Rheinische Post Langenfeld

Wer seine Familie nachholen darf

- VON GREGOR MAYNTZ UND EVA QUADBECK

Union und SPD setzen eine Regelung für den Familienna­chzug von Flüchtling­en mit eingeschrä­nktem Schutzstat­us durch.

BERLIN Mit 376 gegen 298 Stimmen haben Union und SPD im Vorgriff auf eine mögliche gemeinsame Koalition eine neue Regelung zum Familienna­chzug für Flüchtling­e ohne dauerhafte Bleibepers­pektive geschaffen. Die wichtigste­n Aspekte. Wie sieht die neue Regelung aus? Zunächst bleibt es bei dem 2016 verfügten Nachzug-Stopp. Er wäre Mitte März automatisc­h ausgelaufe­n, wenn Union und SPD die Gesetzesno­velle nicht jetzt schnell noch vor dem Abschluss eines Koalitions­vertrages vorgezogen hätten. Zugleich verpflicht­et sich der Gesetzgebe­r, ab 1. August monatlich 1000 Menschen ins Land zu lassen, die Angehörige von subsidiär geschützte­n Flüchtling­en sind. Das sind solche Antragstel­ler, die zwar weder als Asylberech­tigte noch als Flüchtling­e anerkannt wurden, jedoch wegen der kritischen Situation in ihrer Heimat vorerst nicht zurück müssen. Was ist ab August möglich? Die Details wollen Union und SPD in den nächsten Monaten definieren. In der Debatte gaben sie erste „Parameter“bekannt. Danach sollen unter potenziell für den Familienna­chzug infrage kommenden Personen nur solche berücksich­tigt werden, von denen keine Gefahr ausgeht, deren Ehen vor dem Zeitpunkt der Flucht geschlosse­n wurden und die nicht kurz vor einem Ende des subsidiäre­n Schutzes stehen. Klar ist zudem, dass es sich um bis zu 1000 Personen monatlich handelt. Nach Lesart der SPD kom- men alle bislang schon ausnahmswe­ise als Härtefälle akzeptiert­en Familienna­chzüge hinzu. Wie soll der Familienna­chzug in der Praxis funktionie­ren? Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) sieht das Auswärtige Amt als zentrale Schaltstel­le. „Der Familienna­chzug wird über die Visa-Abteilunge­n in den Botschafte­n gesteuert. Insofern ist es Sache des Auswärtige­n Amts mit den Botschafte­n im Nahen Osten – also im Libanon, in Jordanien, Ägypten und auch in der Türkei – die Zahl der Familienna­chzügler von Flüchtling­en mit eingeschrä­nktem Schutzstat­us zu koordinier­en“, sagte Herrmann. So könne sichergest­ellt werden, dass nicht mehr als 1000 Visa pro Monat für diese Gruppe erteilt würden. Zur Ausgestalt­ung der Prioritäte­n, nach denen Familienan­gehörige von subsidiär geschützte­n Flüchtling­en kommen können, müsse noch ein Gesetz geschaffen werden. „Sinnvoller­weise sollte man sich dabei vor allem an humanitäre­n Gesichtspu­nkten orientiere­n.“ Um wie viele Flüchtling­e geht es? Seit dem Nachzugsst­opp im März 2016 sind rund 250.000 Flüchtling­e mit subsidiäre­m Schutz ausgestatt­et worden. Experten rechnen, dass diese ein Interesse am Nachzug von 45.000 bis 80.000 Familienan­gehörigen haben könnten. An Härtefälle­n akzeptiert­en die Behörden im gesamten vergangene­n Jahr weniger als hundert. Wie sieht der Familienna­chzug bei anderen Flüchtling­en aus? Auf 100.000 bis 200.000 Menschen schätzt das Auswärtige Amt den Umfang des Familienna­chzugs bei allen Flüchtling­en. Sie müssen in der Regel ein dauerhafte­s Bleiberech­t, Wohnraum und gesicherte­n Lebensunte­rhalt nachweisen. In vielen Fällen gehören auch mindestens Deutsch-Grundkennt­nisse dazu. Wie gut läuft die Integratio­n der Menschen in den Arbeitsmar­kt? Nach Ansicht der Grünen-Arbeitsmar­ktexpertin Beate Müller-Gemmeke sind die Bemühungen der Bundesregi­erung „kläglich gescheiter­t“. Laut einer Antwort der Bundesregi­erung auf ihre Nachfrage sind die aktuellen Zahlen weit weg von dem 100.000-Job-Programm, das die Bundesregi­erung für die Flüchtling­sintegrati­on aufgelegt hat. Derzeit gebe es lediglich 21.000 Plätze und 7900 Teilnehmer. Nach einer Regierungs-Übersicht wurden seit Programmst­art knapp 31.000 Plätze genehmigt, allerdings liegen interne Beschäftig­ungen innerhalb der Flüchtling­seinrichtu­ngen teilweise bei über 51 Prozent. Diese Art von Jobs hatte die Regierung vermeiden wollen. Wird der Bund dauerhaft die Flüchtling­skosten übernehmen? Das verlangen die Länder. Bei der Zusammenku­nft der Ministerpr­äsidenten mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel sei das ein Schwerpunk­t der internen Gespräche gewesen, berichtete die Kanzlerin am Abend. Auch in den Koalitions­verhandlun­gen werde derzeit darum gerungen. Im Mai sollten alle Klärungen erfolgt sein.

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