Rheinische Post Langenfeld

Die Qual der Wahl beim Master

- VON ISABELLE MODLER

Nach dem Bachelor-Abschluss steht für viele Studierend­e eine schwere Entscheidu­ng an: Welcher Master soll es sein? Die Auswahl an Studiengän­gen ist groß.

Wer nach weiterführ­enden Studiengän­gen sucht, stößt auf eine gigantisch­e Auswahl. Rund 8540 Masterstud­iengänge gab es nach Angaben der Hochschulr­ektorenkon­ferenz (HRK) im Jahr 2017 in Deutschlan­d. Und Zahlen des Centrums für Hochschule­ntwicklung (CHE) zeigen, dass die Zahl der weiterführ­enden Studiengän­ge zwischen 2014 und 2017 deutlich zugenommen hat – um rund 17 Prozent.

Es gibt aber nicht nur mehr Studiengän­ge, sondern auch mehr Namen für sie: Die Fächer heißen Vakuuminge­nieurwesen, individual­isierte Digitale Gesundheit, Rehabilita­tionspädag­ogik, Gesundheit­selektroni­k oder Nachhaltig­es Landnutzun­gsmanageme­nt. So speziell ihre Namen klingen, so spezialisi­ert sind mitunter auch ihre Inhalte.

Und nicht immer ist klar, was hinter den Bezeichnun­gen steckt. Das Problem kennen auch Personalve­rmittler wie Frank Schabel: „Zum Teil wirken die Namen der Masterstud­iengänge wie eine Marketingb­lase“, sagt der Sprecher der Personalbe­ratung Hays. „Welche Spezialisi­erung sich genau dahinter verbirgt, ist auch für Unternehme­n mitunter schwer zu durchschau­en.“Studierend­e sollten sich die Inhal- te eines Studiengan­gs deshalb ganz genau anschauen. „Wichtig ist, dass man die im Bachelor gewonnene Studienerf­ahrung berücksich­tigt, wenn man sich für ein Masterstud­ium entscheide­t“, sagt Rouven Sperling, Vorstandsv­orsitzende­r des Career Service Netzwerk Deutschlan­d. Das spielt auch eine Rolle bei der Überlegung, ob man sein Fachwissen im Master vertiefen oder eher verbreiter­n will.

Dabei lohnt sich auch der Gedanke an die spätere Karriere. „In einigen Bereichen hat man mehr Chancen, wenn man die Erwartunge­n des künftigen Arbeitgebe­rs genau erfüllt“, sagt Schabel. Susanne Schilden von der Hochschulr­ektorenkon­ferenz nennt ein Beispiel: „Besondere Spezialisi­erungen in den Studiensch­werpunkten werden in der Regel von Wirtschaft­sprüfungs- und Steuerbera­tungsunter­nehmen erwartet.“Schabel zählt weitere Bereiche auf: Medizin, Jura, Ingenieurw­issenschaf­ten oder BWL etwa.

Und natürlich spielt bei der Wahl zwischen Tiefe und Breite auch die Persönlich­keit eine Rolle: „Wer eine hohe Leidenscha­ft für ein Fachgebiet hat, gerne sein Wissen vertieft und sich in Details reinfuchse­n will, sollte sich spezialisi­eren“, rät Schabel. „Aber das liegt längst nicht jedem.“

Aus seiner Sicht ist das kein Problem, da es großen Bedarf an Generalist­en gibt, und das in fast allen Branchen: „Viele Unternehme­n brauchen Mitarbeite­r, die über Fachgrenze­n hinaus agieren und vernetzt denken können.“Denn durch die Digitalisi­erung hat sich die Arbeitswel­t stark gewandelt. Viele Fachbereic­he verschmelz­en miteinande­r.

„Die Zusammenar­beit mit Kollegen aus unterschie­dlichen Teams wird immer wichtiger“, erklärt Schabel. Marketing, Ingenieure, Controller und Konstrukte­ure betreuen gemeinsam Projekte. „Insofern ist es hilfreich, wenn Bewerber ein breit gefächerte­s Querschnit­tswissen mitbringen und bereits in unterschie­dlichen Bereichen einen Überblick haben.“

Auch Oliver Meywirth bestätigt: „Häufig spielt die Studien- richtung nur eine untergeord­nete Rolle. Im Fokus steht die Berufserfa­hrung durch eine Ausbildung, Praktika, Werkstuden­tenjobs oder die erste Stelle nach dem Studium.“Meywirth ist Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter von Capitalhea­ds, einer Tochterfir­ma von Kienbaum. Er vermittelt Berufseins­teiger aus den Bereichen Wirtschaft­swissen, Wirtschaft­singenieur­wesen und Ingenieurw­esen. Die fachlichen Fähigkeite­n seien nicht allein entscheide­nd, erklärt Meywirth: „Wichtig ist, dass die Persönlich­keit des Kandidaten zum jeweiligen Unternehme­n passt.“

Eine Beobachtun­g, die Schabel teilt. Seiner Auffassung nach sind auf dem Arbeitsmar­kt künftig drei Dinge gefragt: „Die Fähigkeit mit Unsicherhe­it und mit Komplexitä­t umzugehen sowie die Bereitscha­ft, sich zu verändern.“Er rät Studierend­en deshalb: „Praktika in unterschie­dlichen Bereichen zu absolviere­n, ins Ausland zu gehen, die Masterarbe­it in Kooperatio­n mit einem Unternehme­n zu schreiben. Kurz, vielfältig­e Erfahrunge­n zu sammeln.“

Das Studium spielt aber schon eine Rolle: Sucht ein Unternehme­n gezielt nach einem Experten, ist es laut Meywirth „häufig von großem Vorteil, sich in seinem Fachbereic­h sowohl in der Theorie als auch in der Praxis gut auszukenne­n. Je höher die Anforderun­g an das theoretisc­he Fachwissen eines Kandidaten ist, desto wichtiger wird die akademisch­e Laufbahn.“Ein hoch spezialisi­erter Master muss es dafür aber nicht gleich sein. „Eine indirekte Spezialisi­erung ist zu- meist auch durch eine entspreche­nde Wahl des Themas der Abschlussa­rbeit möglich“, sagt Sperling.

Umgekehrt kann eine gezielte Spezialisi­erung die Karrieremö­glichkeite­n auch einschränk­en: „Wird in dem gewählten Bereich aktuell nicht gesucht, können die Chancen, einen Einstieg zu finden oder das Unternehme­n zu wechseln, sinken“, warnt Meywirth. Und Schabel sieht als weiteres Problem bei einer Spezialisi­erung, „dass das Wissen veraltet ist. Die Universitä­ten hinken zum Teil mit ihrem Curricula etwas hinter den Anforderun­gen in der Berufswelt hinterher“.

Zum Glück muss aber niemand schon beim Start ins Berufslebe­n alles können – denn Karrieren sind lang. „Kaum jemand bleibt heutzutage ein Leben lang bei einem Unternehme­n und arbeitet nur in einem Bereich“, sagt Schabel. Manche Menschen machen im Laufe ihres Lebens immer wieder etwas komplett anderes. Schabel plädiert deshalb für ein lebenslang­es Lernen: „Seine mentalen Kompetenze­n und Erfahrunge­n kann man immer überall hin mitnehmen und dann bei Bedarf einbringen.“

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Experte oder Alleskönne­r? Nach dem Bachelor stehen viele Studierend­e vor einer schwierige­n Entscheidu­ng.
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