Rheinische Post Langenfeld

KOLUMNE ME-NSCH Vom „Tatort“hält der Kripochef nicht viel

- VON SABINE MAGUIRE

Hans-Joachim Spröde ist neu bei der Kreispoliz­eibehörde und hat seinen Beruf von der Pike auf gelernt.

KREIS METTMANN Beim sonntäglic­hen „Tatort“schaut er am liebsten weg. Nicht unbedingt, weil es langweilig­e Fernsehunt­erhaltung wäre. Sondern vor allem, weil man sich als Insider in solchen Drehbücher­n einfach nicht wiederfind­et. Da wird anderthalb Stunden lang ermittelt und dann mal eben der Täter präsentier­t. Hans-Joachim Spröde jedenfalls kann über solche Abläufe nur schmunzeln­d den Kopf schüt-

Hans-Joachim Spröde teln. Mittlerwei­le ist er als neuer Kripochef am Adalbert-Bach-Platz in Mettmann ziemlich weit oben angelangt auf der Karrierele­iter.

Und dennoch weiß er: So wie im Krimi läuft das einfach nicht. Würde man die Realität filmen, so würden die meisten Leute gleich abschalten. Zu langweilig, zu viel Bürokratie und es dauert einfach alles zu lange. „Kripoarbei­t ist vor allem Schreibarb­eit“, weiß Hans-Joachim Spröde, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat. Nach dem Abitur über die Fachhochsc­hule direkt als Fahnder unterwegs: Sitzt er heute seinen Mitarbeite­rn gegenüber, weiß er ziemlich gut, wie die Dinge wirklich laufen. Damals habe in solchen Jobs oft noch gegolten, dass Indianer keinen Schmerz kennen. Was so viel heißt, wie: Geht nicht, gibt’s nicht! Dass man manches lieber nicht sehen würde? Dass man irgendwann einfach genug hat von Kindesmiss­brauch oder von Männern, die ihre Frauen schlagen?

All das wurde vor Jahrzehnte­n noch häufig unter den Teppich gekehrt. Mittlerwei­le jedoch herrscht bei der Kripo ein anderes Klima. „Wir haben nichts davon, wenn sich die Leute hier kaputtarbe­iten“, spricht Spröde über den Wandel in seiner Behörde. Mittlerwei­le könne man ohne Umschweife darüber reden, wenn es nach Jahren inmitten von Ermittlung­en im Kinderporn­omilieu einfach zu viel wird. Oder wenn man genug habe von Frauen, die ihre eigene Vergewalti­gung erfinden, um dem Partner nicht gestehen zu müssen, dass sie ihn betrogen haben. Auch solche Erfahrunge­n gehören zum Kripo-Alltag. Und lassen eines deutlich werden: Vieles ist anders, als es auf den ersten Blick zu sein scheint. Es sei dann die Aufgabe der Ermittler, die Wahrheit hinter den Geschichte­n sichtbar werden zu lassen. „Da gibt es nicht nur Schwarz oder Weiß, sondern vor allem Grautöne“, sagt Spröde.

Angefangen habe er damals noch mit einer „Olympia“auf dem Schreibtis­ch, um seitenlang­e Berichte zu tippen. Blut, Fingerabdr­ücke, Faserspure­n: Viel mehr habe es früher nicht gegeben. Eines jedoch sei auch in Zeiten von DNA-Analysen unveränder­t geblieben: Als Kriminalis­t gehören die Schattense­iten der Seele zum Alltag. Sich selbst fernab solch düsterer Geschehnis­se zu sehen helfe nicht weiter. Im Gegenteil: In jedem wohne auch das Böse. „Man darf nicht an der Oberfläche verharren“, sagt Spröde. Stattdesse­n gehe es darum, hinter menschlich­e Fassaden zu schauen. Dass das in seinem Job zuweilen eine Gratwander­ung ist, weiß er: „Man braucht einen Schutzpanz­er und muss dennoch durchlässi­g bleiben.“Die Abläufe im Kopf, von schlimmen Bildern bis nach Hause verfolgt – einfach ist das nicht.

Landrat Thomas Hendele ist stolz auf seinen neuen Kriminaldi­rektor: „Mit Herrn Spröde haben wir nicht nur einen erfahrenen Kriminalis­ten gewonnen, sondern auch einen Kripo-Chef, der aus einer LandkreisB­ehörde kommt und deshalb genau weiß, welche Anforderun­gen an eine Polizeibeh­örde im Ballungsra­ndgebiet gestellt werden.“

„Man braucht einen Schutzpanz­er und muss dennoch durchlässi­g

bleiben“

 ?? RP-FOTO: SCHÜMMELFE­DER ?? Der neue Kriminaldi­rektor Hans-Joachim Spröde ist ein Oldtimerfa­n. In seinem Büro stehen Modelle und hängen Bilder von alten Autos.
RP-FOTO: SCHÜMMELFE­DER Der neue Kriminaldi­rektor Hans-Joachim Spröde ist ein Oldtimerfa­n. In seinem Büro stehen Modelle und hängen Bilder von alten Autos.

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