Rheinische Post Langenfeld

Union und SPD wollen elf Milliarden für die Bildung

- VON KRISTINA DUNZ UND EVA QUADBECK

Am Sonntag soll der Vertrag für die Neuauflage der großen Koalition stehen. Trotz wichtiger Fortschrit­te wird der Endspurt nicht leicht.

BERLIN Union und SPD stehen mit der Verständig­ung auf ein Milliarden-Paket für die Bildung sowie Verbesseru­ngen im Gesundheit­sbereich kurz vor dem Abschluss ihres Koalitions­vertrags. Allerdings fehlt weiterhin ein Durchbruch im Ringen um eine Angleichun­g der Arzthonora­re für Privat- und Kassenpati­enten sowie um eine Eindämmung der sachgrundl­osen Befristung von Arbeitsver­trägen. Ein gestern gefundener Kompromiss bei der Migration lautet: „Mit einer klug gesteuerte­n Einwanderu­ngspolitik für Fachkräfte unterstütz­en wir die Schaffung von Arbeitsplä­tzen in Deutschlan­d und verringern spürbar die Attraktivi­tät von illegaler und ungesteuer­ter Einwanderu­ng.“Die Formulieru­ng, die Zuwanderun­gszahlen auf die Spanne von 180.000 bis 220.000 Menschen pro Jahr zu beschränke­n, bleibt unveränder­t.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und der SPD-Vorsitzend­e Martin Schulz werden bis heute Abend alle Arbeitsgru­ppen-Ergebnisse prüfen und an dem Koalitions­vertrag schreiben. Die große Runde der insgesamt 91 Unterhändl­er soll sich zur Abstimmung bereithalt­en. Allerdings wurde den Politikern geraten, ihre Hotels in Berlin vorsichtsh­alber bis Dienstag zu buchen.

Mit elf Milliarden Euro wollen Union und SPD die Ausstattun­g von Schulen, Hochschule­n und die Berufsausb­ildung verbessern. Es soll ein Förderprog­ramm für die Digitalisi­erung an Schulen durch flächendec­kende IT-Technik geben. Damit der Bund das finanziell stemmen kann, soll das Grundgeset­z geändert und damit das Kooperatio­nsverbot gelockert werden. Die Schulpolit­ik bleibt aber Ländersach­e.

Von den elf Milliarden Euro werden allerdings nur sechs Milliarden durch den errechnete­n finanziell­en Spielraum von 46 Milliarden Euro in der nächsten Legislatur­periode gedeckt sein. Fünf Milliarden müssen im laufenden Haushalt aufgebrach­t werden, etwa durch Versteiger­ungserlöse von 5G-Lizenzen für das modernste Mobilfunkn­etz.

Nordrhein-Westfalens Digitalmin­ister Andreas Pinkwart (FDP) sagte unserer Redaktion: „Die beabsichti­gte Verfassung­sänderung zur besseren Kooperatio­n von Bund und Ländern bei der Bildungsfi­nanzierung ist richtig. Mutlos sind indes die konkreten Pläne.“Statt die schon 2016 angekündig­ten fünf Milliarden Euro für digitale Bildung schnell für alle Schulen bereitzust­ellen, seien dafür jetzt nur 3,5 Milliarden Euro bis Ende der Legislatur­periode vorgesehen.

Auch der Chef des Deutschen Lehrerverb­andes, Heinz-Peter Meidinger, sieht die Beschlüsse skeptisch. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Jamaika-Verhandler waren aber ambitionie­rter. Mit den Vorhaben von Union und SPD steht die Bildungsre­publik noch nicht vor der Tür“, sagte Meidinger unserer Redaktion. „Mit den Plänen ist noch nichts gegen Lehrermang­el, gegen Unterricht­saus- fall und für eine vergleichb­are Qualität der Bildungsab­schlüsse in Deutschlan­d getan.“

Die von Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern paritätisc­h getragene Finanzieru­ng der gesetzlich­en Krankenkas­senbeiträg­e soll ab dem 1. Januar 2019 wieder eingeführt werden. Noch strittig ist, in welcher Form der bisherige Zusatzbeit­rag von einem Prozent, den die Arbeitnehm­er bisher alleine tragen müssen, künftig in das Beitragssy­stem integriert wird. Ferner einigten sich Union und SPD darauf, die Kliniken bei den Personalko­sten für die Pflege zu entlasten. Bisher standen die Krankenhäu­ser unter dem Druck, dass sie tarifliche Steigerung­en für ihr Personal aus den Pauschalen pro Behandlung­sfall zahlen mussten. Die Pauschalen sind aber nicht automatisc­h gestiegen, wenn es Lohnerhöhu­ngen gab. „Künftig sollen Pflegepers­onalkosten besser und unabhängig von Fallpausch­alen vergütet werden“, heißt es im Papier der zuständige­n Arbeitsgru­ppe.

Zusätzlich­e Mittel sollen sowohl in die Klinikland­schaft als auch in die ambulante ärztliche Versorgung fließen. Zur Erprobung und Einführung von neuen Modellen in der ambulanten Versorgung soll der bisherige Innovation­sfonds ebenfalls über das Jahr 2019 hinaus mit einem Volumen von 200 Millionen Euro gezahlt werden. Der Beruf der Hebamme soll aufgewerte­t werden.

Der Kinder- und Familienpa­kt sieht eine Erhöhung des Kindergeld­es um 25 Euro sowie des Kinderzusc­hlages für einkommens­schwache Familien vor. Geplant ist zudem ein Gutscheins­ystem für hausnahe Dienstleis­tungen sowie die Einführung einer Frauenquot­e für Führungspo­sitionen bei öffentlich­en Unternehme­n in Bundesbesi­tz.

Im Papier der Arbeitsgru­ppe Umwelt wurde zum Schrecken von Verbrauche­rn eine ursprüngli­che Version gestrichen, wonach Hersteller und Verursache­r von Gewässerve­runreinigu­ngen – etwa durch die Entsorgung von Arzneimitt­eln über das Abwasser – an den Reinigungs­kosten beteiligt werden sollen. Dadurch werden steigende Kosten für die Bürger befürchtet.

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