleichzeitig wird langfristig eine Lücke geschlossen, bei der US-Unternehmen ihr Auslandsvermögen nicht in den USA versteuern mussten.
Apple machte nun den Auftakt – und zahlt dafür einmalig 38 Milliarden Dollar (knapp 31 Milliarden Euro). Weitere Unternehmen könnten diesem Beispiel schon bald folgen – sehr zum Ärger der EU-Kommission, die ebenfalls daran arbeitet, Unternehmen der sogenannten Plattformwirtschaft wie Apple, Amazon und Google künftig in Europa einer wirksamen Besteuerung zu unterwerfen. Ein Experte für das internationale Steuerrecht sagt: „Es gibt kein natürliches Anrecht der EU, von den US-Unternehmen Steuern zu verlangen, wenn sie in den USA der Besteuerung unterliegen.“Hintergrund: Im internationalen Steuer- recht gilt das Prinzip, dass Unternehmensgewinne nur einmal besteuert werden.
Die Trump-Regierung hat nun die Karten im Steuerrecht grundlegend geändert. Sie schafft die Steuerfreiheit auf die im Ausland gelagerten Gewinne ab. Apples jetzige Milliarden-Zahlung entspricht einem Steuersatz von 15,5 Prozent. Das ist kein schlechter Deal. Kapitalgesellschaften zahlen in den USA sonst 21 Prozent auf ihre Gewinne. Und die Trump-Regierung schärft den internationalen Steuerwettbewerb noch mit einem zweiten Schachzug: Die USA entziehen mit der Reform zu- gleich der jahrelang geübten Praxis vieler US-Unternehmen die Grundlage, Gewinne steuerfrei im Ausland zu lagern. Diese Gewinne im Ausland werden künftig mit einem Satz von rund 13 Prozent in den USA besteuert. Das ist in etwa so viel, wie die Niedrigsteuer-Länder in der EU, Bulgarien und Irland, verlangen.
Über Jahre war es Apple, Amazon und vielen anderen Unternehmen gelungen, die in der EU erwirtschafteten Gewinne so gut wie steuerfrei aus Europa heraus zu schaffen. Dabei halfen EU-Mitgliedsländer wie Irland, Belgien, Luxemburg und die Niederlande, die den US-Konzernen gegen die Schaffung von Jobs Steuerprivilegien gewährten.
Die EU will diese Praxis unterbinden – und verlangte zuletzt von Irland, 13 Milliarden Steuern nachzufordern. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sagte, Apple sei ein ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil gewährt worden.
Die Empörung über den Fall Apple führte auch dazu, dass die EU-Kommission Irland und die anderen Mitgliedstaaten zwang, Steuerschlupflöcher zu schließen. Außerdem wurden immer mehr Forderungen laut, die im Ausland ansässigen, aber in Europa tätigen Internet-Großkon- zerne auch in der EU einer wirksamen Besteuerung zu unterziehen.
Im Fall Apple vertrat die Kommission sogar den Standpunkt: „Sollten andere Länder von Apple mehr Steuern für den genannten Zeitraum auf die Gewinne erheben, würde dies den von Irland zurückzufordernden Betrag verringern.“Erstaunlich ist, dass die Kommission davon jetzt nichts mehr wissen will. Ein Sprecher sagte: „Es hat sich nichts verändert.“Es bleibe dabei, Irland muss die 13 Milliarden zurückfordern.
Wie in Brüssel zu hören ist, ist den Experten der EU-Kommission durchaus klar, dass die US-Steuerreform die ambitionierten Brüsseler Pläne für eine Besteuerung von Apple, Google und Co. mindestens schwieriger, wenn nicht ganz zunichtemachen wird. „Durch die US-Steuerreform hat sich für uns eine Menge verändert“, hört man in Brüssel. Die Fachleute arbeiten mit Hochdruck daran, eine Antwort auf die Entwicklung in den USA zu finden. Denn eigentlich wollte die EU-Kommission bereits im Frühjahr ihre Pläne für die lang angekündigte Besteuerung von Internetfirmen in der EU vorlegen.