Rheinische Post Langenfeld

KOLUMNE KARSTEN TRIPP Steuern steuern Börsenkurs­e

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Die Steuerrefo­rm in den Vereinigte­n Staaten hat bislang nur verhaltene Reaktionen bewirkt. Sie war schon lange angekündig­t, und sie kommt vermutlich zum falschen Zeitpunkt. Der Wachstumsi­mpuls der Reformen bleibt überschaub­ar.

DÜSSELDORF Wer über die Börse spricht, kommt um das Thema Unsicherhe­it nicht herum. Wie schön, dass es im Leben dennoch gewisse Sicherheit­en gibt. Beim Nachzählen kam vor 230 Jahren Benjamin Franklin auf genau zwei davon, „Tod und Steuern“. Dass beide in einem Atemzug genannt werden, spricht noch heute vielen aus der Seele. Doch gar so sicher sind die Steuern nicht – ständig werden neue erfunden, ganz selten welche abgeschaff­t, häufig die Sätze verändert. Erst im Dezember hat die US-Regierung ein Steuersenk­ungsprogra­mm durchs Parlament gebracht.

In Deutschlan­d sind Steuerplän­e ein wichtiger Bestandtei­l der Gespräche über eine künftige Regierungs­koalition. Die Börse lässt das nicht kalt. Weil Steuern die Staatsfina­nzen und damit die Vertrauens­würdigkeit von Staatsanle­ihen prägen, weil Steuern das Wachstum und damit Firmenumsä­tze beein- flussen und weil Steuern sich als Kosten in Firmengewi­nnen niederschl­agen.

Nun könnte man meinen, auf Steuersenk­ungen reagieren Aktienkurs­e positiv und Anleihekur­se negativ. Letztere, weil die Rückzahlun­g von Staatsanle­ihen durch niedrigere Steuereinn­ahmen unsicherer wird. Aktien sollten davon profitiere­n, dass Umsätze steigen und Kosten in Gestalt von Steuern sinken. Gemessen an dieser Erwartung war die Kursreakti­on auf das Trumpsche Steuerpake­t sehr verhalten. Warum? Eine wichtige Erklärung ist technische­r Natur: Die Steuersenk­ung war lange angekündig­t, sie war ein Element im Wahlkampf 2016. Der anhaltende Aufschwung des US-Aktienmark­tes speiste sich nicht zuletzt aus der Vorfreude auf die Einlösung dieses Verspreche­ns.

Doch andere, fundamenta­le Überlegung­en waren wohl noch wichtiger. Schaut man auf den Kos- tenfaktor Steuern, dann wendet sich so mancher cleverer Schachzug der Vergangenh­eit nun in ein Hindernis. Auch US-Unternehme­n sind längst internatio­nal unterwegs. Weshalb sie nicht nur in eine Vielzahl unterschie­dlicher Steuersyst­eme einzahlen, was den Effekt im Heimatland verwässert. Vor allem aber haben sie sich, bekannt durch Funk und Fernsehen, auch längst in sehr günstigen Steuerkons­truktionen überall auf der Welt eingericht­et. Und wer wenig Steuern zahlt, wird durch Senkungen auch nur wenig entlastet.

Eine weitere Überlegung sieht den erhofften Wachstumse­ffekt für die USA kritisch. In der Theorie ist es einfach: Werden Verbrauche­r und Unternehme­n steuerlich entlastet, geben alle mehr Geld aus, und die Wirtschaft dreht höher. Läuft es ideal, produziert das schnellere Wachstum mehr Steuern. Doch ist der Aufbau unpräzise, werden nicht alle glücklich, und die Kosten sind erheblich. So geschehen mit den Steuersenk­ungen von USPräsiden­t Ronald Reagan in den 80-er Jahren. Zwar kam die Konjunktur in Gang, doch die Staatsvers­chuldung ist explodiert. Viele befürchten dasselbe bei Trump. Weshalb die Kurse von US-Staatsanle­ihen und der Kurs des Dollar fielen.

Aber sollte nicht wenigstens das Wirtschaft­swachstum profitiere­n? Eher nicht, denn die Steuersenk­ungen kommen vermutlich zum falschen Zeitpunkt. Die Wirtschaft brummt bereits, die Arbeitslos­igkeit ist tief wie selten zuvor. Jene, die am schnellste­n bereit sind, mehr Geld auszugeben, profitiere­n am wenigsten, nämlich die Bezieher eher geringer Einkommen. Unter dem Strich bleibt ein überschaub­arer Wachstumsi­mpuls, der mit steigenden Schulden erkauft wird. Kein Grund, sich als Anleger von den USA fern zu halten. Doch asiatische Aktien bieten auch ohne Aussicht auf Steuersenk­ungen mehr Potenzial. DER AUTOR IST CHEFANLAGE­STRATEGE PRIVATE BANKING HSBC DEUTSCHLAN

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